Wie schon vor sechs Jahren gelobte Alexander Van der Bellen ohne den möglichen religiösen Zusatz, dass er "die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde". Der 79-Jährige ist somit auch für die nächsten sechs Jahre Österreichs Bundespräsident und Staatsoberhaupt. Er hatte sich bei der Wahl am 17. Oktober des Vorjahres gegen sechs Kontrahenten bereits in der ersten Runde mit 56,7 Prozent der Stimmen durchgesetzt. Der Angelobung folgt ein Treffen mit der Regierung.
Rund 1000 Menschen waren in den historischen Sitzungssaal des neu renovierten Parlaments eingeladen, um der Zeremonie der Angelobung beizuwohnen. Der Bundespräsident richtete dabei auch selbst eine rund 20-minütige Rede an die Gäste. Dabei erinnerte er die Politik an ihre Verantwortungen, die Medien an ihre Aufgaben als vierte Gewalt – und uns alle daran, dass wir es sind, das Bild unserer gemeinsamen Zukunft gestalten. Stehende Ovationen waren dem Staatsoberhaupt sicher. Nur die FPÖ blieb sitzen.
Für frohes Gelächter sorgte der neue alte Bundespräsident mit seiner Aufforderung, jeder und jede möge einmal seine Nachbarn genau betrachten: "Klar, Sie können nicht jeden und jede leiden", gestand der Bundespräsident dem Publikum zu, doch: "Wir können das. Wir können auch mit Menschen auskommen, die mit unserer persönlichen Weltsicht sehr wenig zu tun haben".
FPÖ bleibt sitzen
Wenig Freude kam heute in den Reihen der FPÖ auf: In einem Interview im ORF am Vorabend seiner Angelobung hatte Van der Bellen bekräftigt, die Freiheitlichen auch bei einem blauen Platz eins nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen: Er werde "eine antieuropäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch zu befördern versuchen", sagte das Staatsoberhaupt. Die FPÖ-Abgeordneten spendeten dem Staatsoberhaupt daher heute keinen Applaus.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gratulierte in seiner Rede zur Wiederwahl und dankte für die gute Zusammenarbeit mit dem Parlament. Van der Bellen habe in den vergangenen Jahren vielfältige Herausforderungen zu bestehen gehabt. "Auf der festen Grundlage unserer Verfassung, die Sie mehrmals apostrophierten und mit dem Attribut der Schönheit versahen, haben Sie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, Stabilität in unserem Heimatland zu gewährleisten", lobte er ihn. Sobotka warnte vor Gefahren für die Demokratie, auf diese müsse es klare Antworten geben: "Sehr geehrter Herr Bundespräsident, seien Sie uns auch darin Leitbild und Vertrauensgeber."
Ruhe nach der Angelobung
Im Anschluss an den parlamentarischen Teil gab es für den Oberbefehlshaber des Bundesheers einen militärischen Festakt mit Flaggenparade und Totengedenken am Heldenplatz. Fortgesetzt wurden die Feierlichkeiten mit einem Empfang von Van der Bellens Heimatbundesland Tirol. Um nach seiner Angelobung Kraft zu tanken, hat Van der Bellen heute allerdings auf ein Staatsbankett verzichtet. Stattdessen gibt es ein Mittagessen mit Schülern der Mittelschule Sonntagberg unter der Devise "Bankett mit der Zukunft".
Am Nachmittag traf die Bundesregierung in der Präsidentschaftskanzlei ein. Sie bietet dem neuen, alten Staatsoberhaupt ihren Rücktritt an. Sein Herausforderer Walter Rosenkranz hatte noch öffentlich mit dem Gedanken gespielt, die Regierung zu entlassen. Einen solchen Eklat durfte man von Van der Bellen nicht erwarten: Traditionsgemäß lehnte der Bundespräsident das Angebot der Regierung ab. ÖVP und Grüne dürfen folglich weiter regieren.