Niederösterreich hat gewählt. Das heißt einerseits: Die Wahlen in Kärnten und Salzburg geraten für die Parteien nun stärker in den Fokus. Gerade für die ÖVP war die Landtagswahl in Österreichs größtem Bundesland aber mit Abstand der wichtigste Termin in diesem Jahr.

Bei ihrer Neujahrsklausur im niederösterreichischen Mauerbach hatte die Bundesregierung den Fokus vor allem auf den Ausbau erneuerbarer Energie gelegt. Einen Tag später wurden Verschärfungen des Korruptionsstrafrechts präsentiert. Und die Causa Teichtmeister sorgte rasch für Forderungen nach strengeren Gesetzen gegen Darstellungen von Kindesmissbrauchs. Andere Bundesvorhaben gerieten während des Wahlkampfs hingegen eher in den Hintergrund und könnten nun neuen Schwung erhalten.

Arbeitsmarkt

Die Zahl der offenen Stellen in Österreich schießt in die Höhe, gleichzeitig stehen wir am Beginn einer Pensionierungswelle. In Mauerbach konnte sich die Regierung aber nicht auf Arbeitsmarkt-Maßnahmen einigen. Eine Reformgruppe soll bis März erarbeiten, wie man Personen, die länger arbeiten wollen, entlasten kann.

Die ÖVP wollte Überstunden steuerlich begünstigen und Pensionsversicherungsbeiträge für arbeitende Personen, die bereits über dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter sind, streichen. Geflüchtete aus der Ukraine statt in der Grundversorgung in der Sozialhilfe zu betreuen, damit sie leichter in den Arbeitsmarkt integriert werden können, ist hingegen weiter nicht vorgesehen.

ORF

Bis Ende des Jahres muss feststehen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich künftig finanziert wird. Denn der Verfassungsgerichtshof hat letztes Jahr entschieden, dass auch Personen, die den ORF nur online streamen, GIS zahlen müssen. Unklar ist, wie die "Streaming-Lücke" geschlossen werden soll. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat aber bereits angekündigt, dass sich der ORF auf keinen Geldsegen einstellen darf: "Auch das Geld für den ORF wächst nicht auf den Bäumen."

Vorwürfe rund um das Landesstudio Niederösterreich, Kritik an prekären Arbeitsbedingungen und die Frage, ob der ORF trotz klar parteinahen Stiftungsräten unabhängig sein kann, will die Regierung dabei eher nicht behandeln. Diese Probleme dürften auch weiterhin Österreichs größtem Medienunternehmen überlassen werden.

Migration

Österreichs Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien sorgt in der EU für Unmut. Die ÖVP argumentiert ihren Widerstand damit, dass 2022 mehr als 100.000 Migranten in Österreich aufgegriffen wurden. "Das Gesamtsystem ist kaputt", wiederholte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zuletzt mehrfach in der ZiB 2.

Dass er bald von seinem Veto abweichen könnte, schloss Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) allerdings aus: Beim kommenden Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel stehe die Migration auf der Tagesordnung, nicht Schengen. Die Aufgriffszahlen sanken zuletzt zwar deutlich, ob dies aber auch in Wien langfristig für ein Umdenken sorgt, ist fraglich.

Klimaschutz

Man mag es zwischen Corona, Krieg und Teuerung fast vergessen haben: Für die Grünen ist der Kampf gegen die Klimakatastrophe eigentlich das größte Anliegen. Versprochen wurde im Regierungsprogramm ein Klimaschutzgesetz "mit klaren Treibhausgasreduktionspfaden, Zuständigkeiten, Zeitplänen und entsprechenden Ressourcen".

Die Verhandlungen dazu stocken allerdings seit Monaten: ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager befand letzten Sommer bereits, das Gesetz sei "nicht die oberste Priorität". Die Grünen hingegen pochen auf verbindliche Emissionsgrenzen, damit die im Gesetz vorgeschriebenen Pfade nicht ignoriert werden.

Transparenz

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses hätte schon lange stattfinden können: Justizministerin Alma Zadić und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hatten bereits 2021 einen Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes vorgelegt. Die Begutachtung brachte allerdings viel Kritik von allen Seiten. Seitdem liegt der Gesetzesentwurf im Verfassungsministerium zur Reparatur.

Da gerade die Gemeinden einen hohen Verwaltungsaufwand fürchteten, wäre das Gesetz knapp vor der Wahl in Österreichs größtem Bundesland für die ÖVP wohl eher ungelegen gekommen. In den nächsten Wochen und Monaten könnte wieder Fahrt aufgenommen werden.

Staatsanwaltschaften

Noch immer steht nominell die Justizministerin an der Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften. Damit diese ohne Sorge der politischen Einflussnahme arbeiten können, ist eine Generalstaatsanwaltschaft in Planung. Die Vorstellungen von ÖVP und Grünen liegen hier auf den ersten Blick weit auseinander.

Da die ÖVP aber gleichzeitig auch laut auf die Stärkung von Beschuldigtenrechten, strengere Regeln bei der Abnahme von Handys und Kostenersatz bei Einstellungen und Freisprüchen pocht, gibt es genügend Verhandlungsspielraum.

Gegenfinanzierung

Die Abschaffung der Kalten Progression, die Hilfsmaßnahmen gegen die Teuerung und der Kampf gegen die Corona-Pandemie waren wichtige, aber teure Maßnahmen. Auch der Klimaschutz wird kosten. Noch teurer wird es nur, wenn Österreich seine Klima-Ziele verfehlt und Strafen zahlen muss. Das Land benötigt daher jedenfalls umfangreiche Strukturreformen, um das Budget in den Jahren nach den Krisen im Griff zu behalten.

Doch Reformen im Verwaltungs-, Pensions- oder Gesundheitsbereich sind alles andere als populäre Themen. Sollte der Bund versuchen, in die Kompetenzen von Ländern und Gemeinden einzugreifen, darf sich die Regierung ebenfalls auf Widerstand einstellen. Vor den Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg dürften ÖVP und Grüne daher wohl keine großen Strukturreformen anpacken - auch, wenn es dringend nötig wäre.