Die Schülerinnen und Schüler der Modularen Mittelstufe Aspern hören konzentriert zu. Die Viertklässler sollen schätzen, wie viel ein durchschnittlicher Österreicher für unterschiedliche Bereiche wie Wohnen, Hobbys oder Kleidung ausgibt. So merken sie zunächst nicht, dass sich ein unüblicher Gast in ihre Reihen mischt: Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hört sich mit ihnen an, wie im "Financial Life Park" (FLiP) der Erste Bank Finanzwissen spielerisch vermittelt wird.
Polaschek hat dabei ein besonderes Interesse: In den kürzlich vorgestellten neuen Lehrplänen liegt ein besonderer Fokus auf Finanzbildung. Dass das nötig ist, weiß der Minister aus erster Hand. Seine eigenen Söhne seien fest davon überzeugt gewesen, dass man sein Vermögen am besten nur in Kryptowährungen anlegt, erzählt er beim Gang durch das Museum für Kinder und Jugendliche. Krypto-Assets spielen auch im FLiP eine große Rolle. Viele Kinder und Jugendliche würden sich hier zum ersten Mal mit finanziellem Risiko auseinandersetzen, erzählt FLiP-Direktor Philip List.
Der Wert des Kinderzimmers
Bledion (14) wusste, dass heute der Minister mitkommt und hat sich eigens einen Anzug angezogen. Auch sonst fühlt er sich von der Schule eigentlich ganz gut auf den Museumsbesuch vorbereitet: "Wir haben viel schon gewusst" – aber im FLiP trotzdem viel dazugelernt: Gleich im zweiten Raum müssen die Schülerinnen und Schüler schätzen, wie viel seines Einkommens ein durchschnittlicher Österreicher für verschiedene Bereiche ausgibt. "Beim Wohnen lagen wir am weitesten daneben", sagt Bledion später. Die Kosten eigener vier Wände wurden von den Jugendlichen deutlich unterschätzt.
"Jetzt wisst ihr, wie wertvoll euer Kinderzimmer ist", sagt Erste-Bank-Vorstandsvorsitzende Gerda Holzinger-Burgstaller, die den Minister durch die Ausstellung begleitet. Neben ihr strampelt sich ein Junge auf einem Standrad ab. Er muss Fragen vorlesen, seine Kollegen suchen auf einem Tablett die richtige Antwort. Liegen sie falsch, wird es für den Radfahrer schwerer. "Wie im echten Leben führen falsche Entscheidungen zu einem härteren Weg", sagt FLiP-Direktor List.
Auch Minister Polaschek ist im Anzug gekommen und hilft lieber bei der Antwortsuche, anstatt in die Pedale zu treten. Der Junge auf dem Rad braucht den Rat des Ministers nicht: "Womit zahlt man in den USA?", fragt er, hörbar angestrengt. Da seine Radfahrt durch falsche Antworten bereits sichtlich erschwert wurde, antwortet er sicherheitshalber gleich selbst: "Dollar!"
Flexible Lehre
"Wir merken, dass Kinder und Jugendliche gerade in der Finanz- und Wirtschaftsbildung wenig Wissen haben. Das brauchen sie aber, um ein selbstbestimmtes, gutes Leben zu führen", sagt der Minister nach der Führung. Die Schule muss aus seiner Sicht verstärkt Werkzeuge zur Verfügung stellen, um mit dem raschen gesellschaftlichen und technologischen Wandel umgehen zu können.
Dass die neuen Lehrpläne daher flexibler sein sollen und verstärkt auf Kompetenzen abzielen und öfter angepasst werden sollen, ist für ihn auch eine Sache der Chancengerechtigkeit: "Wenn wir das Gefühl haben, wir müssen Medienkompetenz oder Demokratiebildung näherbringen, können wir nicht wieder zehn Jahre warten, bis wir einen neuen Lehrplan haben."
"Da ist man als Lehrer auch verpflichtet, sich schlau zu machen", sagt Aron Marton, der mit seiner Klasse das FLiP besucht. Externe Angebote seien eine große Hilfe, gerade komplexe Themen greifbar zu machen: "Am Ende des Tages geht es darum, was man den Kindern vermittelt und wie lebensnah sie das anwenden können."
Im FLiP habe man seit 2016 etwa viel Energie darauf verwenden müssen, Negativzinsen zu erklären, sagt Erste-Bank-Vorstandschefin Holzinger-Burgstaller. Das habe sich im letzten Jahr rapide verändert. Die Frage der Teuerung stehe wieder im Fokus. Sie ist froh, dass Finanzbildung nun auch in den Schulen seinen Platz findet – und die Inhalte künftig öfter überarbeitet werden: "Ich glaube, es ist extrem wichtig, dass es ein gutes Fundament gibt. Und darüber hinaus gibt es tagesaktuell Themen, wo sich Inhalte sehr dynamisch anpassen und ändern müssen – hier im Flip und im Schulunterricht."
Maximilian Miller