Bisher gibt es nicht einmal ein gemeinsames Foto. Obwohl die türkis-grüne Regierung in ihr viertes Jahr startet, gibt es kein aktuelles Gruppenbild. Die jüngsten Neuzugänge - Landwirtschaftsminister Totschnig, Staatssekretärin Kraus-Winkler, Staatssekretär Tursky und Gesundheitsminister Rauch - sind auf keinem vollständigen Familienfoto verewigt. Ein Zustand, der sich jedenfalls auf der heute startenden, zweitägigen Klausur in Mauerbach ändern soll. Zumindest dieser Plan wird heute aber nicht umgesetzt: Johannes Rauch fehlt krankheitsbedingt.
Die restliche Regierungsmannschaft marschierte am Dienstag zu Mittag in Mauerbach fast geschlossen auf. Geschlossenheit zu signalisieren, ist am Dienstag die wichtigste Botschaft der Regierung. Nach Corona, Krieg, Teuerung und politischen Skandalen, die Regierungsumbildungen zur Folge hatten, will die Koalition endlich aus dem Reagieren ins Regieren kommen. "Stärker aus der Krise" lautet das Motto, das letzte Drittel der Legislaturperiode abarbeiten das Ziel.
Einen Neustart können beide Parteien brauchen: In den Umfragen haben ÖVP und Grüne schon seit zwei Jahren keine Mehrheit mehr. Zuletzt gab nicht einmal mehr ein Drittel an, Türkis oder Grün wählen zu wollen.
Die Klausur in Mauerbach soll nun einen Aufschwung bringen. Konkrete Projekte sollen die Handlungsfähigkeit unter der Beweis stellen - über etliche Details wird heute unter Ausschluss der Öffentlichkeit noch verhandelt. "Noch ist nicht alles fix und fertig", sagte Vizekanzler Kogler unmittelbar vor dem Klausurstart.
Am Dienstagnachmittag geben Experten ihre Einschätzung zu den drängenden Themen Energie-Sicherheit und Inflation. Chef der österreichischen Energieunternehmen, Michael Strugl. Er bewarb vor Beginn der Klausur einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energie zur Stromversorgung. In Sachen Gas betonte er die Notwendigkeit, sich schon jetzt auf die nächste Wintersaison vorzubereiten, indem man sich genug Lieferanten und Leitungen sichere und mit koordinierten Beschaffungen verhindere, dass die Preise wieder durch die Decke gehen.
Langfristige Themen anschneiden will der Präsident des Fiskalrats Christoph Badelt. Dabei ist seiner Ansicht nach auch das Problem der Inflation nicht aus dem Auge zu verlieren. Hier müsse man zielgerichtet vorgehen und nicht mehr mit der Gießkanne. Zudem bräuchte es eine verstärkte Mindestsicherung. Weiters braucht es für ihn einen Pfad zur Haushaltssanierung sowie Maßnahmen gegen den Arbeitskräfte-Mangel, wozu Badelt etwa den Ausbau der Kinderbetreuung zählt.
Erneuerbare Energien und reaktivierte Pensionisten
Vor Klausurbeginn pochte Bundeskanzler Nehammer auf eine Beschleunigung der Verfahren für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Erwartet wird, dass die seit längerem in der Warteschleife hängende Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfungen beschlossen wird.
Auf der anderen Seite macht die ÖVP Druck, längeres Arbeiten zu erleichtern. Die Industriellenvereinigung will Überstunden attraktiver machen, der ÖVP-Seniorenbund fordert das Ende der Pensionsversicherungsbeiträge für alle, die im Regelpensionsalter weiterarbeiten. Das Arbeitsministerium unter Martin Kocher (ÖVP) sieht "sehr hohes Potenzial" – etwa bei der Suche nach Facharbeitskräften. Sein grünes Gegenüber Sozialminister Johannes Rauch sorgt sich aber, dass Betriebe ältere und dank der angestrebten Sonderregelung billigere Arbeitskräfte anderen vorziehen könnten. Eine Einigung erscheint dennoch möglich. "Es gibt Gespräche", heißt es aus Regierungskreisen.
Strache-Freispruch macht Druck für Korruptionsgesetze
Noch optimistischer gehen Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in die Klausur: Die beiden Juristinnen verhandeln nahezu alle Rechtsthemen – und beißen sich aneinander regelmäßig die Zähne aus. Beim Verbot des Mandatskaufs dürften sie nach Mauerbach aber eine Einigung präsentieren können. Einen ganz aktuellen Anlass dafür gibt der Freispruch von Heinz Christian Strache in der Prikraf-Affäre. Nach aktueller Gesetzeslage ist es nicht strafbar, einem Nationalratsabgeordneten Geld zu geben, in der Hoffnung, dass er später Minister wird und sich für einen einsetzt, begründete die Richterin den Freispruch.
Welche Einigungen tatsächlich zustande kommen, wird morgen Mittag präsentiert. Bis dahin, betonen Kanzler und Vizekanzler, müsse noch verhandelt und gearbeitet werden. Wenn Gesundheitsminister Rauch bis dahin wieder genesen ist, klappts auch mit dem Gruppenfoto.