Während die USA aufgrund interner Zwistigkeiten der Republikaner damit ringen, einen Vorsitzenden für das Repräsentantenhaus zu finden, sitzt Wolfgang Sobotka als österreichischer Nationalratspräsident fest im Amt. Das hat freilich nichts damit zu tun, dass Sobotka völlig unstrittig wäre – im Gegenteil, ist er nicht -, sondern mehr damit, dass die Geschäftsordnung hierzulande es wesentlich einfacher macht, erstens Nationalratspräsident zu werden und zweitens es auch zu bleiben.
Während in den USA eine absolute Mehrheit – also mehr als die Hälfte der Stimmen – notwendig ist, um "Speaker" zu werden, reicht nach § 87 der Geschäftsordnung des Nationalrates nämlich bereits eine einfache ("unbedingte") Mehrheit für die Wahl in das formal zweithöchste Amt der Republik nach dem Bundespräsidenten. Sprich: Wenn jede Partei nur für "ihren" Kandidaten stimmen würde, hätte automatisch die stärkste Fraktion – derzeit die ÖVP mit 71 von 183 Sitzen – das Amt, auch ohne Koalition.
Eine einfache Mehrheit reicht
Praktisch hat sich der parlamentarische Usus unter den Parteien durchgesetzt, dass die stärkste Partei den Nationalratspräsidenten, die zweit- und drittstärkste Partei den Zweiten bzw. Dritten Präsidenten stellen – derzeit sind das konsequenterweise Doris Bures, SPÖ, und Norbert Hofer, FPÖ. (Aufgrund dieser Praxis hat Sobotka bei seiner Wahl 2019 auch weit mehr Stimmen bekommen als Türkis und Grün gemeinsam haben – er ist mit 143 von 163 Stimmen gewählt worden.)
Anders als in den USA würde also auch interner Dissens in der Mehrheitspartei in Österreich nicht das Parlament ausbremsen: Es gewinnt einfach jener Kandidat mit den meisten Stimmen – hält über mehrere Wahlgänge Stimmengleichheit an, wird das Amt schließlich verlost, das ist aber noch nie vorgekommen.
Wer gewählt ist, kann nicht mehr abgewählt werden
Gemeinsam mit den USA (wo das einer der Streitpunkte innerhalb der republikanischen Fraktion ist) hat Österreich aber, dass ein einmal gewählter Präsident nicht mehr abgewählt werden kann – was in den vergangenen Monaten zu Diskussionen geführt hat, weil Sobotka ja von der WKStA als Beschuldigter geführt wird.
Der entsprechende Passus der Geschäftsordnung könnte aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden, was schon daran scheitern würde, dass Sobotkas ÖVP mehr als ein Drittel der Stimmen hält.
Georg Renner