In der Coronapandemie wurde die Wissenschaftsfeindlichkeit mancher Österreicherinnen und Österreicher auf einmal spürbar. Hassnachrichten und Todesdrohungen gegen Medizinerinnen, Virologen und Co. standen für diese mitunter an der Tagesordnung. Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) wollte herausfinden, woher die Wissenschaftsskepsis in Österreich kommt – und wie man ihr künftig entgegenwirken kann.
Das Institut für Höhere Studien (IHS) führt daher seit September eine Ursachenstudie zur Wissenschafts- und Demokratieskepsis in Österreich durch. Dafür wurden bisherige Befragungen aus Eurobarometer, Austrian Corona Panel Project (ACPP), Citizen‘ Attitudes Under Covid-19 Pandemic (CAUCP), sowie Wellcome Global Monitor (WGM) herangezogen. Nun wurden erste, vorläufige Ergebnisse präsentiert.
Niedriges Interesse, hohes Vertrauen
Demnach ist vor allem das Interesse an Wissenschaft in Österreich im europäischen Vergleich niedrig. Dies ist allerdings nicht mit Skepsis oder gar Ablehnung gleichzusetzen, im Gegenteil: Der Wissenschaft schlägt in Österreich deutlich mehr Vertrauen entgegen, als anderen Bereichen und Institutionen. Vor allem aber ist das Vertrauen in die Wissenschaft in den letzten Jahren gleich geblieben. Die Coronapandemie brachte folglich keine große Veränderung. Anders sieht es bei der Zufriedenheit mit der Demokratie aus, die im Verlauf der letzten Jahre laut dem ACPP abgenommen hat.
Daneben gibt es aber "in Teilen der österreichischen Bevölkerung auch kritische Einstellungen zur Wissenschaft", erklärte Studienleiter Johannes Starkbaum am Dienstag. Fast ein Drittel der befragten Österreicherinnen und Österreicher stimmte beim Eurobarometer 2021 etwa wissenschaftsskeptischen und/oder verschwörungstheoretischen Aussagen zum Thema Klimawandel zu, beim Ursprung von Viren fast ein Viertel und zur Krebsforschung mehr als ein Fünftel. Aber nur sechs Prozent der Befragten waren bei allen drei Feldern skeptisch.
Abneigung durch Abstand
Große Unterschiede zwischen sozioökonomischen Gruppen gibt es dabei laut IHS nicht, Menschen mit niedriger Bildung, in ökonomisch schwierigen Situationen und Unzufriedene neigen aber eher dazu, Wissenschaft zu misstrauen und mit der Demokratie unzufrieden zu sein. Die Wissenschaftsskepsis könne aber auch "Kritik an den Verbindungen von Wissenschaft mit anderen Gesellschaftsbereichen, wie Politik oder Wirtschaft, sein", so Studienautor Starkbaum.
Dies zeigte bereits vor Weihnachten eine Studie im Auftrag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW): Demnach glaubten 34 Prozent der Befragten, dass Wissenschaftler, Politik und Wirtschaft unter einer Decke stecken. In derselben Studie zeigte sich, dass jeder und jede achte wenig bis gar kein Interesse an Wissenschaft hat – ziemlich genau der Anteil der Bevölkerung, der sich gar nicht von der Coronaimpfung überzeugen lässt.
Mehr Wissenschaftler in der Schule
Außerdem würden sich laut dem Wissenschaftsbarometer der ÖAW 37 Prozent der Menschen in Österreich lieber auf ihren "gesunden Hausverstand" verlassen als auf Wissenschaft und Forschung. Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, forderte ÖAW-Präsident und Ex-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann unter anderem, die Verbindung zwischen der Wissenschaft und ihren Erfolgen auch in der Pflichtschule klarer zu kommunizieren.
Auch Bildungsminister Polaschek befand auf Basis der vorläufigen Ergebnisse der IHS-Studie, dass das Interesse an Wissenschaft früh in der Schule gefördert werden müsse: "Daher werden wir Wissenschaftsbotschafterinnen und –botschafter an die Schulen bringen, die den Schülerinnen und Schülern ihre wissenschaftliche Arbeit näherbringen, für Wissenschaft begeistern und zu wissenschaftlicher Neugier motivieren sollen." Eine Präsentation dieser Personen soll zu Beginn des Sommersemesters stattfinden.
Der österreichische Physiker Florian Aigner befand im Ö-1-Mittagsjournal, es sei wichtig zu erklären, "was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert". Es reiche dabei nicht, Menschen Fakten an den Kopf zu werden, "man muss den Prozess der Wissenschaft erklären. Einen Prozess, an dem viele Leute gemeinsam beteiligt sind, sich gegenseitig kontrollieren und Fehler aufzeigen". Hier nur bei jungen Menschen anzusetzen, reicht aus Aigners Sicht nicht aus, da Wissenschaftsskepsis in Österreich ein kulturelles Phänomen sei. Er fordert daher, auch im Journalismus stärker den Unterschied zwischen vorläufigen Daten – wie jenen der weiter laufenden IHS-Studie – und wissenschaftlichen Fakten herauszuarbeiten.
Maximilian Miller