Die vielen Probleme der ÖVP auf Bundesebene gingen auch an der mächtigen niederösterreichischen Landespartei nicht unbemerkt vorbei: Alle Umfragen sehen die Partei zurzeit bei der kommenden Landtagswahl am 29. Jänner deutlich unter den 49,6 Prozent (und damit 29 der 56 Mandate), die sie bei der Wahl 2018 erreichte. Die absolute Mehrheit im Landtag dürfte damit Geschichte sein, sind sich die Meinungsforscher und Politikberater Peter Hajek und Thomas Hofer einig.

Denn das gute Ergebnis 2018 sei nicht nur der Verdienst von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gewesen, sondern auch dem damaligen Höhenflug von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geschuldet gewesen. Nun liefert die Bundespolitik eher Gegenwind: Neben äußeren Faktoren wie Pandemie und Teuerung bringt die Volkspartei vom Geständnis von Thomas Schmid über die Inseraten-Affäre in Vorarlberg bis zum kritischen Prüfbericht des Rechnungshofs einiges an Gepäck in den niederösterreichischen Wahlkampf. Dazu komme die Affäre um den Landesdirektor des ORF Niederösterreich, die den Wahlkampf der Volkspartei "nicht gerade beflügelt", so Hajek.

Dabei geht es nach Tirol geht es in Niederösterreich für die ÖVP um ein zweites schwarzes Kernland. "Fällt sie unter 40 Prozent, ist Feuer am Dach - auch in der Bundespartei", analysiert daher OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Daher werde die Partei "Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um einen Wahlerfolg einzufahren. Und ein Wahlerfolg ist alles über 40 Prozent", so Hajek.

Organisation gegen Absturz

Dass der "Komplettabsturz" vermieden werden könne, sei der ÖVP aufgrund ihres hohen Organisationsgrades, des erprobten Wahlkampfteams und des jahrelangen Machtmonopols zuzutrauen. "Neben der Wiener SPÖ ist die ÖVP Niederösterreich die bestorganisierte Landespartei in Österreich", so Hofer. Das wichtigste Stichwort der Volkspartei sei daher "Mobilisierung", meint OGM-Chef Bachmayer.

Als Profiteur gilt hingegen die FPÖ: Migration und Asyl sind - auch dank der Volkspartei - wieder bestimmende Themen in der öffentlichen Debatte. Hinzu kommt Unzufriedenheit aufgrund der grassierenden Teuerung: "Wo die Menschen unzufrieden sind, profitiert meistens die FPÖ", sagte Hofer, der ihr die Chance zurechnet, das derzeit beste freiheitliche Ergebnis in Niederösterreich (16 Prozent im Jahr 1998) zu überbieten. Möglich sind laut Peter Hajek sogar über 20 Prozent, und auch Platz Zwei vor der SPÖ sei "nicht auszuschließen". Spitzenkandidat Udo Landbauer sei zwar kein klassischer "Vote-Getter", dafür stehe ihm im Gegensatz zur letzten Landtagswahl aber die "Liederbuch-Affäre" nicht mehr im Weg.

SPÖ, Grüne und Neos ohne Sprünge

Der von Franz Schnabl geführten SPÖ trauen die drei Experten hingegen keine großen Sprünge zu. "Alles unter einem Prozentpunkt Plus wäre eine Wahlschlappe, und dann würde es auch bei der SPÖ auf Bundesebene scheppern", so Bachmayr, der momentan davon ausgeht, dass die SPÖ nach der Wahl nur noch knapp vor der FPÖ liegen wird.

Den Grünen unter Helga Krismer und den NEOS mit Spitzenkandidatin Indra Collini falle es in einem Flächenbundesland wie Niederösterreich traditionell schwer, so Hofer. Beide würden auf den Wiener Speckgürtel setzen, die Grünen versuchen ihre "Delle" von 6,4 Prozent bei der letzten Wahl auszubügeln. Große Erfolge traut er aber weder grün noch pink zu.

Auch wenn es sich bei dieser Wahl laut Bachmayer um eine "Testwahl mit bundesweitem Charakter, von der man auf den gesamtösterreichischen Trend schließen kann" handelt, erwartet keiner der Experten personelle Umwälzungen. "Die Bundespartei wird sagen, das war eine Landtagswahl, die Landespartei wird sagen, das schlechte Abschneiden ist der bundespolitischen Lage und den multiplen Krisen geschuldet", so Hajek.