Als eine Art Generaldebatte über die Themen der Zeit hat sich Dienstag die "Aktuelle Stunde" des Nationalrats entpuppt. Die FPÖ hatte Asyl und Sanktionen vorgegeben und erregte sich in Person von Parteichef Herbert Kickl über "Völkerwanderung" und "Kriegstreiberei". Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) verteidigte das Schengen-Veto mit EU-Kritik. Die SPÖ wiederum sprach über soziale Ungerechtigkeit, die Grünen über ein rechtsextremes Terror-Netzwerk und die NEOS über die VP-Finanzen.

Wie meist wollte die FPÖ, wenn sie Themengeberin ist, über ein Flüchtlingsthema sprechen lassen und tat dies mit auch nicht ungewöhnlich drastischen Worten. Jemanden, der illegal ins Land gekommen sei, gleichzubehandeln wie einen Mitbürger, sei das Gleiche, wie wenn man einen Einbrecher als Familienmitglied bezeichne, tönte Kickl in Richtung des Bundeskanzlers.

Kickl: "Dumme, verantwortungslose Politik"

Während eine "Völkerwanderung" nach Österreich stattfinde, könnten sich hierzulande viele, die arbeiteten und nicht über ihre Verhältnisse lebten, das Leben nicht leisten. Schuld daran seien die Sanktionen gegen Russland, die zu einer Kostenexplosion am Energiesektor geführt hätten – "das Ergebnis einer dummen und verantwortungslosen Politik mit Schuldzuweisungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine", fand Kickl und forderte Nehammer auf, sich herauszuhalten, statt Österreich mit "Kriegstreiberei" immer tiefer in den Konflikt zu ziehen.

Der Kanzler setzte daraufhin zu einer für eine "Aktuelle Stunde" unüblich langen Rede an, in der er Kickl zu erklären versuchte, wer tatsächlich für die Krise verantwortlich sei. Gäbe es keinen Krieg, gäbe es keine Sanktionen, gäbe es keine Spekulationen im Energiebereich – und ohne den Krieg gäbe es auch kein Leid.

Mehr Zeit in Anspruch nahm dann des Regierungschefs Erklärung dafür, warum Österreich den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens verhindert hatte. Weil Österreich außergewöhnlich durch Flüchtlinge belastet sei und die Union zu wenig helfe, sei es notwendig, dass Österreich selbst initiativ werde. Hilfe finanzieller Art verlangte er für Bulgarien zum Bau eines Grenzzauns. Die Kommission sei hier "zu behäbig".

Reimon: Kickl als "Putin-Lobbyist"

Grünen-Mandatar Michel Reimon konnte wiederum nicht verstehen, warum man der FPÖ den Gefallen mache, auf jede Flüchtlingsdebatte einzusteigen: "Die feiern ein inneres Fest." Direkt an Kickl gerichtet fragte er, warum dieser nicht lieber über das jüngst aufgeflogene rechtsextreme Netzwerk spreche, das sogar einen Sturm auf den Deutschen Bundestag geplant habe. In Sachen Inflation nannte Reimon den FPÖ-Chef "Putin-Lobbyisten", womit dieser selbst zum größten Teuerungstreiber werde.

SP-Sozialsprecher Josef Muchitsch wollte selbst am liebsten über soziale Ungerechtigkeit sprechen und zählte Beispiele auf, wo hier die Regierung aus seiner Sicht versagt hat, etwa indem Besserverdienende eine höhere Pendlerpauschale erhalten als jene mit niedrigen Einkommen. Mit solchen Maßnahmen werde die Gesellschaft gespalten. In Sachen Flüchtlinge sah Muchitsch ein europäisches Versagen, an dem er der ÖVP die Mitschuld zuwies, sei diese doch seit Jahrzehnten in Regierungsverantwortung.

Letzte Tagungen im Ausweichquartier

In diese Kerbe schlug auch Nikolaus Scherak seitens der NEOS. Er pochte etwa auf schnellere Asylverfahren und erweiterte Rückführungsabkommen. Die ÖVP aber spiele lieber auf der Populismus-Klaviatur. Das Schengen-Veto verurteilte Scherak diesbezüglich. Dass Flüchtlinge in großer Zahl erst in Österreich registriert würden, sei nicht die Schuld der EU-Kommission, sondern von ÖVP-Freunden wie dem ungarischen Premier Viktor Orban. Häme in Richtung Volkspartei gab es wegen der neuesten Kritik des Rechnungshofs an einer Überschreitung der Wahlkampfkosten.

Die heutige Sitzung ist der Auftakt zur letzten Plenarwoche des Nationalrats im heurigen Jahr. Gleichzeitig sind es die letzten Tagungen im Ausweichquartier in der Hofburg. Ab Jänner finden die Sitzungen wieder im – nun generalsanierten – Stammhaus am Ring statt.

Keine Neuwahlen

Der Opposition ist ein vorweihnachtliches Geschenk in Form vorgezogener Neuwahlen verwehrt geblieben. Zwei entsprechende Anträge von SPÖ bzw. FPÖ fanden Dienstagnachmittag im Nationalrat zwar Zustimmung der Neos, nicht aber der Koalitionsparteien. SP-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner hatte gefordert: "Machen sie dem Leiden ein Ende." FP-Mandatar Christian Hafenecker sprach von der "schlechtesten Bundesregierung aller Zeiten".