Schon im Vorjahr erreichte das Vertrauen in die Demokratie in Österreich einen Tiefpunkt. Doch die Zufriedenheit mit dem politischen System ist weiter im Sinkflug. Das zeigt der neue Demokratiemonitor des Meinungsforschungsinstituts Sora, der am Montag präsentiert wurde. Und der zeigt ein düsteres Bild: Die Zufriedenheit der Österreicherinnen und Österreicher mit dem politischen System ist weiter gesunken.
Derzeit denken nur mehr 34 Prozent der Menschen, dass dieses gut funktioniert. Das ist der tiefste Wert seit Erhebungsbeginn im Jahr 2018 – vor fünf Jahren waren noch zwei Drittel aller Menschen zufrieden. Mehr Menschen denn je wünschen sich auch einen "starken Führer".
Auch mit dem Institutionenvertrauen ging es im Jahresvergleich weiter bergab: Der Bundesregierung vertrauen derzeit nur 33 Prozent – gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von neun Prozentpunkten. Auch dem Parlament vertrauen nur 38 Prozent (minus acht Prozentpunkte). Dem Bundespräsidenten vertrauen 53 Prozent, aber auch er muss gegenüber dem Vorjahr sechs Prozentpunkte einbüßen. 38 Prozent der Befragten finden außerdem derzeit keine politische Partei, die ihr Anliegen vertritt. Vor fünf Jahren waren das nur 13 Prozent.
"Die Regierung hat einen schlechten Ruf, die Menschen fühlen sich führungslos", sagt Sora-Leiter Günther Ogris, "weil auf ihre wichtigsten Anliegen nicht reagiert wird."
"Als Menschen zweiter Klasse behandelt"
Gerade bei besonders wichtigen Themen gelingt es den politischen Akteuren nicht, sie in einer Art und Weise aufzugreifen, die zuversichtlich stimmt. Als ihr derzeit dringendstes politisches Anliegen nennen die meisten Menschen die Teuerung (42 Prozent), gefolgt von ökonomischer Ungleichheit (20 Prozent), dem Klimawandel (15 Prozent), dem Krieg in der Ukraine (14 Prozent) sowie Zuwanderung und Integration (13 Prozent).
Die Sorgen treffen aber nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich. Für das untere Einkommensdrittel hält die Demokratie ihre zentralen Versprechen von Gleichheit und Mitbestimmung derzeit nicht ein. 73 Prozent dieser Gruppe fühlen sich von der Politik als "Menschen zweiter Klasse behandelt." Ein erheblicher Teil hat den Eindruck, im Parlament nicht vertreten zu sein (68 Prozent) oder keinen Unterschied machen zu können (60 Prozent). "Auch von den Medien fühlt sich das unterste Drittel nicht repräsentiert", sagt Ogris.
In der Mitte der Gesellschaft verfestigt sich der Eindruck, dass eine privilegierte Gruppe das politische System für ihre Eigeninteressen nutzt. 70 Prozent der Menschen dieser Einkommensgruppe meinen, dass "gut Situierte sich untereinander ausmachen, was im Land passieren soll".
Das obere Dritte hadert hingegen stärker als die anderen mit dem Staat und der Freiheit. Fast die Hälfte von ihnen fühlt sich vom Staat bevormundet.
"Politik und Medien stecken unter einer Decke"
Zwar wurde die Erhebung kurz nach Bekanntwerden des Antrags auf Kronzeugenstatus von Thomas Schmid abgeschlossen, weswegen Auswirkungen der jüngsten Debatten um die Chat-Protokolle nicht im Demokratiemonitor abgebildet sind. Jedoch stimmte bereits zum Zeitpunkt der Befragung eine Mehrheit von 59 Prozent der Aussage zu, dass "Politik und Medien unter einer Decke stecken".
Was bedenklich stimmt: Die klassische Frage nach dem "starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss" wird erstmals seit Erhebungsbeginn nicht mehr mehrheitlich abgelehnt – derzeit stimmen 46 Prozent gar nicht zu, vor einem Jahr waren es noch 56 Prozent. Gleichzeitig hat die Demokratie aber nicht an Zustimmung verloren: Über die fünf Erhebungsjahre hinweg denken jeweils knapp neun von zehn Menschen, dass sie – trotz mancher Probleme – die beste Staatsform ist.
Günther Ogris sieht auch den Politikstil von Sebastian Kurz als Ursache dafür: "Erlösungshoffnungen zu wecken und dann nicht halten zu können, hat die Vertrauenskrise verstärkt". Auch Korruptionsvorwürfe wirken erschütternd: "Korruption verletzt den Gleichheitsgrundsatz", so Ogris.
Die diesjährige repräsentative Befragung von 2164 Menschen fand zwischen dem 7. September und dem 21. Oktober mittels Telefon- und Online-Interviews statt.
Veronika Dolna