Nach einem Treffen mit ihrer deutschen Kollegin Christine Lambrecht beim EU-Rat am Dienstag in Brüssel sagte Tanner, Österreich wolle dies im Rahmen der EU, nicht der NATO, diskutieren. Zuvor hatte Lambrecht erklärt: "Österreich ist herzlich willkommen, sich daran zu beteiligen."
Diese Frage müsse man sich aufgrund der geopolitischen Lage Österreichs stellen, sie sei auch nicht nur eine Frage der budgetären Mittel, sondern gehe darüber hinaus, sagte Tanner nach Abschluss des Treffens gegenüber der APA. Nach Angaben von Tanner soll nunmehr ein Austausch auf technischer Ebene stattfinden. Dann könne man sehen, welche Fähigkeiten man allenfalls einbringen könne, auch eine verfassungsrechtliche Prüfung sei noch notwendig.
Schlussfolgerungen seien in absehbarer Zukunft zu erwarten. "Die Basis dessen werden wir relativ rasch haben", so Tanner. Noch vor Weihnachten werde es ein Treffen von Deutschland, Österreich und der Schweiz zu dieser Thematik geben.
Für eine Beteiligung an Sky Shield wären allerdings zusätzliche Budgetmittel notwendig, "so weit sind wir noch nicht", sagte Tanner. Durch das Landesverteidigungsfinanzierungsgesetz habe Österreich eine Planbarkeit über zehn Jahre. Das Gesetz beinhalte auch die Möglichkeit, zusätzliche Budgetmittel zu lukrieren für europäische Initiativen dieser Art.
Sky Shield soll nach bisherigem Stand für die europäischen NATO-Staaten eine Abwehr von ballistischen Raketen und Drohnen garantieren. Neben Deutschland sind Großbritannien, die Slowakei, Norwegen, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien, Slowenien und Estland dabei.
Hauptthema der Sitzung der EU-Verteidigungsminister war die Vorbereitung auf die geplante schnelle EU-Eingreiftruppe (EU RDC/ Rapid Deployment Capacity), die 2025 einsatzbereit sein soll. Österreich wolle sich mit seinen Fähigkeiten in den Bereichen Logistik und ABC-Abwehr beteiligen, aufbauend auf den bestehenden EU-Battlegroups, kündigte Tanner an.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte die EU-Verteidigungsminister vor Lücken, die es nicht zuletzt durch die militärische Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg gibt. Europaweit fehlten Kapazitäten für die geschützte Mobilität, daher gebe es nun einen Fokus auf die gemeinsame Beschaffung, sagte Tanner.
Die Verteidigungsministerin rechnet damit, dass die EU-Eingreiftruppe im Gegensatz zu den bisherigen EU-Battlegroups auch eingesetzt wird. "Das denke ich doch, weil ich schon glaube, dass man die Lehren gezogen hat aus der Vergangenheit", meinte Tanner. Wenn der Ukraine-Krieg einmal vorbei sein wird, seien die Europäer ähnlich wie am Westbalkan in jedem Bereich des Wiederaufbaus gefordert, glaubte Tanner.
Den Rückzug der russischen Armee aus der umkämpften ukrainischen Stadt Cherson will Tanner nicht überbewerten. Als Wendepunkt im Krieg würde sie den Rückzug nicht sehen, sagte sie. "Es ist eine Vorbereitung darauf, was kommt: der Winter. Von beiden Seiten her. Dass militärische Erfolge erzielt worden sind, steht außer Frage. Wie nachhaltig die sind - diese Einschätzung ist tatsächlich schwierig."