Nachdem sich gestern bereits der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) in der Debatte um die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in der Kleinen Zeitung hinter den türkisen Klubobmann August Wöginger gestellt hatte, folgen am Dienstag auch die ÖVP-Chefs aus Salzburg und dem Burgenland, Wilfried Haslauer und Christian Sagartz. Zuvor hatte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Diskussion um eine Überarbeitung der EMRK eigentlich für beendet erklärt.
"Menschenrechtsmaterien sind besonders sensibel, wir müssen behutsam mit ihnen umgehen", betonte ein Sprecher von Salzburgs Landeshauptmann Haslauer zur APA. "Asylgrundsätze sind eindeutig und für jene da, die Asyl brauchen. Wir benötigen aber eine Lösung für Wirtschaftsflüchtlinge, die sich auf Asylgrundsätze berufen – ohne aber, dass sie überhaupt Aussicht auf Asyl haben."
Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner meldete sich zu Wort. "Gerade Niederösterreich kommt seit Jahrzehnten im besonderen Maß seiner Verantwortung bei der Versorgung von Flüchtlingen nach. Die
Europäische Menschenrechtskonvention war dabei eine humanitäre Errungenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg", hob Mikl-Leitner hervor. Die Auslegung der EMRK "durch manche Gerichte" habe "mit dem
Grundgedanken nur mehr wenig" zu tun. "Es ist nicht nachvollziehbar, wenn zum Beispiel Rückschiebungen in andere sichere Länder der Europäischen Union nicht möglich sind. Das versteht kein Mensch. Damit werden die eigenen hohen Standards zum Hemmschuh für ein glaubwürdiges Asylsystem."
ÖVP-Burgenland ortet "übermäßigen Zuzug"
Sagartz, der auch stellvertretender Vorsitzender im Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments ist, erklärte gegenüber der APA: "Niemand möchte die Menschenrechte willkürlich ändern. Aber für mich ist ganz klar – die über 70 Jahre alte Menschenrechtskonvention benötigt ein Update beim Thema Migration und diese Diskussion sollten wir so schnell als möglich starten."
Ähnlich wie in anderen Rechtsbereichen müsse man die Menschenrechtskonvention ins neue Jahrtausend holen, da es seit 1984 keine wesentlichen Anpassungen mehr gegeben habe. "Noch dazu wurden die alten Passagen sehr freizügig ausgelegt, was zu langen Abschiebeprozessen und zu übermäßigen Zuzug geführt hat", meinte Sagartz.
Der Landesparteiobmann fordert darüber hinaus auch eine Überarbeitung der Genfer Flüchtlingskonvention: "Der ursprüngliche Text der Genfer Flüchtlingskonvention war ausgelegt, unseren unmittelbaren Nachbarn in Not zu helfen. Doch jetzt kommen Menschen von überall nach Europa und wollen Zugang zu unserem hart erarbeiteten Sozialsystem. Das konnte damals niemand vorhersehen."
Außensicht
Drexler: "Pervertierung des Asylgedankens"
Ähnlich hatte sich Drexler gegenüber der Kleinen Zeitung geäußert. "Ja, er hat recht. Wenn es darum geht, auch die Europäische Menschenrechtskonvention diskutieren zu dürfen", sagte er zu Wögingers Vorstoß und weiter: "Mir geht es weniger um den Text der EMRK aus dem Jahr 1950. Aber die fortlaufende Weiterinterpretation durch den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann man als ein sich verselbstständigendes Richterrecht sehen. Da stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation."
Man solle "einmal abklopfen, was in einer zeitgemäßen Textfassung eine Deckung finden würde", so Drexler. "Möglicherweise braucht es eine Neukodifizierung, um das, was sich auf dem Interpretationsweg ergeben hat, zu bewerten, allenfalls in den Text aufzunehmen oder zu verwerfen. Darüber eine Diskussion zu führen, ist legitim." Die heutige Asylpraxis sei "eine wirkliche Pervertierung des ursprünglichen Asylgedankens".
Van der Bellen: EMRK als "Grundfeste" der Demokratie
"Fassungslos" über seine eigene Partei zeigte sich hingegen der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas: Die EMRK sei "eine humanistische Errungenschaft", wer sie in Frage stelle säge "an einem Grundpfeiler unserer Demokratie". Der Vorschlag, sie aufzuschnüren bedürfe "einer klaren Zurückweisung", richtete der Vizepräsident des Europäischen Parlaments seinen türkisen Parteikollegen auf Twitter aus.
Zuvor hatten Verfassungsministerin Edtstadler und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) die Europäische Menschenrechtskonvention als "nicht verhandelbar" bezeichnet. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen begab sich am Montag in diese Debatte: Die EMRK sei eine große Errungenschaft der Menschlichkeit, ein Kompass der Humanität und gehöre zum Grundkonsens der Republik, schrieb er auf Twitter. Diese infrage zu stellen, löse keine Probleme, sondern rüttle an den Grundfesten, auf denen unsere Demokratie ruhe.
Auch die Katholische Aktion Österreich forderte in einer Aussendung am Dienstag alle politisch Verantwortlichen auf, sich gegen ein "Herumhämmern am Fundament der Europäischen Menschenrechtskonvention" zu engagieren.