Um Auslandschinesen auszuspionieren, Dissidenten aufzuspüren, vor allem aber, um Kriminelle, die sich ins Ausland abgesetzt haben, zu nötigen, in die Heimat zurückzukehren, unterhält China in Dutzenden Ländern informelle Polizeistationen. Wie Peter Dahlin, Chef der NGO "Safeguard Defenders", die die Praktiken dieser Tage aufgedeckt hat, auf Nachfrage der Kleinen Zeitung erklärt, befinde sich eine Station in Wien, die genaue Örtlichkeit sei ihm – bisher – noch nicht bekannt. Die Station werde von Vertretern der Sicherheitsbehörden der südchinesischen Provinz Qingtian gemanagt.
Bereits um 1930 wanderten aus dieser ärmlichen Region Chinesen in großer Zahl nach Österreich aus, die Qingtian-Community ist hierzulande besonders stark. Die informellen Polizeistationen wurden, so ein Safeguard-Bericht, ursprünglich im Zuge der von KP-Chef Xi Jinping forcierten Antikorruptionskampagnen weltweit aus der Taufe gehoben. Sie erfüllen auch konsularische Aufgaben (Verlängerung von Führerscheinen), operieren gar nicht verdeckt und sind bisweilen in Geschäftsräumen, Restaurants, Wohnungen untergebracht. Zwischen April 2021 und Juli 2022 sei es China gelungen, weltweit 230.000 Auslandschinesen zur Heimreise zu nötigen, um sich im Mutterland vor Gericht – in den meisten Fällen wegen Betrugs – zu verantworten. Zunehmend geraten auch Regimegegner, die sich ins Ausland abgesetzt haben, in die Fänge. Wer nicht kooperiert, muss damit rechnen, dass die in China zurückgebliebene Verwandtschaft heftigen Repressalien ausgesetzt wird.
Geheimdienstexperte Thomas Riegler zeigt sich im Gespräch mit der Kleinen Zeitung nicht überrascht über die Enthüllungen: "Wir sehen generell, dass autokratische Regime Oppositionelle auch im Ausland mit großer Härte verfolgen." In Österreich sei etwa der türkische Geheimdienst besonders aktiv. Zu den chinesischen Aktivitäten wisse man wenig. "Über Geheimdienstaktivitäten in Österreich wird wenig bekannt", so Riegler, dessen Buch "Österreichs geheime Dienste" dieser Tage erschienen ist. Österreichs Spionageabwehr sei traditionell schwach entwickelt gewesen, nun sei sie im Aufbau begriffen. In Österreich werden Spione oft durch einen Tipp von Partnerdiensten enttarnt.
Während der russische Geheimdienst in Wien einen der weltweit größten Außenposten unterhält, operieren die Chinesen von Budapest aus. Riegler lenkt die Aufmerksamkeit auf die mitunter dubiosen Aktivitäten der Konfuzius-Institute, die oft an Unis angedockt sind und an sich der Vermittlung von Sprache und Kultur dienen. In Belgien, Holland, der Schweiz, Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland mussten die Konfuzius-Institute schließen.
In Österreich blühen und gedeihen sie – in Wien oder an der Grazer Uni. Uni-Rektor Peter Riedler warnt vor überzogenen Schritten: "Wir sind nicht naiv. Wir wollen auch nicht leichtfertig Beziehungen auf universitärer Ebene infrage stellen." Riedler versichert, dass die Agenda nicht von Peking diktiert wird. "Die Arbeit läuft auf Basis eines Kooperationsvertrags."