Das Bundesheer will in den kommenden zehn Jahren rund 16,6 Milliarden Euro investieren, um seine Fähigkeitslücken aufzuholen. Doch wie ist das heimische Militär bisher mit seinen Beschaffungsplänen umgegangen? Das hat sich der Rechnungshof (RH) für die Jahre 2013 bis 2020 genau angeschaut und ist auf etliche Kritikpunkte gestoßen. Vor allem fehlt es über eine Kontrolle darüber, ob mit den eingesetzten Mitteln die Einsatzbereitschaft tatsächlich erhöht wurde.
Aufgrund der vorliegenden Bedarfsprogramme mit einem Planungshorizont von zehn Jahren "war kein aktueller und vollständiger Überblick über den notwendigen Investitionsbedarf gegeben", moniert der RH in seinem am Freitag veröffentlichten Bericht. Zudem merkt der RH an, dass kein Monitoring und keine systematische Überprüfung geplanter Beschaffungen vorgesehen sei.
Konkrete Zahlen fehlen
Das Bedarfsprogramm sollte eine Zusammenschau über zukünftig erwartete Aufwendungen zur Änderung bestehender oder zur Erlangung neuer militärischer Fähigkeiten und Vorhaben bieten. Aufgrund der bisher vorliegenden Bedarfsprogramme mit einem Planungshorizont von zehn Jahren "war kein aktueller und vollständiger Überblick über den zum Fähigkeitenerhalt und zur Fähigkeitenentwicklung notwendigen Investitionsbedarf gegeben", schreibt der RH. Aus Sicht des Rechnungshofes könne aber nur ein mit konkreten Zahlen unterlegtes Bedarfsprogramm die Grundlage für eine Investitionsplanung und die Sicherstellung langfristiger Finanzierungen sein. Man empfehle deshalb dem Verteidigungsministerium eine Bedarfsprogrammbearbeitung mit konkreten Berechnungen.
Zudem wäre ein Monitoringprozess beim Realisierungsprogramm einzurichten, meint der RH. Denn das Verteidigungsministerium habe kein Monitoring und keine systematische Überprüfung geplanter Beschaffungen vorgesehen. Mit dem angewandten Controlling konnte laut RH zwar die Budgeteinhaltung überwacht werden, allerdings habe es keine Rückschlüsse zugelassen, welche geplanten Investitionen in der Vergangenheit tatsächlich umgesetzt wurden. "Eine Steuerung dahingehend, in welchen Bereichen besonderer Handlungsbedarf bestand, war daher nicht möglich", hielten die Prüfer kritisch fest.
3,6 Milliarden Euro Sonderpakete
Weil die gewünschte deutliche Aufstockung des Regelbudgets nicht möglich war, vereinbarten Verteidigungs- und Finanzministerium ab 2016 Sonderpakete für Personal, Betrieb und Investitionen ins Bundesheer. Diese machten bis 2021 in Summe 3,6 Milliarden Euro aus. Welche Beschaffungen damit gemacht wurden, konnte das Ministerium nicht nachvollziehbar darstellen. Außerdem verfielen dem Verteidigungsministerium 2016 und 2017 aus diesen Sonderpaketen 110 Millionen Euro wieder, weil entweder Leistungen des Ministeriums unterblieben oder die Mittel nicht ausgeschöpft wurden.
Aufgrund langjähriger Unterdotierung des Budgets konnte der aus Sicht des Ministeriums bestehende Investitionsrückstau nur punktuell abgebaut werden, so der RH. Steigende, statt fallende Personalkosten verkleinerten den Spielraum für Investitionen. Nicht einmal die als "zwingend notwendig" eingestuften Beschaffungen waren möglich, zeigt der RH in Beispielen auf. Die Bergepanzer waren schon 2013 am Ende ihrer Lebenszeit angelangt, wurden aber nicht nachbeschafft. Vom schweren Scharfschützengewehr langten zwar 116 im Jahr 2018 ein, 99 der Gewehre lagen aber im Heereslogistikzentrum Wien auf Lager, anstatt an die Truppe ausgeliefert zu werden. Und Kasernen, bei denen wegen Baufälligkeit "Gefahr im Verzug" bestand, wurden erst mit Jahren Verzögerung saniert.
Sicherheitsstrategie aus 2013
Generell sieht der RH Evaluierungsbedarf bei der Österreichischen Sicherheitsstrategie, die noch aus dem Jahr 2013 stammt. Konkret geht es um jene Teile, die die militärische Landesverteidigung betreffen. Angesichts "der aktuellen sicherheitspolitischen Lage" sollten mit dem Bundeskanzleramt notwendige Anpassungen auf gesamtstaatlicher Ebene thematisiert werden, empfiehlt der Rechnungshof.
Großübung "Schutzschild 2024"
Das Verteidigungsministerium reagiert ungewöhnlich konsequent auf die RH-Kritik. Statt sie pauschal zurückzuweisen, baut Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) die Zentralstelle erneut um. Die Direktionen "Rüstung" und "Planung" werden in einer eigenen Organisationseinheit zusammengefasst und einem neuen stellvertretenden Generalstabschef direkt unterstellt. Das im Ministerium angesiedelte "Strategische Projektmanagement" soll zudem zu einem "Beschaffungs- und Aufbauplan-Controlling" weiterentwickelt werden.
Außerdem teilte Tanner am Freitag mit, dass sie für das Jahr 2024 die Abhaltung einer militärischen Großübung angeordnet hat. Unter dem Titel "Schutzschild 2024" soll eine konventionelle Auseinandersetzung im Kampf der verbundenen Waffen trainiert werden. An der Großübung mit Fokus auf militärische Landesverteidigung nehmen Kader- und Milizsoldaten sowie Grundwehrdiener teil.