Es waren neue Töne, harte Töne, die Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer am Mittwoch in Nationalrat anschlug: „Wer mit Steuergeld Schindluder treibt, hat bei uns nichts verloren“, und „Es ist unmöglich, wenn der Eindruck entsteht, dass Multimillionäre es sich richten können“.
Deutlicher als zuvor war der Kanzler da bemüht, sich von den Vorwürfen gegen seine Partei und seinen Vorgänger Sebastian Kurz abzugrenzen: Von dem Vorwurf, dass das ÖVP-geführte Finanzministerium gefälschte Umfragen zugunsten der Partei mit Steuergeld bezahlt haben soll – und dass Spender der Partei wie die Unternehmer Siegfried Wolf und René Benko durch Interventionen in jenem Ministerium versucht haben sollen, sich millionenschwere Steuervorteile zu verschaffen. (Beide genannten bestreiten das.)

„So bin ich nicht, so sind wir nicht“, sagt Nehammer zu Beginn einer von der SPÖ beantragten Sondersitzung des Nationalrats am Mittwoch – um dann allerdings zu relativieren: Er selbst werde niemanden schuldig sprechen – dazu gebe es die unabhängigen Gerichte.

Nehammers Rede über das „schleichende Gift der Korruption“ kann man als Versuch eines „Befreiungsschlags“ interpretieren – am Tag vor Thomas Schmids Befragung im ÖVP-U-Ausschuss zumindest verbal ein klares Statement, dass Umtriebe, wie sie der ehemalige Finanz-Generalsekretär und -Öbag-Chef inzwischen zugegeben hat, in der ÖVP nicht willkommen sind.

In der Opposition hat man freilich Zweifel an Nehammers Entschlossenheit: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach von „einer noch nie da gewesenen politischen Schamlosigkeit“ und „Unanständigkeit“ der ÖVP. Die Regierung sei handlungsunfähig, Rendi-Wagner fordert eine Neuwahl.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht in Nehammers Rede bloß „Süßholz-Gerasple“ und ein „Abschütteln der Verantwortung, Kindesweglegung, Abputzen, Ablenken und eine unglaubliche Wehleidigkeit“. „die mich an einen Ceausescu in der Endphase erinnert“.

Auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erklärt, die Dominanz der ÖVP sei „erkauft“, es brauche Neuwahlen: „Die ÖVP hat ein Korruptionsproblem und ist vielleicht ein Korruptionsproblem.“

Neuwahlen werden aber so bald nicht kommen: Einem Misstrauensantrag der FPÖ gegen die türkis-grüne Regierung stimmten nur die blauen Abgeordneten zu, ein SPÖ-Antrag auf Neuwahl wurde vertagt.