Herr Vizekanzler, die Aussagen Thomas Schmids zeichnen ein Bild von einem öffentlichen Dienst, in dem Spitzenjobs nach Partei-/Parteispenderwunsch vergeben werden. Im U-Ausschuss sagt eine Ex-Korruptionsermittlerin, es gebe halt ÖVP-Netzwerke, die inkompetenten Leuten Jobs verschaffen. Was geht Ihnen als Beamtenminister da durch den Kopf?
WERNER KOGLER: Ich würde mir erwarten, dass die Steuerverfahren in den Fällen Sigi Wolf und René Benko noch einmal neu geprüft werden, ob da nicht nachzujustieren ist. Der Eindruck, je mehr Geld man hat, umso eher kann man es sich vor der Steuer richten, ist verheerend. Wenn da nur die Hälfte stimmt, ist das schauderhaft.
Das betrifft die Steuerverfahren, in denen offenbar interveniert wurde. Was ist mit den Jobbesetzungen bei Beamten?
Wenn es alle so machen würden wie wir in unserem Ministerium, wäre schon vieles besser. Was viel zu wenig betrachtet wird, sind die Damen und Herren in den Auswahlkommissionen, die haben ja selber Verpflichtungen. Das würde ich mir in Zukunft mal stärker anschauen. Möglicherweise brauchen wir da Gesetzesänderungen – aber vieles ist Kulturfrage.
Die Unkultur ist ja inzwischen recht gut belegt.
Ja, in diesen Fällen – und auf Länderebene bin ich mir auch nicht immer sicher, ob jetzt jede Schulleiterposition nur objektiv vergeben wird. Das Thema gibt es überall. Wir werden schauen, was man da objektiv drüberlegen kann. Eine Sache haben wir aber jetzt planiert: Dass bei Ausschreibungen erst im Nachhinein Arbeitsplatzbeschreibungen hinausgegeben oder verändert wurden. Das ist jetzt nicht mehr möglich.
In den Causen Wolf oder Wöginger geht es um die Leitung von Finanzämtern – das war doch kein Problem der Jobbeschreibung.
Ich sage ja nur, dass wir diese Manipulationstüre zugeschlagen haben. Das war ein großer Missstand, der wurde abgestellt. Ansonsten muss man durchleuchten, ob und wie die Kommissionen ihrer Verantwortung nachkommen.
Aber wenn ich nicht zufällig die Chats von Herrn Schmid kriege, kann ich das als jemand, der in der Bewerbung leer ausgegangen ist, doch nicht nachweisen.
Es gibt da einen Konflikt mit dem Datenschutz. Ich habe mir auch schon öfters gedacht, man müsste viel mehr veröffentlichen können, sodass klarer werden würde, wer nicht zum Zug gekommen ist. Bewerber und Bewerberinnen haben aber natürlich keine Freude, wenn Rückschlüsse auf sie persönlich geschlossen werden können – das ist ja klar. Deswegen glaube ich, das größte Gegengift gegen irgendwelche Machinationen ist, die Kommissionsmitglieder so auszustatten, dass sie mehr Verantwortung nehmen können und stärker in die Ziehung kommen können. Eine Idee ist, dass man auch Kommissionsmitglieder aus anderen Ressorts heranzieht – auch das machen wir schon.
Seit fast eineinhalb Jahren liegt der Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz vor. Wo bleibt es?
Es ist nicht die Bundesregierung und am allerwenigsten Frau Edtstadler oder ich, die hier auf der Bremse stehen. Wir geben schon Gas und führen jetzt seit Sommer auch wieder Gespräche mit all jenen, die Bedenken haben. Die größten kommen von Bundesländern und Kommunen, die vertreten zusätzlich noch die Interessen der öffentlichen Firmen. Wir werden eine Zwischenbilanz ziehen – und dann muss klar sein, was ist begründetes Bedenken und was einfach nur Widerstand. Egal ob die Bundeshauptstadt Wien oder schwarze Länder – es sollten alle die Gelegenheit bekommen, ihren Standpunkt öffentlich darzulegen – das tun sie im Moment ja gar nicht. Ich wäre ja gespannt, ob sich die dann das sagen trauen, was sie uns sagen.
Wie ist die Stimmung in der Koalition nach den Enthüllungen?
Sie ist gut, aber wir sind ja nicht als Stimmungskanonen in die Regierung gewählt worden. Das Wichtigste ist, dass eine tragfähige Entscheidungsbasis da ist. Wir haben gerade das Budget beschlossen mit der Abschaffung der Kalten Progression, der Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen, das ist mega-mega! Da haben wir, ich weiß nicht wie viele rote Bundeskanzler an uns vorbeiziehen gesehen, die nicht einmal daran gedacht haben oder daran gescheitert sind.
Das Volk sieht das nicht ganz so mega. Nur rund 30 Prozent haben ÖVP und Grüne in Umfragen noch.
Ja, mit Sonntagsfragen muss man leben können. Für viel wichtiger halte ich das Vertrauen - gerade in der Politik ist das eine extrem wichtige Währung. Dieses wieder zu stärken, dran müssen wir jeden Tag arbeiten. Gerade in schwierigen Situationen muss jemand da sein, der so gut es geht die richtigen Entscheidungen trifft. Wenn ich mir die aktuellen Krisen anschaue, dann gelingt da mehr, als oft ankommt – wie etwa bei der Abfederung der Teuerung aber auch bei der raschen Sicherung der Gasversorgung.
Jetzt rühmt sich der Grünen-Chef, genug fossiles Gas eingekauft zu haben.
Ja logisch, wir müssen kurzfristig komplett pragmatisch sein und gleichzeitig mittelfristig visionär die Energiewende angehen. Die österreichische Industrie ist im Verhältnis zu anderen eh schon sehr ökologisch und mit unserer Klimaoffensive fördern wir ihren Umbau noch. Um sie mittelfristig noch grüner zu machen, müssen wir die Industrie und damit vor allem enorm viele Arbeitsplätze zuerst einmal retten – und das geht leider nicht vom einen auf den anderen Tag ohne Öl und Gas. Alles andere wäre sozial, aber auch wirtschaftlich komplett verantwortungslos.
Fördern fällt Ihnen leicht, aber ein Pfad zur CO2-Neutralität in einem Klimaschutzgesetz fehlt.
Das haben wir beim Koalitionspartner noch nicht durchgesetzt, wir arbeiten daran. Ich bin zuversichtlich, dass uns das in den nächsten Monaten gelingen wird – nicht zuletzt, weil wir sonst ein Problem mit den EU-Strafzahlungen bekommen.
Georg Renner