Jahrelang zentraler Mitarbeiter in ÖVP-Regierungsbüros, versuchen die Türkise nun vehement, Thomas Schmid als unglaubwürdig darzustellen. Schmid hatte Ex-Parteichef Sebastian Kurz und dessen enge Vertraute vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft massiv belastet. Kurz weist die Vorwürfe zurück und will rechtlich gegen Schmid vorgehen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) kündigte das ebenfalls an und bezeichnete Schmid im APA-Interview gar als "Baron Münchhausen".
Schmid war seit den 2000er-Jahren in Büros führender ÖVP-Bundespolitiker tätig und später auch Generalsekretär im Finanzministerium. Seine von den Behörden sichergestellten Chats bargen für die ÖVP Ungemach. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gleich in mehreren Fällen, etwa in der Inseraten- und Umfragenaffäre auch gegen Kurz selbst und seine engsten Mitarbeiter. Wie die WKStA erst jetzt bekannt gegeben hat, war Schmid im April mit dem Wunsch nach einer Kronzeugenregelung an die Anklagebehörde herangetreten. Seit Juni fanden 15 ganztägige Vernehmungen statt, aus den Protokollen, die flugs in den Medien landeten, geht hervor, dass Schmid einige Akteure aus der Kurz-Truppe schwer belastet.
"Tiefer Blick in den Charakter"
So sagte Schmid etwa, Kurz habe gewusst, dass seine Mitarbeiter Umfragen, die ihm bei der Eroberung des ÖVP-Parteivorsitzes und des Kanzleramtes helfen sollten, über das Finanzministerium finanziert wurden. "Ja, das war ihm klar. Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe", ist in dem Geständnis zu lesen. "Ich habe Kurz und die ÖVP aus dem BMF heraus gefördert, die Ressourcen des BMF genutzt, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen."
Kurz hat sich zwar vor einem Jahr aus der Politik zurückgezogen, PR-Profi ist er aber geblieben – Mittwochnachmittag holten er und sein Rechtsanwalt Werner Suppan zum Gegenschlag aus. Man übergab den Behörden ein von Kurz heimlich mitgeschnittenes Telefonat mit Schmid aus dem Vorjahr kurz nach den Hausdurchsuchungen, das Schmids Aussagen widerlegen und Kurz entlasten soll. Die Tonaufnahme selbst darf Kurz rechtlich nicht veröffentlichen, das Transkript des Gesprächs wurde aber in mehreren hintereinander stattfindenden Hintergrundgesprächen an Journalistinnen und Journalisten verteilt. Schmid wollte sich dazu nicht äußern, sein Rechtsvertreter Roland Kier ließ am Donnerstag wissen, dass auch weiterhin keine öffentlichen Äußerungen und medialen Auftritte zu erwarten sind.
In der ÖVP schaltete man am Donnerstag noch einen Gang höher. Die Aufnahme entlarve nicht nur, dass Schmid der WKStA die Unwahrheit gesagt habe, sie "lässt auch tief in den Charakter eines Menschen blicken, der gegen andere falsche Vorwürfe erfindet, in der Hoffnung, selbst straffrei als Kronzeuge davonzukommen", legte Kurz in einem Facebook-Posting nach.
"Ich kenne den Charakter dieses Mannes"
Nationalratspräsident Sobotka betitelte Schmid im APA-Interview gar als "Baron Münchhausen", man kenne "den Charakter dieses Mannes". Den Vorwurf, er habe gegen Steuerprüfungen eines ÖVP-nahen Vereins interveniert, bezeichnete Sobotka als "frei erfunden". Gefragt, warum Schmid denn so etwas erfinden sollte, verwies Sobotka auf dessen Chats. Schmid habe sich immer hervorgetan, "was er nicht alles getan hätte, auf der einen Seite mit Hochstapelei, auf der anderen Seite als Baron Münchhausen".
"Für mich ist dieser Mensch total unglaubwürdig." Überhaupt zeigte sich Sobotka erbost über den medialen Umgang mit Schmids Geständnis: Es wundere ihn, "wie die ganze Journalistik in dieser Phase, die zuerst diesen Schmid als ein Monster gezeichnet hat, jetzt auf einmal seine Aussage wie einen Richterspruch betrachtet und darauf ihre Fragen basieren", empörte sich der Nationalratspräsident.
In eine ähnliche Kerbe schlug unterdessen auch Andreas Hanger, ÖVP-Fraktionsführer im laufenden Korruptions-Untersuchungsausschuss. Hanger bedauerte vor Journalisten, dass Schmid sich weigert, im U-Ausschuss auszusagen und vermutete dahinter den Umstand, dass er dort unter Wahrheitspflicht stehen würde. Bei Schmid handle es sich "sicher um einen sehr fragwürdigen Charakter", betonte Hanger. "Er will nur deshalb Kronzeuge werden, weil er seine eigene Haut retten will." Und: "Er ist der Lügenbaron der Nation." Darüber wunderte sich wiederum FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker: Der "Lügenbaron" sei immerhin jahrelang der wichtigste Mitarbeiter der ÖVP gewesen.
Neos fordern Neuwahl
Welche Aussagen nun tatsächlich glaubwürdig sind, hätten unabhängige Gerichte zu entscheiden, erinnerte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz. Die NEOS haben aber jedenfalls genug vom Theater und forderten Neuwahlen. Die ÖVP habe sich eine Wahl "ertrickst, erlogen und erkauft", kritisierte sie, das Vertrauen in die Politik sei "massiv erschüttert". Den Grünen warf Meinl-Reisinger ein "Doppelspiel" vor - sie ließen zwar ein bisschen die Muskeln spielen, blieben aber trotzdem mit der ÖVP in einer Koalition. Die FPÖ, die schon länger für Neuwahlen eintritt, forderte am Donnerstag eine Sondersitzung des Nationalrats, um die Ära Kurz aufzuarbeiten.