Der schwer unter Beschuss geratene ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz sorgte am Mittwoch für einen Paukenschlag. Sein Anwalt übergab der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA) die Aufnahme eines vor genau einem Jahr, am 18. Oktober 2021, getätigten Telefonats zwischen Kurz und dem angehenden Kronzeugen Thomas Schmid. Gegen 14.30 Uhr landeten die Aufnahme und die Abschrift bei der WKStA.

In der 454 Seiten langen Einvernahme hatte Thomas Schmid den ehemaligen Kanzler als Auftragsgeber und Mastermind des "Beinschab-Tools" schwer belastet. Darunter ist die zweckwidrige Verwendung von Mittel des Finanzministeriums für getürkte Umfragen zu verstehen.

Aus der Sicht des Kanzlers (und seiner Anwälte) werde dieser durch Schmids Aussagen in dem geheim mitgeschnittenen Telefonat weitgehend entlastet. In dem Gespräch tischt Schmid tatsächlich eine andere Version der Dinge auf.

Wir bringen eine gekürzte Version der Abschrift - inklusive einiger Erklärungen.

Thomas Schmid: Ja, servus, grüß dich!

Sebastian Kurz: Hallo Thomas, entschuldige, jetzt war ich gerade in einem Telefonat.

Thomas Schmid: Ja, kein Thema… ich war gerade draußen, deshalb hab ich es nicht gehört.

Sebastian Kurz: Laufen gehen ist eh schlau, sollte ich auch einmal machen…  

Thomas Schmid: Weil, das is das einzige, glaube ich, wo man den Kopf frei kriegt…

…..

Sebastian Kurz:: Sag, was sie uns da strafrechtlich vorwerfen. Kannst du dir das irgendwie erklären? Ich kann einfach seither überhaupt nimma schlafen, weil ich schon an mir selbst zweifle und das Gefühl habe, ob ich irgendwas vergessen hab. Ich hab dir doch nie einen Auftrag gegeben. Wir haben doch nicht einmal über Inserate und sowas geredet oder? Ich habe doch nie gesagt, du sollst der Beinschab jetzt irgendwelche Aufträge geben… Ich lese diesen Akt und denk mir. Das gibt‘s ja nicht. Wie kann man das behaupten, oder? Ich weiß ja nicht, ob ich jetzt schon alles vergessen hab.…

Thomas Schmid: Na, aber das ist eben das Schlimme, dass die ja ihre eigene Geschichte zusammenbauen. Also, es ist ja zum Beispiel a so lustig, diese eine Geschichte mit Kern (Anm: SPÖ-Kanzler Christian Kern) als Pizzabote. Die Geschichte hat den Schelling (Anm: damaliger Finanzminister Hans-Jörg Schelling) nicht nur fasziniert, die hat ihn auch total beschäftigt. Er wollte dann unbedingt wissen, wie das bei den Österreichern ankommt …Er war ja selber so a Marketingmensch vom Möbelhaus (und hat überlegt), ob er nicht so eine Sache  einmal selber macht… Und dann hat eben der Frischmann (Anm: damaliger Sprecher im Finanzministerium Johannes Frischmann) diese Umfrage gemacht, er hat ja mit der Beinschab regelmäßig telefoniert. Sie hat einmal in der Woche diese Erhebungen gemacht, und dann hat man halt noch 1-2 Fragen angehängt. Und dass diese depperte Kuh diese Rechnungen dann herumschickt, aus dem die (Anm: die WKSTA) jetzt machen, dass alles ein Auftrag war.  Das war eine ganz andere Sache….   Und vor allem diese ganze Million, von der sie da reden an Inseraten  - da werden sie noch draufkommen: Das haben weder ich noch der Frischmann noch sonst wer beauftragt. Das sind ja so große Kampagnen, die des BMF (Anm: Bundesministerium für Finanzen) laufend gemacht hat.

Sebastian Kurz: Aber das heißt, du glaubst schon, dass sich das aufklären lässt?

Thomas Schmid: Ja, man muss auch alles daran setzen, dass man das aufklären kann…  

Sebastian Kurz: Aber sag einmal, welches kranke Gehirn kommt drauf, dass ich das beauftragt hätte im Jahr 2016, wo der Schelling Finanzminister war? Und weißt  -  also  mir tut‘s eh leid für dich auch, keine Frage - ich find nur so skurril: Wie kann man sagen, ich hätte das beauftragt? Oder ich hätte das angestiftet? Das verstehe ich irgendwie nicht.

Thomas Schmid: Naja, das mit dem Anstiften, ich kann dir das nicht konkret beantworten, weil das immer etwas Abstraktes ist. Dann nehmen sie Gesamtzusammenhänge her, aus denen sie sich das ableiten. Ich bin ja zum Handkuss gekommen bei einer ähnlichen Sache mit dem Löger (Anm: damaliger Finanzminister Hartwig Löger) in der Casino-Geschichte. Da haben‘s gesagt, ich bin der allmächtige Generalsekretär im Finanzministerium, und jeder weiß ja, dass der Löger so schwach ist und ich Löger gesteuert habe… Das ist total abenteuerlich, weil da frag ich mich dann auch, wie kann man auf das überhaupt kommen. Es gibt keinen Anhaltspunkt, ja.

Sebastian Kurz: Ich habe das wirklich dreimal selber gelesen, und ich denke mir einfach: Wie kommt man auf das? Dann denk ich nach und geh in mein Hirn. Du hast mir immer erzählt, wie es mit Dichand so läuft, du kennst die Journalisten, und Fellner .. und du hast mir wahrscheinlich die eine oder andere Umfrage weitergeschickt. Dass ich im Jahr 2016 gesagt hätte, jetzt stellt‘s irgendwelche Rechnungen aus und gebt‘s irgendwelche Inserate -  Also ich find’s einfach so eine Frechheit, dass man mir das unterstellen kann. Ich könnte jeden Tag irgendwie explodieren.

Thomas Schmid: Das ist das Schlimme an denen, weil sie (Anm: WKSTA) bauen sich ihre eigenen Geschichten zusammen und ziehen alle möglichen Leute hinein. Das ist das Abenteuerliche…. Wenn du dir den Akt durchliest, machen sie immer Gesamtzusammenhänge, etwa, der Frischi (Anm: damaliger Pressesprecher im Finanzministerium Johannes Frischmann) und ich hätten das alles nur gemacht, um dir zu helfen. Das ist vollkommener Schwachsinn. Und daher hätten wir Buchungen gemacht… Jeder Pressesprecher, jeder Generalsekretär schaut natürlich, dass er seinen Chef pushen kann. Das haben wir natürlich gemacht, und das war der Schelling. Der hat auch sehr stark profitiert davon. Und in der Analyse kommen sie dazu, dass das mit dem Schelling alles nichts zu tun… Das ist abenteuerlich.

Sebastian Kurz: … Und sie haben alle Chats zwischen uns, und aus keinem der Chats geht hervor, ich hab dich zu irgendwas angestiftet. Sie erfinden‘s einfach.

Thomas Schmid: Jaja, das behaupten’s dann einfach, ja. …Also, kann dir nur sagen: Das ist eine sehr, sehr merkwürdige Vorgehensweise… Ich gehe davon aus, dass der Pasquali (Anm: Leiter der Kommunikationsabteilung Johannes Pasquali) das alles wirklich ordentlich verbucht hat, ja. Also das hoffe ich wirklich.