Dass ein Unteroffizier, der eine SS-Uniform getragen und den Hitlergruß gezeigt hat, weiter im Heer tätig sein darf, sorgt weiter für Aufregung. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ortete ein "unglaubliches Fehlverhalten". Nun reagiert die Regierung: Künftig soll jede rechtskräftige Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bei Beamten automatisch zu einem Amtsverlust führen, und zwar unabhängig von allfälligen disziplinarrechtlichen Schritten, kündigten Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Freitag in einer Aussendung an.
Aus der Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde geht hervor, dass auch der weisungsgebundene Disziplinaranwalt des Verteidigungsministerium im Verfahren gegen den Unteroffizier nur eine Geldstrafe und keine Entlassung beantragt hatte. Dem Soldaten wurden mildernde Gründe angerechnet. Ein Bundesheer-Sprecher betonte jedoch: "Weder das Gericht noch die dafür einzig zuständige Disziplinarbehörde haben eine Entlassung erwirkt."
Der Disziplinaranwalt wird laut Paragraf 103 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes "zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren (...) von den Leiterinnen und Leitern der Zentralstellen" bestellt. Er untersteht der Ministerin und "ist an deren Weisungen gebunden", erläuterte Verfassungsrechtler Heinz Mayer im Ö1-"Mittagsjournal". "Sie ist verantwortlich für das, was der Disziplinaranwalt tut."
In einer Sache, in der es um das Ansehen des Bundesheeres insgesamt geht, sei die Ministerin selbstverständlich involviert und sollte sich zumindest mit der Frage auseinandersetzen, ob solche Instruktionen gegeben werden, meinte auch Verfassungsjurist Peter Bußjäger.
Hitlergruß in der Kaserne und Munition zuhause
Im Juli wurde der Soldat vor einem Landesgericht rechtskräftig zu zehn Monaten bedingter Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt. Die Disziplinarbehörde setzte nach der Disziplinaranzeige ein mündliche Verhandlung für Mitte September an. Dort legte der Beschuldigte "ein umfassendes und reumütiges Geständnis" ab.
Konkret soll der Oberstabswachtmeister bereits 2014 und 2015 im Internet eine Uniform, einschlägige Abzeichen, Hakenkreuzfahnen und Hakenkreuzwimpel bestellt und "zum Zwecke der Herstellung einer SS-Uniform einen Aufnäher mit SS-Runen sowie 2 Aufnäher mit Reichsadler und Hakenkreuz an der Uniform angebracht" haben. Die selbst gebastelte SS-Uniform soll er dann zumindest fünfmal getragen haben, Fotos davon tauchten im Internet auf.
2019 und 2020 soll der Soldat außerdem in der Kantine eines Sportvereins, in der Spielerkabine am Fußballplatz und in einer Kaserne vor seinen Kameraden den Hitlergruß gezeigt haben. Bei der Durchsuchung seiner militärischen Unterkunft, seines Autos und seines Wohnsitzes wurden Munition aus Heeresbestand und "diverse Devotionalien" gefunden.
Geldstrafe bei Taten "unter Alkoholeinfluss" für Disziplinaranwalt ausreichend
"Er beteuerte glaubhaft, dass es ihm sehr leidtue und ein derartiges inakzeptables Verhalten nicht mehr vorkommen würde." Die Tathandlungen seien unter Alkoholeinfluss erfolgt, behauptete der Soldat, "er distanziere sich von den Gräueltaten des Nationalsozialismus und habe damit nichts zu tun". Die Knallkörper habe er "wohl versehentlich nach einer Übung mit nach Hause genommen und vergessen". Der Bataillonskommandant attestierte dem Beschuldigten im Verfahren eine "zufriedenstellende Dienstleistung", bisher habe es keine disziplinären Verfehlungen gegeben.
Der vom Ressort bestellte Disziplinaranwalt verwies auf die Möglichkeit einer Entlassung, beantragte schließlich aber nur eine Geldstrafe von knapp 5.000 Euro: "In den Schlussworten führte der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) aus, dass der Disziplinarbeschuldigte durch seine Tathandlungen vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe", heißt es in der Entscheidung.
"Nach der Rechtsprechung des VwGH komme aufgrund des Treueverlustes die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht. Aus generalpräventiven Gründen sowieso, allerdings sei in diesem Fall eine Geldstrafe ausreichend." Das Strafgericht, argumentierte der Disziplinaranwalt, hätte bereits durch eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe den Amtsverlust bewirken können, nahm aber davon Abstand.
Keine Entlassung möglich
Mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich auch der Oberbefehlshaber des Bundesheeres über die NS-Wiederbetätigung des Soldaten "schockiert": "Wer in der Exekutive arbeitet, trägt besondere Verantwortung", findet Van der Bellen. Das Bundesheer konnte allerdings keine Entlassung durchsetzen.
"Weder das Gericht noch die dafür einzig zuständige Disziplinarbehörde haben eine Entlassung erwirkt", erklärte Bundesheer-Sprecher Michael Bauer auf Twitter. Die Bundesdisziplinarbehörde sei die höchste Instanz für Beamte und für das Bundesheer seien die Entscheidungen bindend. "Es gibt darüber keine Instanz mehr. Das Bundesheer hat diese Entscheidung zu akzeptieren."
Bereits im November des Vorjahres wurde der Betroffene "mit sofortiger Wirkung (...) vorläufig vom Dienst enthoben", steht in den Akten. Nun werde er "in einer nicht militärischen Funktion im Rahmen seines Beamtendienstverhältnisses verwendet", hieß es in einer Aussendung des Ressorts. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hat Donnerstagabend im Nationalrat angekündigt, dass sie nächste Woche eine Kommission zum Thema der "Bekämpfung von staatsfeindlichen Tendenzen" einrichten werde. Dies soll zur Vermeidung derartiger Fälle die nötigen gesetzlichen Maßnahmen - Änderung des Beamten-Dienstrechts und des Strafgesetzbuches - ausarbeiten.
Kritik am späten Handeln
Tanners "Reumütigkeit" komme "viel zu spät", befand SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer am Freitag in einer Aussendung. "Die Ministerin hätte viel früher eingreifen und dem Disziplinaranwalt eine Weisung zukommen lassen müssen, um eine Entlassung des Beamten zu fordern", meinte er. "Die Ministerin hatte ihre Chance, sich einzusetzen. Eine Gesetzesänderung sei notwendig, "weil man sich offensichtlich nicht darauf verlassen kann, dass gewisse Minister*innen ihre Hausaufgaben erledigen", meinte Laimer.
NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos stellten die Erklärungen aus dem Verteidigungsressort jedenfalls nicht zufrieden. "Neonazis haben im Österreichischen Bundesheer nichts verloren", unterstrich Hoyos. "Das Verteidigungsministerium kann derartige Umtriebe nicht immer schulterzuckend hinnehmen und seine Verantwortung auf die Strafgerichte abschieben, sondern muss endlich entschlossen durchgreifen. Wenn das Dienstrecht das nicht hergibt, muss es geändert werden."