Wenn man ein ernsthaftes Anliegen hat, für das man sich redlich abmüht, 100.000 Unterstützerinnen und Unterstützer zu finden, sind 15.000 Euro nicht viel Geld: Immerhin muss eine Website programmiert, ein Büro bezahlt, vielleicht sogar eine Werbeagentur engagiert werden. Wenn man aber ein Anliegen hat, das auf eine bestehende Stimmung in der Bevölkerung aufsetzt und quasi als "Selbstläufer" Unterstützer links und rechts findet – dann schaut das schon anders aus.
Derzeit liegen im Innenministerium 58 Volksbegehren zur Unterstützung auf. Von dem Begehren "Anti-gendern" über "Bargeldzahlung: Obergrenze Ja" und "Bargeldzahlung: Obergrenze Nein" bis zu "KURZ MUSS WEG" reicht die Spanne, die meisten davon sind recht simpel gehalten, so zum Beispiel:
Was ja auch durchaus im Sinne des Erfinders ist. Ein Volksbegehren einzuleiten braucht nicht viel, das Formular dazu umfasst gerade einmal eine A4-Seite:
- den Text des Volksbegehrens (in Form eines Gesetzesantrages oder in Form einer Anregung)
- eine Kurzbezeichnung (maximal drei Worte)
- die Bezeichnung einer oder eines Bevollmächtigten sowie ihres oder seines Stellvertreters
- die Unterschriften des Bevollmächtigten sowie des Stellvertreters
- die Bestätigung über die Einzahlung eines Kostenbeitrages in der Höhe von 559,40 Euro auf ein Konto des Bundesministeriums für Inneres
- allenfalls eine E-Mail-Adresse der oder des Bevollmächtigten
Unterstützung per Mausklick oder Handy-Wisch
Wenn das erledigt ist, legt das Innenministerium das Begehren zur Unterstützung auf. Ab diesem Zeitpunkt können Bürgerinnen und Bürger es unterschreiben – digital via Bürgerkarte oder auf einem beliebigen Gemeindeamt.
Bis zu zwei Jahre ist dann Zeit, 8401 oder mehr Unterschriften zu sammeln. Wenn die erreicht sind, legt der Innenminister auf Antrag der Initiatoren und Zahlung eines Druckkostenbeitrages von 2517,40 Euro eine Eintragungswoche fest, in der das Begehren formal unterstützt werden kann. (Eine solche Woche für sieben Volksbegehren ist gerade zu Ende gegangen.)
"Erfolgreich" ist ein Begehren dann, wenn es insgesamt – in Unterstützungs- und Eintragungsphase – 100.000 Unterschriften erreicht. Dann muss der Nationalrat über das begehrte Anliegen beraten, weitere verbindliche Folgen hat ein solches Begehren für die Öffentlichkeit nicht.
Aus 3077 Euro Einsatz werden 15.384 Euro Rückerstattung
Für die Initiatoren allerdings schon: Sie bekommen das fünffache dessen rückerstattet, was sie dem BMI an Gebühren für das Volksbegehren überwiesen haben. Das sind, wie erwähnt, 559,40 für die Registrierung plus ein Druckkostenbeitrag von 2517,40 – macht in Summe 3076,80 (die Beträge werden jedes Jahr an die Inflation angepasst). Für jedes erfolgreiche Begehren zahlt das Innenministerium das Fünffache aus, das sind derzeit 15.384 Euro.
Netto macht ein Begehren, das die 100.000 Euro überschreitet, also rund 12.300 Euro "Gewinn". Davon muss man natürlich abziehen, was ein Begehren für eine Kampagne investiert – das "Frauenvolksbegehren" von 2017 hatte zum Beispiel via Crowdfunding rund 175.000 Euro aufgestellt und damit breit für seine Anliegen geworben.
Das tun aber bei Weitem nicht alle Begehren: Die meisten der aktuellen 58 Begehren haben etwa nicht einmal eine Website.
Jetzt kann man natürlich niemandem unterstellen, dass es ihm nur um das Geld geht und nicht ernsthaft um sein Anliegen. Aber wie beschrieben ist es vergleichsweise einfach, ein Begehren einzureichen – und bei einem entsprechend emotionalisierten Thema via Social Media kein allzu großer Aufwand, für die entsprechenden Unterschriften zu sorgen.
"Google-Abmahnanwalt" unter Volksbegehren-"Stammkunden"
Profiteure dieser Regelung sind auch einige "Stammkunden". Robert Marschall etwa, der in den vergangenen zwei Jahren die erfolgreichen Volksbegehren "COVID-Maßnahmen abschaffen", "NEIN zur Impfpflicht", "EURATOM-Ausstieg" eingeleitet hat.
Oder die Initiative "Gemeinsam entscheiden" rund um den niederösterreichischen Anwalt Marcus Hohenecker (bekannt durch seine Abmahnwelle gegen Unternehmen, die Google-Schriften verwenden) – sie hat zahlreiche "JA / NEIN"-Volksbegehren initiiert, die jeweils getrennt Unterschriften sammeln, darunter zu emotionalen Themen wie für bzw. gegen das Rauchverbot, die Impfpflicht – oder aktuell zu Neutralität, GIS-Gebühr und Bargeld-Obergrenze.
Gefragt, ob die Regelung – immerhin ist die Verfünffachung des eingesetzten Kapitals bei einem hinreichend polarisierenden Anliegen eine recht sichere Investition – in Zeiten der Unterschrift per Handy nicht änderungsbedürftig wäre, verweist das Innenministerium gegenüber der Kleinen Zeitung auf die Politik: "Dahingehende Erwägungen sind ausschließlich Angelegenheit des Gesetzgebers."
Georg Renner