1. Der Bundespräsident hat rechtlich die Möglichkeit, die Regierung zu entlassen. Würden Sie davon Gebrauch machen?
Das ist ein Extremszenario. Die Verfassungsväter haben dem Bundespräsidenten diese Möglichkeit für diesen Fall eingeräumt. Führungsstärke bedeutet jedoch, aus einem bereits vorhandenen Team das Beste herauszuholen. Ich würde der Regierung eine Frist setzen, innerhalb der taugliche Konzepte vorgelegt werden sollen, wie wir die schlimmsten Krisen meistern können.
2. Nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos stimmte der Präsident der Entlassung von Herbert Kickl als Innenminister zu und stellte VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein als erste Bundeskanzlerin vor. Wie hätten Sie in dieser Situation gehandelt?
So etwas rückwirkend zu analysieren, ist unmöglich. Wäre ich Bundespräsident gewesen, dann hätte es in der ganzen Causa eine andere Dynamik gegeben. Van der Bellen wollte ursprünglich eine ÖVP-Übergangsregierung zulassen und wurde erst durch das Parlament zu einem anderen Schritt gezwungen.
3. Hätten auch Sie Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) damals wegen der fehlenden Akten an den U-Ausschuss den Richter ins Haus geschickt?
Wenn ein Minister seinen Pflichten nicht nachkommt, muss der Bundespräsident handeln.
4. Wie hätten Sie sich als Präsident in die Corona-Politik der Regierung eingebracht?
Ich hätte vor Unterfertigung von Gesetzen Experten zugezogen, die die Verfassungsmäßigkeit im Vorhinein überprüfen.
5. Muss Österreich jetzt die Neutralität überdenken?
Wir müssen zur Neutralität zurückfinden. In diesen Fragen muss es eine Abstimmung zwischen Hofburg, Parlament und Kanzleramt geben. Über wesentliche neutralitätspolitische Fragen müssen die Österreicher im Wege einer Volksabstimmung entscheiden. Wir leben immerhin in einer der gefährlichsten Situationen, die am ehesten mit der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu vergleichen ist.