Seit Monaten dreht sich der ÖVP-U-Ausschuss um die Amtszeit von Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Heute wird der frühere ÖVP-Chef selbst seine Wahrnehmungen teilen können. Von seinen letzten beiden Befragungen im Ibiza-U-Ausschuss blieb vor allem eine Anzeige wegen des Verdachts der Falschaussage.

Die entsprechenden Ermittlungen verfolgen Kurz, der sich vollständig aus der österreichischen Politik zurückgezogen hat, noch heute: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) prüft seit über einem Jahr, ob der frühere Kanzler absichtlich seine Rolle in der Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef heruntergespielt hat.

Insgesamt 26 Zeugeneinvernahmen habe es bereits gegeben, klagt Werner Suppan, der Kurz, aber auch die ÖVP, rechtlich vertritt – und den früheren Kanzler heute in den U-Ausschuss begleitet. Auch er setzt die Erwartungen tief: Kurz werde sein Entschlagungsrecht natürlich nutzen.

Anwalt Werner Suppan war schon vor über einem Jahr die Vertrauensperson von Sebastian Kurz im U-Ausschuss
Anwalt Werner Suppan war schon vor über einem Jahr die Vertrauensperson von Sebastian Kurz im U-Ausschuss © APA/HELMUT FOHRINGER

Auch in der Beinschab-Affäre rund um mutmaßlich manipulierte und mit Steuergeld gezahlte Umfragen ist der frühere ÖVP-Chef Beschuldigter, kann und wird sich folglich entschlagen. Das weiß auch die Opposition, die Kurz in den U-Ausschuss geladen hat. Thematisch dürfte es daher heute weniger um laufende und eingestellte Ermittlungen gegen die ÖVP gehen.

Von Posten in Wien und Reisen nach Moskau

Stattdessen wollen die Abgeordneten den früheren Kanzler zu Postenbesetzungen befragen, die aus ihrer Sicht dubiose Machenschaften erst ermöglichten. Konkret geht es etwa um den Vorwurf, dass Kurz und sein Medienbeauftragter Gerald Fleischmann die Geschäftseinteilung im Bundeskanzleramt so verändert haben sollen, dass türkise Günstlinge aufstiegen – und andere flogen.

Obwohl Kurz schon zweimal befragt wurde, blieb viel offen: Seine letzte Befragung wurde vor allem von der ÖVP derart in die Länge gezogen, dass Grüne und Neos keine Frage stellen konnten. Ausufernde Geschäftsordnungsdebatten sind auch heute vorprogrammiert.

Fragen nach Russland-Reisen und dem Ursprung der Gas-Abhängigkeit wurden bisher zwar meist zugelassen, könnten aber dennoch zu Diskussionen führen. Vor allem, wenn der neue türkise Generalsekretär Christian Stocker an seinen letzten Tagen im U-Ausschuss noch einmal so richtig debattieren will. Offenbar wird Stocker aber noch diese und nächste Woche Teil des türkisen Teams sein - eine Nachfolge hat die ÖVP noch nicht bekannt gegeben.

Garantiert Einspruch wird die türkise Fraktion am Nachmittag erheben, wenn der frühere ÖVP-Bundesgeschäftsführer Alexander „Axel“ Melchior befragt wird. Eine Partei könne nicht Untersuchungsgegenstand sein, argumentieren die ÖVP-Abgeordneten seit Beginn des U-Ausschusses. Allerdings wurden Fragen etwa dann zugelassen, wenn ein Geldfluss aus dem Bund an die Partei nachgezeichnet werden sollte - so geschehen etwa bei der Befragung von Bundeskanzler Karl Nehammer. Damals verwies Nehammer auf Melchiors Zuständigkeit. Mit Blick auf die langen Diskussionen dürfte der Tiroler ÖVP-Abgeordnete Franz Hörl trotz Ladung nicht befragt werden.

Covid-Tests als Nebenschauplatz

Abseits der Auskunftspersonen werden die Augen auf Christian Hafenecker gerichtet sein. Die Staatsanwaltschaft Wien vermutet, dass sich der FPÖ-Fraktionsführer Corona-Testzertifikate fälschen ließ. Dienstagfrüh wurde in der Causa das Haus eines blauen U-Ausschuss-Mitarbeiters durchsucht und ein Handy beschlagnahmt.

Hafenecker bestreitet die Vorwürfe und ortet einen „weiteren ÖVP-Einschüchterungsversuch“. Trotz der Vorwürfe dürfte der blaue Fraktionsführer nicht gefährdet sein: „Den Gefallen werden wir der ÖVP sicher nicht tun“, heißt es aus der Partei.