In Moskau kündigte der russische Präsident Wladimir Putin heute Früh eine Teilmobilmachung der russischen Streitkräfte an. Rund 300.000 zusätzliche Russinnen und Russen sollen so für den Angriffskrieg auf die Ukraine bereitstehen. Den Westen erinnerte Putin in seiner Rede recht unverblümt daran, dass seine Nation über Atomwaffen verfügt: "Wir haben viele Waffen, um zu antworten. Das ist kein Bluff".
In Österreich will die FPÖ indes die Sanktionen gegen Russland beenden, beziehungsweise das Volk in der Frage entscheiden lassen: Am ersten Sitzungstag nach der Sommerpause werden die Freiheitlichen im Nationalrat einen Antrag auf die Abhaltung einer Volksbefragung über die Sanktionen einbringen. Denn für die Freiheitlichen ist klar, dass die Wurzeln der Energie- und Teuerungskrise nicht im russischen Angriffskrieg, sondern in den Sanktionen dagegen liegen.
"Es wäre jetzt endlich an der Zeit, in der EU aufzutreten und zu sagen: Diese Sanktionen schaden uns doch viel mehr als Putin. Unsere Bevölkerung muss doch die Rechnung dafür bezahlen", klagte die stellvertretende FPÖ-Klubobfrau Dagmar Belakowitsch im Plenum des Nationalrates. "Wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie der Bevölkerung sagen: Wir können noch lange nicht auf dieses russische Öl und Gas verzichten", sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl. "Wir brauchen diese günstige Energie für die Haushalte, fürs Heizen, fürs Kochen, fürs Warmwasser, für die Betriebe zum Produzieren." Das könne die Regierung nicht ausgleichen.
Edtstadler: Sanktionen sind "alternativlos"
"Ich unterstelle Ihnen nicht, dass es nur darum geht, Unfrieden zu schaffen und die Gesellschaft zu spalten - denn das ist nämlich genau das, was Putin versucht", richtete Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) den Freiheitlichen aus. "Was hätten wir denn ihrer Meinung nach tun sollen? Hätten wir die Hände in den Schoß legen sollen und zusehen, wie hier auf brutalste Art und Weise auf europäischen Boden Völkerrecht gebrochen wird?", fragte Edtstadler und hielt einmal mehr fest: "Die Sanktionen sind alternativlos".
"Tappen Sie nicht in die Falle, auf das Narrativ Putins hineinzufallen: Die Sanktionen wirken, sie wirken jeden Tag. Und das ist auch belegt." Man sehe, dass die russische Wirtschaft "empfindlich getroffen ist". Es sei aber auch klar, dass man regelmäßig evaluieren müsse, ob die Sanktionen auch weiterhin wirken, "derzeit wirken sie", hielt Edtstadler fest: Die russische Wirtschaft würde um rund sechs Prozent schrumpfen, "ganze Panzerwerke stehen still."
Neos orten "Putinflation"
"Es sei "letztklassig" zu behaupten, dass es uns in Österreich schlechter gehen, während in der Ukraine Frauen, Kinder und Menschen im Allgemeinen sterben würden, hielt die Grüne Abgeordnete Bedrana Ribo entgegen: "Ich bin froh, dass es diese Sanktionen gibt und alle Sanktionen müssen von allen getragen werden."
Mit der heutigen Entscheidung der Teilmobilisierung sei klar, "dass dieser Herbst und Winter noch herausfordernder wird und diese Putinflation, die Preissteigerung, mit diesem Krieg noch weitergehen wird", sagte auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Wenn man das Problem an seiner Wurzel packen wolle, müsse man in Österreich "über unsere Entschlossenheit und Geschlossenheit gegenüber Putin sprechen."
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen hielt im Interview mit der Kleinen Zeitung fest: "Mit dem Krieg hat das alles begonnen, nicht mit den Sanktionen." Bei der UNO-Generalversammlung in New York sah Van der Bellen jedenfalls kein Bröckeln der Sanktionen gegen den russischen Aggressor, im Gegenteil: "Die Empörung über diese Art von Krieg und Kriegsführung wächst".
Bevölkerung gespalten
Von den Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind Gaslieferungen explizit nicht betroffen. Russland beendete allerdings etwa Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland mit Verweis auf technische Probleme, die angeblich aufgrund der Sanktionen nicht zu beheben seien. Als Ersatz bietet Russland die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 an - ein politisches Ziel, das die Nation schon seit Langem verfolgt.
Die Sanktionen gegen Russland werden in Österreichs Bevölkerung höchst unterschiedlich beurteilt, zeigte ein APA/ATV-"Österreich-Trend" von Meinungsforscher Peter Hajek Mitte August.Über ein Viertel der Befragten (26 Prozent) sprach sich dafür aus, die Sanktionen ganz zurückzunehmen, zwölf Prozent waren für eine Lockerung. Ein Fünftel war dafür, die Sanktionen noch zu verschärfen, 19 Prozent der Meinung, sie sollten wie bisher fortgeführt werden. Der Rest legte sich nicht fest.
Für den "Österreich-Trend" wurden zwischen 10. und 18. August 1615 Personen ab 16 Jahren online und telefonisch befragt. Die Schwankungsbreite liegt bei plus/minus 2,4 Prozent.
Maximilian Miller