Zwischen Krieg, Teuerung und Energiekrise war die Sommerpause des Nationalrates alles andere als entspannt. Zum heutigen Start des neuen Parlamentsjahres nach der Sommerpause bringen SPÖ, FPÖ und Neos ab neun Uhr eigene Lösungsvorschläge auf den Tisch und machen Druck bei den Pensionsverhandlungen. Vonseiten des Rechnungshofs liegen dem Plenum mehr als ein Dutzend Berichte zu Finanz- und Gesundheitsthemen vor, die Regierung verspricht mehr Transparenz bei Corona-Hilfen. Die FPÖ fordert, die Sanktionen gegen Russland zu beenden.
Für eine Unterbrechung der Sitzung sorgten Klimaaktivistinnen und -aktivisten von "Extinction Rebellion": Während einer Rede der SPÖ-Abgeordneten und Klimasprecherin Julia Herr wurde von Besuchern "Hört auf den Klimarat", skandiert und Flugzettel ins Planum geworfen. Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures unterbrach daraufhin die Sitzung für eine Viertelstunde.
"Auch der Klimaprotest muss seinen Platz haben und es ist wichtig, dass wir das zwischen den vielen Krisen nicht vergessen", hielt Herr danach fest. "Aktionismus ist gut, aber hier ist der Ort der demokratischen Auseinandersetzung, hier zählen die Argumente", hielt hingegen der FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky fest.
Rauch kündigt sozial gestaffelte Pensionserhöhung an
In einer "Aktuellen Stunde" forcierte die SPÖ das Thema Pensionen. Immerhin macht die ÖVP aus Sicht des roten Klubchefs Jörg Leichtfried eine Politik gegen die Senioren. Die SPÖ wird daher einen Antrag einbringen, die Pensionen gemäß der Jahresinflation von Jänner bis Dezember statt wie bisher von August bis Juli anzuheben. Damit ergäbe sich für kommendes Jahr eine Erhöhung der Bezüge von 8,2 oder 8,3 Prozent. Die FPÖ fordert ein Plus von mindestens zehn Prozent.
"Eines ist klar: Die Pensionistinnen und Pensionisten können sich auf diese Bundesregierung verlassen", hält der türkise Klubobmann August Wöginger entgegen. Unter ÖVP-Kanzlern seien die Pensionen in den letzten Jahren stärker erhöht worden, als in SPÖ-geführten Regierungen: "Der Vergleich macht uns hier sicher". Die Absenkung der Mehrwertsteuer in Deutschland für drei Monate und die darauf folgende Wiedereinführung nennt Wöginger "sozialdemokratische Politik ohne Hausverstand und ohne Hirn".
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) verteidigte im Plenum die laufenden Pensionsverhandlungen - und stellte einmal mehr eine soziale Staffelung der nahenden Erhöhung in den Raum. Es könne aber keinem Staat in Europa möglich sein, die Preissteigerungen dauerhaft zu alimentieren. "Das wird sich nicht ausgehen. Punkt", so Rauch, der daher bei der Pensionserhöhung auch aufs Budget achten will: Acht bis zehn Prozent Erhöhung würden strukturell im Budget 4,5 Milliarden Euro ausmachen, und es sei auch Verantwortung der Regierung, auf den Haushalt zu achten.
Ob der harschen roten Kritik gab sich Rauch erzürnt: Es sei aufgrund der internationalen Faktoren eine "vollkommene Illusion" zu glauben, die österreichische Regierung allein könne es schaffen, Inflation und Teuerung zu bekämpfen. Auf europäischer Ebene werde in die Energiepreismechanismen eingegriffen, er erwarte, dass sich diese Diskussion nun intensivieren werde. Nur von Einmalzahlungen zu reden, "halte ich für etwas frivol", meinte Rauch außerdem, und "noch frivoler" sei es, zu behaupten, dass diese einer Alleinerzieherin oder einem Pensionisten nichts nutzen.
Debatte um "alternativlose" Russland-Sanktionen
Die Freiheitlichen wollen vor allem Vorhaben der Regierung stoppen: Per Fristsetzungsantrag versuchen die Blauen, das Inkrafttreten der CO₂-Besteuerung Anfang Oktober zu verhindern. Diese sei "ein Unding in dieser Zeit", assistierte Verkehrssprecher Christian Hafenecker bereits am Dienstag. "Das kann man nur wollen, wenn man dem Land etwas Schlechtes möchte".
Auch die Sanktionen gegen Russland aufgrund des Ukraine-Kriegs sollen beendet werden, findet die FPÖ. Das letzte Wort hätten hier aber die Wählerinnen und Wähler: Die FPÖ bringt, wie von Parteichef Herbert Kickl angekündigt, einen Antrag auf die Abhaltung einer Volksbefragung über die Sanktionen ein. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erklärte die Sanktionen einmal mehr für "alternativlos".
Es sei "ganz klar ein russisches Narrativ", sogar Propaganda, wenn verbreitet werde, dass die Sanktionen gegen Russland nicht wirken würden. Putin habe selbst gesagt, dass Europa mit den Sanktionen aufhören solle, damit Russland wieder Gas liefere. "Wir befinden uns in einem Wirtschafts- und Informationskrieg mit Putin. Wenn wir jetzt nachgeben, haben wir nichts erreicht."
Der russische Präsident würde durch ein Ende der Sanktionen nicht aufhören, die Gaslieferungen als Druckmittel zu verwenden, zeigt sich Edtstadler sicher. "Und ich weiß, dass Sie auch nicht davon ausgehen würden, dass Plünderungen, Vergewaltigungen und Folter plötzlich aufhören würden", sagte die Europaministerin in Richtung FPÖ-Chef Kickl.
Mit den Ängsten der Menschen zu spielen, sei "erbärmlich", befand der ÖVP-Abgeordnete Reinhold Lopatka. Es sei aber eine nahtlose Fortsetzung der Politik des FPÖ-Chefs, der in der Pandemie "Pferdeentwurmungsmittel" empfohlen habe, so Lopatka: "Wir können dieser Art von Politik nur eine Abfuhr erteilen."
FPÖ will "Festung Österreich" mit Grenzzaun
In der von den Freiheitlichen beantragten "Aktuellen Europastunde" fordern die Blauen den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips in der EU und dass die Republik zur "Festung Österreich" ausgebaut werden soll. Unter anderem brauche es einen Grenzzaun in Richtung Osten, die Anpassung der Genfer Flüchtlingskonvention, die Einführung eines strafrechtlichen Delikts Asylbetrug sowie die Regelung, dass Asyl nur mehr auf dem Herkunftskontinent beantragt werden könne.
Asylberechtigten soll außerdem der Zugang zur Staatsbürgerschaft verwehrt bleiben: "Asyl ist Schutz auf Zeit", meinte die blaue Klubobmann-Stellvertreterin Dagmar Belakowitsch. Man greife der Regierung unter die Arme, indem man darüber abstimmen lasse, dass Asylwerber und Häftlinge den Klima- und Teuerungsbonus von 500 Euro nicht erhalten sollen, erklärte FPÖ-Chef Kickl im Plenum.
Energiekosten: SPÖ will mehr, Neos weniger Staat
Über allem stand einmal mehr das Thema Energiekostenn. SPÖ-Klubchef Leichtfried sprach hier der Regierung bereits am Dienstag leises Lob aus, scheine doch langsam auch dort die Erkenntnis zu reifen, dass es nicht ohne staatliche Eingriffe gehe. Ein weiteres Mal warb er dafür, dass die EU gemeinsam Gas für alle Mitgliedsstaaten kaufe und diese dann an die Mitgliedsstaaten weitergebe. Dieses Modell sollte für zwei Jahre gelten und in dieser Zeit sollte die Merit Order reformiert werden. "Wischen Sie die Vorschläge der SPÖ nicht einfach weg, wie Sie es in der letzter Zeit getan haben", forderte der rote Gewerkschafter Josef Muchitsch im Plenum.
In eine ganz andere Richtung zielte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und kritisierte die mangelnde Treffsicherheit der Regierungsmaßnahmen. Die Regierung packe "aus Angst" vor den Wählern und der Konkurrenz die "Gießkanne" aus, kritisierte Meinl-Reisinger am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Notwendig wäre die Senkung von Steuern und Lohnnebenkosten, forderte sie abermals.
"Der Staat kann nicht alles richten", aber er könne einen "Stoßdämpfer" bieten. Vor allem der auf 500 Euro aufgefettete Klimabonus stört die NEOS. "Wir fragen uns natürlich, warum es einen Klimabonus für Nationalratsabgeordnete gibt", unterstrich Meinl-Reisinger. Auch Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker glaubt, die Leute hätten "keine Lust drauf, gesponsert zu werden und gnädig 500 Euro zu bekommen", während die Abgabenlast derart hoch sei.
Gezieltere und transparentere Corona-Hilfen
Außerdem muss der Bundesrechnungsabschluss 2021 besprochen werden. Unter dem Strich ergab sich 2021 ein Defizit von 19,6 Milliarden Euro in der Ergebnisrechnung. Der Nettofinanzierungssaldo in Höhe von fast -18 Milliarden Euro fiel deutlich besser aus als der Voranschlag von -30,7 Milliarden Euro.
Rechnungshofspräsidentin Margit Kraker forderte im Budgetausschuss am Dienstag gegenüber den Abgeordneten echte Strukturreformen etwa im Pflege-, Bildungs-, Pensions- und Gesundheitsbereich ein. Bei staatlichen Corona-Hilfen muss aus Sicht des Rechnungshofes nun der Fokus geändert werden: Statt der bisher breit angelegten Unterstützung, plädierte Kraker nun für eine zielgerichtete, treffsichere und temporäre Hilfe.
Damit diese künftig auch nachvollzogen werden kann, schickt die Regierung heute eine Novelle zum Transparenzdatenbankgesetz ins Plenum. Vom Bund gewährte Corona-Förderungen für Betriebe werden künftig in der Datenbank ausgewiesen. Und auch Leistungen aus dem NPO-Unterstützungsfonds sollen öffentlich gemacht werden. Sie sollen - ab dem Grenzwert von 1.500 Euro pro Kalenderjahr - auf der Webseite des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport veröffentlicht werden.
Zu Beginn der Sitzung nahm Nationalratspräsident Sobotka die Angelobung des neuen ÖVP-Abgeordneten Karl Schmidhofer vor. Er folgt auf Gabriela Schwarz, die im Zuge der steirischen Regierungsumbildung Volksanwältin geworden ist.