"Keine tragfähige Basis für verantwortbaren Wirtschaftsunterricht" ist für die wirtschaftspädagogischen Forschungs- und Lehreinheiten an den Unis der Lehrplan-Entwurf für Geografie und wirtschaftliche Bildung. Er enthalte "empfindliche inhaltliche Auslassungen" und setze "auf die irregeleitete Hoffnung, man könne junge Menschen kritikfähig machen, wenn man ihnen Werte vermittelt, ohne die für kompetentes Werten unverzichtbaren kognitiven Grundqualifikationen mitzuvermitteln."
Derzeit sind die neuen Lehrpläne für alle Fächer der Volksschule, Mittelschule und AHS-Unterstufe in Begutachtung. Sie werden seit 2018 erarbeitet und sollen ab 2023/24 gelten. Technisch sind sie Verordnungen, die vom jeweiligen Bildungsminister erlassen werden. Unter ihnen ist auch jener für "Geographie und wirtschaftliche Bildung" (derzeit "Geographie und Wirtschaftskunde") in der Mittelschule/AHS-Unterstufe (in der Volksschule gibt es kein eigenes Fach, Anm.).
"Wirtschaftsteil erstaunlich substanzlos"
Zwar sei in dem Entwurf das "Bemühen, die Lernbereiche Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu vernetzen, dem Leitziel der Mündigkeit pädagogisch zuzuarbeiten und insbesondere den Nachhaltigkeitsgedanken bei jungen Menschen zu verankern, deutlich erkennbar", schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Unis Wien, Graz, Innsbruck, Linz und der Wirtschaftsuniversität (WU). "In seinen wirtschaftsbezogenen Teilen ist der Lehrplanentwurf jedoch fachlich erstaunlich substanzlos."
So finde sich etwa unter den sechs als zentral ausgegebenen fachlichen Konzepten kein einziges ökonomisches Konzept. "Wichtige ökonomische Kompetenzen und Inhalte werden nur am Rande berücksichtigt oder fehlen gänzlich." Vor allem würde den Kindern "anspruchsvolle Urteilsleistungen abverlangt, ohne dass der Entwurf absichern würde, dass auch die dafür nötigen ökonomischen Sachkenntnisse vermittelt werden". Die einzelnen wirtschaftlichen Rollen würden "ungleichgewichtig adressiert, die unternehmerische Entscheidungsperspektive ist deutlich unterrepräsentiert".
"Ökonomische Kompetenzen rudimentär"
Die Fachlehrpläne würden generell vor allem "Kompetenzen" auflisten, die Lehrinhaltsangaben aber sehr unkonkret bleiben, monieren die Wirtschaftspädagogik-Professorinnen und -Professoren. "Äußerst bedenklich" finden sie, wie viele ökonomische Kompetenzen und Inhalte im Lehrplanentwurf "entweder nur rudimentär berücksichtigt oder überhaupt nicht angesprochen werden" – unter anderem nennen sie die Bedeutung funktionierender Märkte für die Wohlfahrt, die Auswirkungen von Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkungen auf Preise, Qualitäten, Kosten und Innovationen, die Produktion und Finanzierung öffentlicher Güter, die Vor- und Nachteile staatlicher Regulierung und Staatsversagen, aber auch wirtschaftsrechtliches Grundwissen vor allem auch für Verbraucher wie etwa Vertragsrecht.
Auch WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger sieht eine "große Chance vertan". "Das Verstehen wirtschaftlicher Zusammenhänge ist für Menschen jeden Alters essenziell. Die wirtschaftliche Wissensvermittlung im Unterricht ist in Österreich – positiv formuliert – sehr ausbaufähig."