Tirols scheidender Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) schießt scharf gegen das Ministerium von Vizekanzler Werner Kogler, weil dieses die VP-Jungbauernorganisation dazu auffordert, mehr als 800.000 Euro an zu Unrecht bezogenen Corona-Hilfsgeldern zurückzuzahlen.
"Wer hat einen Fehler begangen? Die ehrenamtlichen Jungbauern, die einen Antrag gestellt haben, oder das Grüne-Vizekanzleramt, das das Geld ohne Wenn und Aber ausbezahlt hat?", fragt sich Tirols Landeshauptmann. "Für mich steht seit heute fest, dass das Grüne-Vizekanzleramt die Anträge aus dem NPO-Fonds unzureichend behandelt und den eigenen Prüfauftrag zu wenig ernst genommen hat. Mitten im Tiroler Landtagswahlkampf wird nun versucht, der Jungbauernschaft/Landjugend einen politischen Skandal unterzuschieben."
Jungbauernschaft und Landjugend ident mit Bauernbund
Seit dem Frühjahr 2020 können Non-Profit-Organisationen aus dem bei Kogler angesiedelten "Non-Profit-Organisationen-Unterstützungsfonds" Mittel beantragen, um besser durch die Coronakrise zu kommen. Parteien und ihre Teilorganisationen sind von diesem Topf eigentlich ausgeschlossen, dennoch haben mehrere parteinahe, vor allem ÖVP-nahe Organisationen davon profitiert, wie eine Anfrage der Neos aufdeckte. Kogler kündigte daraufhin vertiefte Prüfungen mit der abwickelnden Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS) an, einige weitere davon sind nun abgeschlossen.
Größtenteils fertig geprüft hat man demnach die Förderungen an die Organisationen der Tiroler "Jungbauernschaft/Landjugend". Im Zuge dieser Prüfung hätten 120 Orts- und Bezirksvereine der Tiroler "Jungbauernschaft/Landjugend" gleichlautende Stellungnahmen und Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass sie dem Tiroler Bauernbund zuzurechnen und damit selbst als Teilorganisation im Sinne des Parteiengesetzes zu qualifizieren seien, hieß es aus Koglers Ressort. "Insbesondere bezeichnen sich diese Vereine selbst als Zweigvereine des Hauptvereins Tiroler Bauernbund, der sowohl laut Eigenbeschreibung als auch laut Statuten der ÖVP Tirol eine Teilorganisation der ÖVP Tirol ist." Den Teilvereinen würden auch wesentliche Elemente ihrer Statuten vorgeschrieben. Von diesen 120 Teilvereinen werden daher die Förderungen des NPO-Fonds in der Höhe von insgesamt 816.752,15 Euro zurückgefordert.
Platter: Kein Zweifel an Gemeinnützigkeit
Drei weitere Vereine der Tiroler "Jungbauernschaft/Landjugend", die möglicherweise ebenfalls dem Tiroler Bauernbund zuzurechnen seien, hätten anderslautende Stellungnahme vorgelegt, daher seien weitere Unterlagen angefordert worden. Und von acht weiteren Vereinen der Tiroler "Jungbauernschaft/Landjugend" seien bereits "aufgrund fehlender Rückmeldungen, die einen Verstoß gegen die vertragliche Verpflichtung zur umfassenden Mitwirkung bei Kontrollen darstellen", Förderungen in der Höhe von rund 57.000 Euro zurückgefordert worden, 9000 Euro davon wurden bereits zurückgezahlt.
Ausgesprochen heftig reagierte Tirols Noch-Landeshauptmann Platter auf die Rückzahlungsaufforderung. Die Jungbauern seien ein "nicht wegzudenkender Bestandteil des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens in Tirol", an ihrer "Gemeinnützigkeit" bestehe "überhaupt kein Zweifel", sagte Platter, der sich im laufenden Landtagswahlkampf sonst öffentlich großteils zurücknimmt. "Es ist deshalb geradezu absurd, dass die größte Jugendorganisation unseres Landes jetzt den Preis für die offensichtliche Unfähigkeit der im Grünen-Vizekanzleramt angesiedelten Förderabwicklungsstelle zahlen soll", schoss Platter scharf in Richtung Wien und Koalitionspartner. Immerhin sei das Geld nach erster Prüfung "ohne Bedenken ausbezahlt" worden, hielt Platter fest.
Dass die Prüfung am heutigen Montag abgeschlossen wurde, war für Platter kein Zufall: "13 Tage vor der Tiroler Landtagswahl und drei Tage bevor die Wiener Opposition den Tiroler Landjugendobmann Dominik Traxl nach Wien in den U-Ausschuss lädt", bemerkte er. "Für mich steht seit heute fest, dass das Grüne-Vizekanzleramt die Anträge aus dem NPO-Fonds unzureichend behandelt und den eigenen Prüfauftrag zu wenig ernst genommen hat", so Platter weiter, der "Missmanagement" in Wien ortete.
SPÖ: Republik "kein türkiser Geldautomat"
Die Prüfungen der "Seniorenbund"-Landesorganisationen Oberösterreich, Kärnten, Tirol und Wien, die jeweils umfangreiche Unterlagen übermittelt hätten, seien noch im Laufen. Vom Seniorenbund Vorarlberg wurde bereits im Juli der Förderbetrag von knapp 25.000 Euro zurückgefordert.
Scharfe Kritik an der ÖVP kam erwartungsgemäß von der Opposition. "Die Republik ist kein Selbstbedienungsladen, auch wenn die österreichische Volkspartei das seit Jahrzehnten so handhabt und ohne Genierer in jeden Steuertopf greift", kritisierte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Aussendung. "Wenn die ÖVP noch einen letzten Funken Anstand besitzt, zahlt sie alle zu Unrecht bezogenen Förderungen sofort zurück."
Die "Schamlosigkeit des ÖVP-Fördergeldmissbrauchs ist beispiellos", befand auch FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker in einer Aussendung. "Was sich hier offenbart, ist ein schwarzes Sittenbild, voll von Abkassierermentalität und moralischer Verkommenheit. Hafenecker vermutete zudem, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Prüfergebnisse kurz vor der Tiroler Landtagswahl und den Auftritten der Tiroler Protagonisten im Untersuchungsausschuss diese Woche "wohl kein Zufall" sei. Dies zeige, "dass die ÖVP handlungsunfähig und die schwarz-grüne Koalition am Ende ist".
Er fordere ÖVP-Chef Kanzler Karl Nehammer seit Monaten auf, alle zu Unrecht erhaltenen Förderungen zurückzuzahlen, meinte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch – doch der schon wieder vollkommen abgetauchte ÖVP-Chef spiele auf Zeit und zeige einmal mehr, "dass er keinen Anstand und keine Moral hat". Die Republik sei "kein türkiser Geldautomat", betonte Deutsch per Aussendung.