Nach eineinhalb Monaten kehrte der U-Ausschuss am Dienstag aus der Sommerpause zurück. An den ersten beiden Ausschusstagen soll Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas beleuchtet werden – und damit auch die Nähe der OMV zu Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin.
Als erste und auch einzige Auskunftsperson war Gerhard Roiss geladen, der zwischen 2011 und 2015 Vorstandsvorsitzender der OMV war. Er schied unfreiwillig aus dem Unternehmen aus und hatte die Russland-freundliche Ausrichtung der OMV vor allem unter seinem Nachfolger Rainer Seele in den letzten Monaten wiederholt öffentlich kritisiert.
Vor dem U-Ausschuss zeigte Roiss kein Verständnis dafür, dass unter Rainer Seele die Lieferverträge mit Gazprom vorzeitig und bis zum Jahr 2040 verlängert worden sein sollen. Er selbst hätte so einen Vertrag nicht unterzeichnet. Bei der Vertragsunterzeichnung im Jahr 2018 waren auch Wladimir Putin und Sebastian Kurz dabei.
Roiss gab Einblick, wie es zu seiner Ablöse kam. Die ÖIAG, der Vorgänger der Beteiligungsgesellschaft Öbag, habe ihm 2014 mitgeteilt, dass sein Vertrag nicht verlängert würde. Er selbst sei gegen weitere Investments in Russland gewesen, habe aber über die Medien erfahren, dass bereits Verträge mit Gazprom verhandelt werden. Bundeskanzler war damals Werner Faymann (SPÖ), Reinhold Mitterlehner hatte Michael Spindelegger gerade als Vizekanzler und ÖVP-Chef abgelöst. Aufsichtsratschef der staatlichen Industrieholding ÖIAG war zu der Zeit Siegfried Wolf. Der soll laut Roiss mit dessen Zurückhaltung bei Investitionen in Russland nicht einverstanden gewesen sein. Zweimal habe er ihm direkt gesagt, dass "die OMV-Strategie nicht passt".
Bis zu seinem tatsächlichen Ausscheiden im Juni 2015 sei er "einfach kaltgestellt" worden, erzählte Roiss in mehreren Interviews: Er sei als damaliger Generaldirektor nicht mehr berechtigt gewesen, "Entscheidungen gegen den designierten Nachfolger (Anm.: Rainer Seele) zu treffen".
Ohne sein Wissen sei etwa verhandelt worden, dass die norwegischen Gasfelder der OMV gegen eine Beteiligung in Russland getauscht werden sollten. Der geplante Tausch "wurde von der norwegischen Regierung 2018 glücklicherweise gestoppt", sonst würde die Abhängigkeit von russischem Gas heute bei 90 oder 95 Prozent liegen, meinte Roiss. Es sei damals schon erkennbar gewesen, dass Gazprom versucht habe, Marktpositionen in Europa aufzubauen, so Roiss.
Grüne: Haben "Russland-Connection" übersehen
Für Diskussionen sorgte im U-Ausschuss, dass die Fraktionsführerin der Grünen, Nina Tomaselli, Siegfried Wolfs "sehr starkes Russland-Engagement" in Zusammenhang mit Wolfs Steuerakt – und damit mit der ÖVP – brachte. Auf Intervention von Thomas Schmid hin soll ihm die Finanz ja Hunderttausende Euro an Steuern erspart haben.
In der Sommerpause habe sich der Verdacht erhärtet, dass man bezüglich der "Russland-Connection" etwas übersehen habe, sagte Tomaselli vor der Sitzung. "Altkanzler Kurz und sein Machtzirkel haben Österreich mit ihrer Russland-Politik in eine gefährliche Situation manövriert", sagte sie. Man habe Österreich in eine "völlig unerträgliche Abhängigkeit von russischem Gas getrieben", indem der Vertrag bis 2040 verlängert wurde. Die Frage laute: "Wer hat davon profitiert, was waren die Gegengeschäfte und warum hat man sich gegen eine saubere, Putin-freie Energie entschieden?" Der "Kuschelkurs mit Putin" sei dafür verantwortlich, "dass Österreich empfindlich erpressbar geworden ist".
Die Neos, denen die Aufklärung der Gas-Abhängigkeit ein besonderes Anliegen ist, wollten aufklären, in wessen Interesse die "absolut kritische Infrastruktur" der OMV in Richtung Russland gebunden wurde, sagte Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper vor Sitzungsstart: "Die Bindung an Russland war nicht im Interesse der Republik." Es sei im Interesse der ÖVP gewesen, sich "scheinbare Freunde in Moskau" zu machen, so Krisper. Das zeige sich unter anderem in der (ehemaligen) Aufsichtsratstätigkeit von Ex-ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel beim russischen Ölkonzern Lukoil oder einem kolportierten Beratervertrag bei Gazprom des Ex-Finanzministers Hans Jörg Schelling. Sie erinnerte aber auch an die ehemalige Tätigkeit von Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) bei der russischen Staatsbahn RZD sowie auf Ex-Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ), die im Aufsichtsrat des russischen Mineralölkonzerns Rosneft tätig war.
SPÖ will Karner laden
Auch SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer sagte zum Auftakt, man werde sich diese Vorgänge anschauen. Der Abgeordnete rückte aber vor allem seine Verärgerung über Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in den Mittelpunkt: Denn dieser weigere sich, den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium und Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid im U-Ausschuss vorzuführen. Schmid habe seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, sei dort geladen worden, ist aber nicht erschienen. Und er habe die Ladung erhalten, das habe dieser sogar selbst vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgesagt, sagte Krainer. Trotzdem habe Karner am gestrigen Montag dem U-Ausschuss mitgeteilt, Schmid nicht vorzuführen, da die Ladung nicht zugestellt worden sei. Man werde daher nun noch am heutigen Dienstag einen Antrag auf zeitnahe Ladung von Karner in den U-Ausschuss stellen, sagte Krainer.
ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger kritisierte vor allem, dass das Thema der OMV überhaupt im U-Ausschuss debattiert wird. "Der Rechtsrahmen des U-Ausschusses gibt die heutigen Befragungen überhaupt nicht her", sagte er. Man wolle aber nicht, dass der Eindruck entsteht, dass Aufklärungsarbeit behindert wird, betonte er gleichzeitig. Aber er werde "sehr wohl die Geschäftsordnung bemühen", denn man könne nicht "Kraut und Rüben" abfragen – vorbei am eigentlichen Untersuchungsgegenstand. Man untersuche heute offensichtlich "die OMV und wie es dazu kommen konnte, dass es diese Abhängigkeit von russischem Gas gibt – das hat mit Vollziehung des Bundes überhaupt nichts zu tun", sagte der ÖVP-Fraktionsführer.
Seitens der FPÖ betonte Abgeordneter Christian Ries, es gehe um "seriöse Aufklärung, inwieweit es seitens der ÖVP Einflussnahme auf staatsnahe Betriebe gab".
Sebastian Kurz kommt am 28. September
In der Woche vom 12. September kommt es dann zunächst zu von der ÖVP gewünschten Ladungen. Ziel ist es, mögliche parteipolitische Umfragen unter Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ) zu beleuchten. Am Mittwoch (14. September) ist dazu Ex-Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) geladen, ebenso der ehemalige Wiener Landtagsabgeordnete Siegfried Lindenmayr (SPÖ) und eine frühere Mitarbeiterin des roten Bundeskanzleramts. Tags darauf sind Ladungen der Opposition eingeplant, als Auskunftspersonen vorgesehen sind der Tiroler ÖVP-Landesgeschäftsführer Martin Malaun, Tirols Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler und Jungbauern-Landeschef Dominik Traxl.
Eine Zusage für seine Ladung am 28. September gibt es unterdessen von Ex-Kanzler Kurz. Ebenso ihr Kommen an diesem Tag zugesagt haben Ex-ÖVP-Generalsekretär Alexander Melchior und der Tiroler Seilbahnenchef und ÖVP-Abgeordnete Franz Hörl.
Roiss' Nachfolger, Rainer Seele, war für heute zwar geladen. Da er aber keinen Wohnsitz in Österreich mehr hat, konnte ihm die Ladung nicht zugestellt werden. Kurzfristig sagte auch die frühere Betriebsratschefin der OMV, Christine Asperger, ab, deren Befragung für den Nachmittag eingeplant war. Sie führte laut Auskunft aus den Fraktionen gesundheitliche Gründe an.