"Das Leben ist zu kurz, um schirche Bilder zu machen", erklärte Amtsinhaber Alexander Van der Bellen den Umstand, warum er sich mit den benötigten Unterstützungserklärungen nicht vor der Wahlbehörde ablichten ließ – immerhin sei dort eine Baustelle. 24.500 Unterschriften hätten er und sein Team gesammelt, erklärte der 78-Jährige, der somit als sechster Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl am 9. Oktober feststehen dürfte.
Bis heute, 17 Uhr, konnten weitere Kandidaten die benötigten 6000 Unterstützungserklärungen abgeben. GEA-Gründer Heinrich Staudinger hat das letzter Bewerber für die Hofburg geschafft. Sieben Kandidaten sind Rekord für eine Bundespräsidentschaftswahl in Österreich. Mit Robert Marschall, Wolfgang Ottowitz, David Packer und Peter Schutte scheiterten vier weitere Männer an der Hürde, 6000 Unterstützungserklärungen zu sammeln. Einen Wahlvorschlag gaben sie dennoch ab.
Freitag und Samstag werden die Unterstützungserklärungen von der Wahlbehörde geprüft und gezählt. Kandidaten, die zu wenig haben, können um eine Nachfrist bis Dienstag ansuchen. Ob diese gewährt wird, entscheidet die Behörde am Samstagabend. Auch zahlreiche Privatpersonen und Vertreter kleinerer Initiativen haben versucht, auf den Stimmzettel zu kommen – von ihnen dürfte es voraussichtlich niemand schaffen.
Die Wahlbehörde zählt nur bis 6.000 Unterschriften. Die Frage, wie viel Unterstützung die Kandidaten bisher sammeln konnten, können daher nur die Kandidaten selbst beantworten. Ohnehin sagt die Zahl der Unterstützungserklärungen noch lange nichts über die Erfolgschancen der Antretenden aus – immerhin muss das Staatsoberhaupt (notfalls in einer Stichwahl) mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen hinter sich versammeln. Amtsinhaber Alexander Van der Bellen hatte bei seinem Sieg über den nunmehrigen dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer zu Beispiel fast 2,5 Millionen Stimmen erhalten. Neben Van der Bellen stellen sich heuer sechs weitere Kandidaten dieser Herausforderung:
Alexander Van der Bellen
Als Amtsinhaber geht der frühere Grünen-Chef Van der Bellen naturgemäß als Favorit ins Rennen um die Hofburg. Der Sohn russisch-estnischer Eltern wurde 1944 in Wien geboren, wuchs dann aber im Tiroler Kaunertal auf. Als Wirtschaftsprofessor war der Volkswirt an den Universitäten Wien und Innsbruck tätig, mit 50 Jahren verschlug es ihn in die Politik.
Für die Grünen saß er ab 1994 im Nationalrat, ab 1997 war er der Chef der Ökopartei. Nach Verlusten bei der Wahl 2008 trat er als Bundessprecher zurück, 2012 wechselte er in den Wiener Gemeinderat. 2016 trat der heute 78-Jährige als unabhängiger Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten an. Mit deutlicher Unterstützung von den Grünen, SPÖ, Neos und Teilen der ÖVP setzte er sich in der Stichwahl gegen den FPÖ-Kandidaten Hofer durch.
Walter Rosenkranz (FPÖ)
Walter Rosenkranz ist seit 1. Juli 2019 Volksanwalt – ein Posten, für den er (wie für die Hofburgwahl auch) von der FPÖ nominiert wurde. Der 60-jährige Rechtsanwalt hat bereits eine lange Partei- und Politikkarriere hinter sich: Schon in der Freiheitlichen Studenteninitiative brachte er es zum Bundesobmann, dann kam er über den Kremser Gemeinderat und die Wiener FPÖ (als Hausjurist) in den Nationalrat.
2008 bis 2019 war Rosenkranz freiheitlicher Abgeordneter, von 2017 bis 2019 unter Heinz-Christian Strache auch geschäftsführender Klubobmann. Außerdem führte er von 2013 bis 2019 die niederösterreichische Landespartei. Studiert hat der am 29. Juli 1962 in Krems geborene Rosenkranz in Wien nicht nur die Rechtswissenschaften, sondern parallel auch zwei Jahre das Konzertfach Gitarre an der Hochschule. Der 60-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
Michael Brunner (MFG)
Der 61-jährige Jurist (geboren am 12. November 1960) Michael Brunner kam über den Protest gegen die Coronamaßnahmen in die Politik. In Erscheinung trat der Rechtsanwalt mit seiner Kanzlei in Wien mit zahlreichen Verfassungsbeschwerden gegen die Schutzmaßnahmen.
Im Februar 2021 war Brunner dann einer der Mitbegründer und ist jetzt Bundesobmann der Partei MFG (Menschen – Freiheit – Grundrechte). Sie trat im Herbst 2021 erfolgreich bei der Oberösterreich-Wahl an: Auf Anhieb zogen die Impfskeptiker mit mehr als 50.000 Stimmen (6,2 Prozent) in den Landtag ein. Bei den Tiroler Kommunalwahlen im heurigen Februar gelang zwar weitgehend der Einzug in die Gemeinderäte, auf Bürgermeister-Ebene war allerdings kein MFG-Kandidat erfolgreich.
Dominik Wlazny (Bier)
Besser bekannt als "Marco Pogo", Sänger und Komponist der Punkrock-Band Turbobier, strebt Dominik Wlazny unter bürgerlichem Namen die Hofburg-Kandidatur an. Der (nicht praktizierende) Arzt impfte in Wiener Impfstraßen und auch vor seinem Konzert in der Arena gegen Corona. Das Medizinstudium in Wien hat er 2012 abgeschlossen. Mit 35 Jahren (geboren am 27. Dezember 1986) ist er der jüngste jemals angetretene Bundespräsidentschaftskandidat.
Für die Musik entschied er sich während seiner Zeit als Turnusarzt – und kam vom Punk zur Politik: 2015 gründete er – wegen eines gleichnamigen Songs – die Bierpartei, zum Spaß. 2019 machte er Ernst damit: Bei der Nationalratswahl 2019 schaffte Wlazny die Kandidatur in Wien und holte fast 5.000 Stimmen. Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 waren es schon rund 13.100, nicht genug für den Landtagseinzug, aber für den Einzug in einige Bezirksvertretungen. Seither ist Wlazny Bezirksrat in Simmering.
Tassilo Wallentin
Der Wiener Rechtsanwalt und frühere "Krone"-Kolumnist Tassilo Wallentin tritt als unabhängiger Kandidat an – und nicht, wie im Vorfeld erwartet worden war, als Kandidat der FPÖ. Diese wollte den Rechtsanwalt 2018 zum Verfassungsrichter machen, aber angesichts großer Vorbehalte des Koalitionspartners ÖVP und des amtierenden Bundespräsidenten Van der Bellen verzichtete Wallentin.
Grund für die Skepsis waren seine sonntäglichen Kolumnen in der "Kronen Zeitung", in denen er immer wieder mit Angriffen auf die EU auffiel. Die Kolumnen in der "Krone" – deren Gründer Hans Dichand der Anwalt über Jahre vertreten hat – wurden nun eingestellt. Der steirische Milliardär Frank Stronach ließ für Wallentin aber ein dreiseitiges Inserat in der Sonntags-"Krone" schalten – inklusive Unterstützungserklärung zum Ausschneiden. Für Aufregung sorgten sexistische Instagram-Postings des Wiener Anwalts.
Gerald Grosz
Der 45-jährige Steirer Gerald Grosz ist mittlerweile Blogger, hat aber eine lange Karriere in der Politik hinter sich – erst bei der FPÖ und dann bei Jörg Haiders BZÖ. Zur FPÖ kam er schon 1992, über den Ring Freiheitlicher Jugend. Nach der Schule absolvierte Grosz eine kaufmännische Lehre in einer Grazer Werbefirma, 1999 wurde er parlamentarischer Mitarbeiter im FPÖ-Klub. Von 2000 bis 2005 war er Pressesprecher von FPÖ-Regierungsmitgliedern (Herbert Haupt und Sigisbert Dolinschek).
2005 wechselte er zum neuen BZÖ, wo er in zahlreichen Funktionen tätig war, u. a. als Steiermark-Chef, Generalsekretär, Grazer Gemeinderat, Nationalratsabgeordneter (2008 bis 2013) – und nach dem verpassten Wiedereinzug 2013 als Parteichef. 2015 zog er sich aus der Partei zurück und wurde Unternehmer und Blogger. Grozs – geboren am 15. Februar 1977 in Graz – ist seit 2013 mit seinem Lebensgefährten verpartnert.
Heinrich Staudinger
Geboren am 5. April 1953 und aufgewachsen in Oberösterreich, ist Heinrich Staudinger mit den "Waldviertler Schuhen" bekannt geworden. Studien hat er mehrere (u. a. Medizin) begonnen, aber keines abgeschlossen. Stattdessen gründete er 1980 in der Lange Gasse in Wien-Josefstadt ein Schuhgeschäft, beteiligte sich an der Schremser Waldviertler Schuhwerkstatt – und legte damit den Grundstein zum Unternehmen GEA mit mittlerweile mehr als 50 Filialen in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Bekannt geworden ist der 69-Jährige nicht nur mit Schuhen, Möbeln und Naturmatratzen, sondern auch als "Schuhrebell" durch seinen öffentlichen Konflikt mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) über sein alternatives Finanzierungsmodell – der auch den Anstoß gab für das 2015 in Kraft getretene Crowfunding-Gesetz. Im Zuge der Debatte um die Corona-Impfpflicht gehörte er zu jenen Prominenten, die die Regierung aufforderten, die Diskriminierung Ungeimpfter zu beenden.