Am Mittwochvormittag fand die Bundesregierung eine Einigung zur Rettung der in Turbulenzen geratenen Wien Energie: Der Bund stellt der Stadt Wien eine Kreditlinie über zwei Milliarden Euro zur Verfügung, die diese bis April 2023 abrufen kann, um dem Wiener Energieversorger im Notfall binnen zwei Stunden unter die Arme zu greifen. Abgewickelt wird über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA).
Dafür erhält der Bund Einsichtsrechte. Der Vertrag deckt maximal zwei Milliarden Euro, "sollte es mehr Bedarf geben, ist dies nicht vom Vertrag gedeckt", betonte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz im Kanzleramt am Mittwochvormittag.
Es wurde ein Darlehensvertrag zwischen dem Land Wien und dem Bund unterzeichnet, damit Wien nun seiner Verantwortung nachkommen und der Wien Energie die notwendige Stabilität und Liquidität gewährleisten kann, erklärte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). Es gehe darum, "dass zwei Millionen Menschen Sicherheit haben, dass ihnen in der Wohnung nicht das Licht ausgeht und Unternehmen entsprechend wirtschaften können".
Das alles sei in den letzten 72 Stunden passiert. "Das war sowohl für uns als auch an sich ungewöhnlich", sagt Nehammer - und kündigt eine Überprüfung der Vorgänge in Wien an: Es sei eine Rettungsmaßnahme mit Bedingungen.
Allerdings sei die Versorgungssicherheit ohnehin nie beeinträchtigt gewesen, betonte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der - wie alle anderen Vertreter der Stadt - bei der Pressekonferenz nicht anwesend war, da er "nicht eingeladen war", wie er betonte.
Einsichts- und Aufsichtsrechte
In der Nacht auf heute habe man den finalen Kreditvertrag ausgehandelt, der heute Früh unterschrieben wurde, erklärt Finanzminister Brunner. Innerhalb von zwei Stunden könne die Stadt Wien dadurch eine Kreditlinie von zwei Milliarden Euro abrufen, wenn die Wien Energie dies benötigt. Abgewickelt wird über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA). "Sollte es mehr Bedarf geben, ist dies nicht vom Vertrag gedeckt", betont Brunner. Die Kreditlinie läuft bis zum April 2023, danach müsse das Geld zurückgezahlt werden.
Der Bund erhält dafür Einsichtsrechte in das Unternehmen, eine Berichtspflicht über die Sicherstellung der Energieversorgung der zwei Millionen Kunden an den Bund - und die Vorgänge innerhalb der Wien Energie müssen aufgeklärt werden. Außerdem entsendet der Bund für die Dauer der Kreditlinie einen Vertreter in das Aufsichtsratsgremium der Wien Energie.
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) stellte eine Ausweitung der Kompetenzen der Regulierungsbehörde E-Control in den Raum. Die Behörde sei dafür zuständig, dass der Strommarkt ohne Marktmanipulationen funktioniert, habe aber keine Informationsrechte oder Einsicht bei den einzelnen Unternehmen. Es sei daher notwendig, "sich darüber zu unterhalten, ob es hier eine Ausweitung der Kompetenzen der E-Control braucht", so die Ministerin. Zur Strompreisbremse kündigte Gewessler eine Präsentation "in den nächsten Tagen" an.
Spekulation um Spekulationen
Es seien auch einige Fragen offen geblieben, betonte Finanzminister Brunner - etwa, ob in der Wien Energie spekuliert worden sei und ob es ausreichende Kontrolle gab. Auch der Leiter der Wolfgang Peschorn, der den Vertrag als "Anwalt der Republik" für den Bund verhandelt hatte, kann sich die Turbulenzen der Wien Energie nicht nur mit Marktmechanismen erklären. Man wolle diese Fragen beantwortet bekommen, "so, dass es jeder versteht", so Peschorn.
Spekulationsvorwürfe wies die Wien Energie am Dienstag in einer Aussendung zurück. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte eine Sonderprüfung der Organe von Wien Energie und Stadtwerken durch den Stadtrechnungshof und externe Gutachter an. "Ich möchte damit zeigen, dass es nichts zu verbergen gibt", so Ludwig.
Wien legt Handelsgeschäfte offen
Vertreter der Stadt Wien waren bei der Regierungspressekonferenz nicht dabei. Auf Wunsch Wiens wurde im Vertrag vereinbart, dass alle Handelsgeschäfte der Wien Energie von 1.1.2020 bis jetzt offengelegt werden, so der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ). Bis 15. September werden die Unterlagen übergeben. Den Wunsch des Finanzministeriums, einen Vertreter im Aufsichtsgremium zu bestellen, "nehmen wir zur Kenntnis", so Hanke.
Derzeit sehe es daher so aus, dass das Abrufen der Mittel aus dem Schutzschirm nicht notwendig sei: Am Montag seien 1,75 Mrd. Euro notwendig gewesen, gestern habe man 800 Mio. Euro zurückbekommen und heute weitere 530 Mio. Euro. Das könne sich aber aufgrund der hohen Volatilität des Marktes aber auch sehr rasch wieder ändern, so Hanke.