ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager hatte am gestrigen Montag gemeint, dass die Rahmenbedingungen auch über andere Einzelgesetze geändert werden können und ein Klimaschutzgesetz lediglich "ein Grundgeräusch in dem Ganzen, aber nicht das Allerwesentlichste" sei. "Das ist kein 'Entweder-oder', das ist ein 'und', das weiß auch der Koalitionspartner", widersprach Gewessler. "Wir arbeiten daran und ich bin überzeugt davon, wir kriegen das auch fertig." Die Grünen wollen die Klimaziele in der Verfassung verankern – mit Strafzahlungen für Bund und Länder bei Verfehlungen. Schmuckenschlager hat das mit Verweis auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zuletzt abgelehnt.

ÖVP soll "Blockadehaltung" aufgeben

Die Umweltorganisation Fridays For Future Austria hat die ÖVP am Dienstag per Aussendung aufgefordert, ihre "Blockadehaltung" gegen ein neues Klimaschutzgesetz aufzugeben. "Klimaschutz ohne jegliche Verbindlichkeit scheint oberste Priorität in der ÖVP zu haben", kommentieren sie Schmuckenschlagers Aussagen. Die ÖVP habe zudem die Klimakrise anscheinend nicht richtig verstanden. Immerhin treffe diese auch die Wirtschaft, wenn etwa das Stromnetz durch Unwetter ausfalle, Flüsse nicht mehr schiffbar seien und die Lebensmittelversorgung durch Dürren gefährdet werde. Die Klimaaktivisten nehmen aber auch die Grünen in die Pflicht: "600 Tage ohne wirksames Klimaschutzgesetz, obwohl es im Regierungsabkommen steht, ist auch für sie ein Armutszeugnis." Entscheidend wäre für die Umweltorganisation, dass in dem Gesetz das Ziel der Klimaneutralität 2040 Verfassungsrang bekommt und bei absehbarem Verfehlen der Klimaziele vordefinierte Sofortmaßnahmen in Kraft treten.

BOKU-Experte ortet "Scheinklimapolitik"

Kritik an der Untätigkeit der türkis-grünen Regierung in Sachen Klimaschutzgesetz kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch von Experten. Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien, sprach im "Ö 1"-Mittagsjournal am Montag von einer "Scheinklimapolitik". "Das Klimaschutzgesetz ist ein ganz zentraler Bestandteil einer Klimapolitik, die ihre eigenen Ziele Ernst nimmt", so Steurer.

Wenn man sagt, das Klimaschutzgesetz hat keine oberste Priorität, dann könnte man genauso gut sagen, dass Klimaschutz nicht die oberste Priorität habe. "Jetzt könnte man sagen, angesichts der Gaskrise ist auch das nachvollziehbar. Wir haben ja tatsächlich andere Krisen, die sehr drängend sind, nur darüber sieht man, dass diese beiden Krisen zusammenhängen."

Es brauche verbindliche Ziele und Strafen beim Verfehlen dieser Vorgaben, denn ohne Konsequenzen gebe es einfach zu wenig Anreiz, das notwendige zu tun, so Steurer. Die Regierung würde derzeit eine "Scheinklimapolitik" betreiben. Das beste Beispiel dafür ist zu erklären bis 2040 klimaneutral sein zu wollen, aber dann die dafür notwendigen Schritte nicht zu gehen. "Und im Moment ist es ganz klar so, dass Klimapolitik nach wie vor zu langsam vorwärtsgeht. Also das, was wir die letzten zwei Jahre gesehen haben, ist zweifelsohne besser, wie das, was wir die letzten 30 Jahre gesehen haben, aber Klimaneutralität ist damit nicht zu erreichen. Und somit liegt der Schluss nahe, diese Zielerklärung klingt gut, man gewinnt damit Wählerstimmen, aber es ist keine Substanz dahinter, somit ist es Schein."

Andere Gesetze und beschleunigte UVP-Verfahren würden ein Klimaschutzgesetz nicht ersetzen, wies Steurer entsprechende Behauptungen aus der ÖVP zurück. "Das Klimaschutzgesetz legt so was wie eine Emissionsordnung fest. Es wird festgelegt, wie viel CO₂ in welchem Sektor, in welcher Zeit reduziert werden muss. Damit kann man sicherstellen, die Ziele für 2030 und 2040 zu erreichen. Ohne diese Emissionsordnung haben wir eine Emissionsunordnung. Das heißt, es ist völlig unklar, wie wir die Ziele erreichen wollen." Man flicke dort ein wenig, man mache dort kleine Maßnahmen, aber das große Ganze, sprich, wie man Klimaneutralität 2040 erreichen kann, bleibe völlig unklar.