Nach dem Tod der oberösterreichischen Landärztin Lisa Maria Kellermayr wurden Rufe laut, Hass im Netz verstärkt strafrechtlich zu verfolgen. Die ÖVP schlug vor, eine eigene, zentrale Cybercrime-Behörde nach Vorbild der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einzurichten. Die Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, Cornelia Koller, erteilte dem eine Abfuhr.

Stattdessen brauche es mehr Ressourcen für bestehende Einrichtungen von Polizei und Justiz, so Koller im "Standard" (Montag-Ausgabe). Koller plädierte für eine breit gestreute Unterstützung existenter Initiativen gegen Hatespeech und Kriminalität im Internet. "Wir haben derzeit fast kein Kriminalitätsfeld mehr, wo Cybercrime keine Rolle spielt", hatte Koller schon vor zwei Monaten gegenüber der Kleinen Zeitung erklärt. Bereits vor einem halben Jahr seien bei den Staatsanwaltschaften Wien und Graz entsprechende Kompetenzzentren eingerichtet worden.

Dieses Projekt, an dem im Moment sieben spezialisierte Staatsanwälte mitwirken, müsse laut Koller nun "flächendeckend erweitert werden, damit in jeder Staatsanwaltschaft in ganz Österreich zumindest ein Spezialist sitzt, der sein Wissen weitergeben kann". Schon am Wochenende hatte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) den Mangel an "nötigen Ressourcen und Werkzeugen" als größtes Hindernis auf dem Weg zur effizienten digitalen Verbrechensbekämpfung ausgemacht und mehr Ressourcen für Polizei und die bestehenden Staatsanwaltschaften gefordert.

Auch Bernhard Fink, Vizepräsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), sah das so. "Der ÖRAK sieht die Einrichtung einer eigenen Staatsanwaltschaft für Hass im Netz als nicht zielführend oder gar notwendig. Laut Staatsanwaltschaftsgesetz kann man bereits jetzt Zuständigkeiten über die Geschäftsverteilung lösen", unterstrich er in einer Stellungnahme an die APA: "Es sollte daher vielmehr darauf geachtet werden, dass bei den einzelnen Staatsanwaltschaften speziell aus- und fortgebildete Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für die entsprechende Aufklärung von Straftaten (Cyberkriminalität, Hass im Netz, etc) sorgen, dies in Zusammenarbeit mit speziell ausgebildeten Polizeikräften."

SPÖ ortet in Cybercrime-StA "heiße Luft"

Unterstützung erhielt Koller am Montag von SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim: "Wir brauchen bei der Bekämpfung von Hass im Netz weder eine eigene Sonderstaatsanwaltschaft noch eine Kompetenzerweiterung der WKStA. Mit eigenen Referaten innerhalb der bestehenden Staatsanwaltschaften kann das sofort erledigt werden." Überregional seien "speziell geschulte Mitarbeiter" vonnöten, "die sich mit dem Thema ständig auseinandersetzen und mit der Polizei gut vernetzt sind". Der ÖVP warf Yildirim vor, eine "Verzögerungstaktik" zu verfolgen, die Pläne für eine Onlinehass-Staatsanwaltschaft seien "nur heiße Luft".

Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) sah dagegen nun Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Zug. Für Täterinnen und Täter dürfe der digitale Raum nicht straffrei sein, so Plakolm bei einer Pressekonferenz am Montag. Ein Weg in der Justiz sei es, dies mit einer Staatsanwaltschaft zu garantieren.

Schon am Wochenende hatten sich zunächst Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) eher vorsichtig und ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner vehement für eine Sonderstaatsanwaltschaft ausgesprochen. Befeuert wurde die Debatte vergangene Woche nach dem Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Die Oberösterreicherin hatte sich nach Online-Anfeindungen gegen ihre Person das Leben genommen.