Der Durchfluss durch die Gaspipeline Nordstream 1 ist am Montagfrüh auf Null gefallen. Das ging aus der Website https://www.nord-stream.info des Betreibers hervor. Demnach strömte ab 06.00 Uhr kein Gas mehr. Die durch die Ostsee laufende Röhre soll nach jährlichem Turnus in den kommenden zehn Tagen gewartet werden und kann nicht für den Gastransport genutzt werden.
Mit Sorge wird in Westeuropa die Frage gestellt, ob der russische Energiekonzern Gazprom nach dem Ende der Wartung wieder in vollem Umfang Gas nach Westen pumpen wird. Seit einigen Wochen liefert Gazprom nur noch einen Teil der Gasmenge und hat dafür technische Gründe vorgebracht. Die Bundesregierung hält die Kürzung jedoch für politisch motiviert. Angesichts der Unsicherheit für die Zeit nach dem 21. Juli habe Länder wie Deutschland eine Notfallplanung für einen Komplettausfall russischen Gases in Gang gebracht.
Warum wird die Pipeline Nordstream 1 abgedreht?
Eigentlich ist es ein Routinevorgang, der in diesem Jahr aber für Nervosität sorgt. Die Rede ist von einer Überprüfung und gegebenenfalls Instandsetzung oder Kalibrierung etwa der Stromversorgung, des Brand- und Gasschutzes sowie bestimmter Ventile. Auch Software-Updates würden vorgenommen. Die Offshore-Pipelines blieben weiter unter Druck. Entsprechende Arbeiten gab es in den vergangenen Jahren regelmäßig, sie dauerten zwischen 10 und 14 Tagen. Manchmal wichen sie auch von der angesetzten Frist ab.
Welche Rolle spielt Nordstream 1 für die Gasversorgung in Österreich?
Die Pipeline Nordstream 1 spielt für die direkten Gaslieferungen nach Österreich nur eine untergeordnete Rolle. Österreich wird vorwiegend über das Leitungssystem über die Ukraine beliefert. Trotzdem wird durch den vollständigen Lieferausfall über Nordstream 1 aufgrund der Wartungsarbeiten auch in Österreich ein deutlicher Lieferrückgang erwartet.
Welche Auswirkungen hat die Wartung für Österreich?
"Wir haben die lange angekündigte Wartung von Nordstream 1 in allen Planungen und Berechnungen berücksichtigt", sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Die Versorgung Österreichs wird aktuellen Berechnungen nach trotzdem weiterhin über Importe erfolgen können. Die Einspeicherung in die Österreichischen Speicher wird jedoch deutlich zurückgehen. Diesen Rückgang hat die E-Control bei ihren Berechnungen zum Speicherziel berücksichtigt. Die Österreichischen Speicher müssen laut Regierungsbeschluss zum Beginn der Heizsaison zu 80 Prozent gefüllt sein. Dieses Ziel ist trotz Wartung erreichbar – wenn Russland nach der Wartung wieder Erdgas im vereinbarten Umfang liefert.
Wann wird wieder Gas fließen?
Die Instandhaltungsmaßnahmen sind bis 21. Juli einberaumt. Gewessler betont aber: "Russland führt Krieg. Wir können uns auf Russland nicht verlassen. Niemand kann heute prognostizieren, ob die Lieferungen danach vollumfänglich wiederaufgenommen werden. Der 21. Juli ist deshalb ein kritisches Datum für die Gasversorgung in ganz Europa." Auch deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat akute Bedenken geäußert, dass Russland den Gashahn auch nach Abschluss der Wartung nicht mehr aufdrehen könnte.
Was heißt das für den Rest Europas?
Die Nervosität ist groß, insbesondere in Deutschland. Das russische Staatsunternehmen Gazprom hatte im Juni bereits die Liefermenge durch die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern deutlich gedrosselt – und das auch mit dem Fehlen einer Turbine begründet. Derzeit wird die Leitung laut der deutschen Bundesnetzagentur nur zu etwa 40 Prozent ausgelastet. Auch russische Gaslieferungen über andere Leitungen nach Deutschland waren zuletzt zurückgegangen. Gleichzeitig erhalten mehrere europäische Staaten bereits kein Gas mehr aus Russland. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine Ende Februar gilt die Versorgung Europas mit Gas aus Russland als gefährdet.
Veronika Dolna