Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos erschütterte vor mehr als drei Jahren die Republik. Die türkis-blaue Regierung zerbrach, die folgenden Korruptionsermittlungen zwangen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum Rücktritt. Aufgrund noch immer nicht geschlossener Lücken im Korruptionsstrafrecht waren die Inhalte des Ibiza-Videos nicht illegal, dennoch finden sich zwei der Darsteller heute vor Gericht wieder.
Vom Sofa auf die Anklagebank
Fast 15 Jahre lang führte Heinz-Christian Strache die FPÖ beinahe unangefochten an. Das änderte sich schlagartig mit dem Ibiza-Video. Der Wiener trat als Parteiobmann und Vizekanzler zurück, binnen Wochen war er aufgrund der Spesen-Affäre auch innerhalb der FPÖ verrufen. Dass seine Frau Philippa über die blaue Liste zwar in den Nationalrat einzog, dort aber parteifreie Abgeordnete ist und Strache bei der Wien-Wahl 2020 erfolglos mit einer eigenen Partei antrat, half nicht.
Der frühere Vizekanzler ist aber nicht nur politisch ruiniert: Vor einem Jahr wurde Strache nicht rechtskräftig wegen Bestechlichkeit in der Causa Prikraf zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. In dem Verfahren war es um einen vermuteten Gesetzeskauf nach einer Spende an die FPÖ gegangen. Über den Sommer muss sich Strache außerdem vor Gericht gegen den Vorwurf verteidigen, einen Aufsichtsratsposten gegen eine Spende an einen FPÖ-nahen Verein vergeben zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Strache leidet laut unter den Prozesskosten und ruft zu Spenden für den „Kampf und die Aufklärung gegen die gezielte Verleumdung gegen meine Person und für die anwaltlichen Verfahren“ auf. Die Einnahmen seines Buches sowie seine Tätigkeit als Unternehmensberater dürften dafür offenbar nicht ausreichen. Auch nach dem im Sommer erwarteten zweiten Urteil dürften Straches rechtliche Sorgen kein Ende finden: Die Staatsanwaltschaft untersucht auch, ob sich Strache persönlich an Parteispenden bereichert haben könnte.
Aus Einsicht wurde Trotz
Der frühere Klubobmann der FPÖ zog sich nach Veröffentlichung des Videos gänzlich aus der Politik zurück. Der Wiener wies die Schuld zunächst nicht von sich und entschuldigte sich mehrfach für sein Handeln – auch bei Strache, den er „unwissentlich“ in die Finca auf Ibiza brachte.
Bereits drei Monate vor dem „Ibiza“-Video war der damalige FPÖ-Wien-Chef von Hessenthaler mutmaßlich beim Konsum von Kokain gefilmt worden. Gudenus Anwalt bestritt dies, Ermittlungen wurden wegen Verjährung eingestellt. Heute nennt der Ex-Politiker das „Schnee von gestern“.
Zu Medien ist der Ex-FPÖler weniger großzügig: Die Aufarbeitung der Ibiza-Affäre sei eine „journalistische Drecksarbeit“ gewesen, das veröffentlichte Video „manipulativ verstümmelt“, sagte Gudenus etwa im Mai auf Puls24 – immerhin sei strafrechtlich gegen ihn nichts übrig geblieben. Gar nie im Fokus der Ermittelnden war Gudenus Frau, die am Abend auf der Finca in Ibiza ebenfalls teilnahm, aber nie eine politische Funktion innehatte.
Verfolgter Detektiv
Statt den Hauptdarstellern des Ibiza-Videos sitzt dessen Produzent hinter Gittern. Nach der Veröffentlichung begann eine fieberhafte Suche nach den Hintermännern. Fündig wurde man nicht bei einem ausländischen Geheimdienst, sondern einem inländischen Kleinkriminellen.
Julian Hessenthaler war schon einmal wegen eines Drogendelikts verurteilt worden, in einem Verfahren mit sich widersprechenden Hauptbelastungszeugen befand ihn die österreichische Justiz nach eineinhalb Jahren Untersuchungshaft auch ein zweites Mal nicht rechtskräftig für schuldig. Im Mai wurden weitere Ermittlungen bekannt. Das Video wird hingegen keine strafrechtlichen Folgen für dessen Urheber haben. Ein entsprechendes Verfahren wurde eingestellt.
Flüchtiger Lockvogel
Selbst der aus Straches Sicht schlechte Zustand ihrer Zehennägel ist seit mehr als drei Jahren bekannt, ihr Aufenthaltsort aber nicht: Nach der falschen Oligarchennichte, die anbot, 50 Prozent der Kronen Zeitung zu kaufen, wurde eineinhalb Jahre lang wegen des Verdachts der Urkundenfälschung öffentlich gefahndet. Der Vorwurf der Täuschung gegen die Osteuropäerin wurde nach mehr als drei Jahren eingestellt, der Rest des Verfahrens abgebrochen, bis man ihr habhaft werden kann.
Laut Hessenthaler ist die Frau tatsächlich Russin, vor dem Treffen in der Finca soll ihr ein einstündiges Briefing über Wasserrechte gereicht haben. Die schlechte Laune war nicht gespielt: Weil sie nicht nach Ibiza wollte, habe sie Strache von oben herab behandelt, berichtete Hessenthaler dem "Standard".
Maximilian Miller