Der lang erwartete Rechenschaftsbericht der ÖVP über die Parteifinanzen aus dem Jahr 2019 an den Rechnungshof wurde am Freitag veröffentlicht. Der Bericht kam nach langer Verzögerung. Es waren "mehrere Fragerunden an die ÖVP notwendig", heißt es seitens des Rechnungshofs.
Nicht nur der Verfahrensablauf, auch die Einschätzung des Rechnungshofs ist ungewöhnlich. So bezweifelt der Rechnungshof etwa die eingebrachte Darstellung der ÖVP, sie hätte die Wahlkampfkostenobergrenze im Jahr 2019 nicht überschritten. Dem Rechnungshof wurden von unbekannter dritter Seite Buchhaltungs-Unterlagen zu den Wahlkampfkosten übermittelt, die der Rechnungshof als authentisch einstuft.
Zum ersten Mal beauftragt der Rechnungshof daher Wirtschaftsprüfer damit, die Angaben der ÖVP zu den Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl zu prüfen.
Vorarlberg: Rechnungshof sieht Parteispende
Der Rechnungshof befasste sich auch mit der Inseraten-Affäre des Vorarlberger Wirtschaftsbundes. Für die Prüfer ist "zweifelhaft, wie sich der Anzeigenpreis von über 1,6 Millionen Euro beim Magazin 'Vorarlberger Wirtschaft' darstellen lässt", heißt es seitens des Rechnungshofs. In einem vergleichbaren Medium würden Inserate nur 268.000 Euro kosten. Zumindest ein Teil davon könnte unzulässigerweise an die ÖVP geflossen sein – nämlich dann, wenn die Spendengrenze von 7500 Euro überschritten wurde oder wenn sie von staatlichen Einrichtungen oder von Firmen mit zumindest 25 Prozent Staatsbeteiligung gekommen sind.
Unzulässige Spenden
Auch in anderen Bundesländern sind die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofs auf Ungereimtheiten gestoßen: In Niederösterreich ortet der Rechnungshof bei Inseraten in der "Niederösterreich Zeitung" der niederösterreichischen Volkspartei versteckte Parteispenden. In der Steiermark vermutet der RH unzulässige Spenden im Zusammenhang mit dem Steirischen Bauernbundball.
Der Rechnungshof hat nun den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) im Kanzleramt gebeten, diese Fragen zu prüfen.
ÖVP: Haben "nicht das Geringste zu verbergen"
Die ÖVP reagiert auf die RH-Kritik auf Nachfrage mit einer schriftlichen Stellungnahme. Man sehe der Prüfung "gelassen entgegen, denn die vom Rechnungshof bestellten Wirtschaftsprüfer haben alles bereits mehrmals geprüft. Dass sich der Rechnungshof durch einen dritten Wirtschaftsprüfer absichern möchte, nehmen wir zur Kenntnis." Man habe "alle Kosten der Wahlkämpfe 2019 lückenlos und korrekt angegeben" sowie alle notwendigen Unterlagen bereit gestellt.
"Die Volkspartei hat nicht das Geringste zu verbergen, die Obergrenze für beide Wahlkämpfe wurde auf Punkt und Beistrich eingehalten und sogar unterschritten", heißt es im Statement.
Seniorenbund: Nicht Verein, sondern Parteiorganisation
In einem weiteren Punkt widerspricht der Rechnungshof der Darstellung der ÖVP: Die Vereine des Seniorenbundes, die – etwa in Oberösterreich – wegen des Bezugs von Coronaförderungen für gemeinnützige Vereine in der Kritik steht, ist aus Sicht des Rechnungshofs "jedenfalls der Teilorganisation der ÖVP zuzurechnen". Demzufolge wären Spenden an einen Seniorenbund-Verein als Parteispenden zu werten und Förderungen aus dem NPO-Fonds unzulässig.
Der oberösterreichische Seniorenbund, der fast zwei Millionen Euro aus einem Corona-Topf für gemeinnützige Vereine bekommen hat, war damit übrigens nicht alleine. Aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos geht hervor, dass auch andere parteinahe Vereine Geld aus dem NPO-Fonds erhalten hat – allesamt mit Nähe zur ÖVP.
So bekam der Tiroler Seniorenbund etwa 184.800 Euro oder der Kärntner Seniorenbund knapp 51.000 Euro. In der Steiermark erhielten Schülerunion und Aktionsgemeinschaft insgesamt etwa 13.500 Euro. Dach- oder Teilvereine aus dem Umfeld von SPÖ, Grünen oder FPÖ haben keine Coronaförderung aus dem NPO-Topf bekommen.
Das zuständige Ministerium von Vizekanzler Werner Kogler prüft jetzt, ob Förderungen zurückgezahlt werden müssen.
Opposition mit Häme und Kritik
SPÖ, FPÖ und Neos reagieren auf Bericht und RH-Kritik mit Häme. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz zeigte sich "fassungslos", die Zahlen der ÖVP seien ein "einziges Schummel- und Blendwerk". Offenbar stimme "bis auf das Datum und die Seiten-Nummerierung in diesem Bericht überhaupt nichts". SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sieht die "türkisen Konstrukte, mit denen üppig Fördermittel eingestrichen wurden", endgültig implodiert. Zu Unrecht erhaltene Förderungen müssten zurückbezahlt werden, sofortige Neuwahlen seien nun unausweichlich.
Die Neos werten die Kritik als Bestätigung für das "Korruptionsproblem" der Türkisen. "Dass der ehemaligen Wirtschaftspartei erstmalig ein Wirtschaftsprüfer vorgesetzt wird, um ihre Finanzen zu prüfen, ist ein historischer Tiefpunkt", ließ Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos wissen. Von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer forderte er sofortige Aufklärung.
Kritik kommt auch vom grünen Koalitionspartner. Die Stellungnahme des Rechnungshofes sei "verheerend" und stelle der ÖVP-Parteibuchhaltung "ein mieses Zeugnis aus", erklärte die Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli.