Im "Ibiza"-Video erklärte es Heinz-Christian Strache ganz unverblümt: Vermögende zahlen "nicht an die Partei, sondern an einen gemeinnützigen Verein." Wichtig war Strache zu betonen, "dass das nicht an den Rechnungshof geht" - der Geldfluss ist also schwerer zu verfolgen. Ermittlungen gegen den früheren FPÖ-Chef und seine Partei wurden eingestellt, mittlerweile wären die Beträge, von denen er 2017 sprach, nicht mehr legal.

Aber warum wollen Parteien überhaupt Geld an Vereine auslagern? Man könne damit "Ausgaben auslagern, Spenden und Einnahmen verschleiern", erklärt der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger, und: "Mehr Geld zu haben ist ein politischer Vorteil." Außerdem würden Parteien dazu neigen, "so viel Geld auszugeben, wie Geld da ist - und manchmal auch mehr, wenn sie sich davon einen Vorteil versprechen".

Vereine als PR-Druckstätten

Vereine helfen hier, über die rund 224 Millionen Euro, die der Steuerzahler allein 2022 in die Parteien und Klubs steckt, hinauszuwachsen: Unabhängige Pressvereine können etwa Druckwerke produzieren, in denen Politikerinnen und Politiker einer Partei prominent und unkritisch vorkommen. Vertreterinnen und Vertreter anderer Parteien? Fehlanzeige.

Anders als bei Parteien muss nicht offengelegt werden, wer in welcher Höhe inseriert. Ähnliche Fälle gibt es im ganzen Land: Von der SPÖ im Burgenland bis zur ÖVP in Vorarlberg. Richtig gemacht, ist die Partei-Werbung auf Steuerkosten nicht verboten. Auch über Kulturvereine lässt sich Öffentlichkeit finanzieren: Bei Veranstaltungen kommen etwa Parteigranden zu Wort, bezahlt mit dem Geld von Sponsoren.

Doppelter Seniorenbund

Der "Verein OÖ Seniorenbund" macht beides: Er hält jährlich den Seniorenball ab - eine offenbar massive Einnahmequelle - und bringt unter anderem das "WIR-aktiv"-Magazin heraus. Dieses bietet viel Platz für Politikerinnen und Politikern der ÖVP - und für Inserate etwa von Landesunternehmen. Der Verein ist nicht mit dem "OÖ Seniorenbund - Teilorganisation der OÖVP" zu verwechseln, betont er selbst. Logo, Adresse, Telefonnummer, Geschäftsführer und Vereinspräsident sind deckungsgleich, die Finanzen seien aber streng getrennt, wird erklärt.

Letzteres ist wichtig, holte sich der Verein doch fast zwei Millionen Euro Corona-Förderungen aus dem Unterstützungsfonds für Non-Profit-Organisationen ab, von dem Parteien explizit ausgeschlossen sind. In Tirol wurden so rund 185.000 Euro abgerufen. Da mit dem Geld laut dem Obmann, Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer, in Oberösterreich "fast ausschließlich Gehälter" bezahlt wurden, bringen die NEOS Anzeigen ein. Immerhin dürfen aus diesem Fördertopf explizit keine Personalkosten bezahlt werden.

Am Freitag stellte der Seniorenbund die "irrtümliche" Aussage von Pühringer richtig: Das Geld sei verwendet worden, um "um unsere Mitglieder in einer für sie besonders schwierigen Zeit auf allen Ebenen bestmöglich zu unterstützen und zu servicieren. Dies war nur dadurch möglich, indem der laufende Betrieb aufrechterhalten werden konnte". "Kein Euro" der Fördermittel sei für Parteiarbeit benützt worden, betonte Pühringer. "Vermischungen" im Wahlkampf, von denen Pühringer noch sprach, habe es doch nicht gegeben, sagte Landesgeschäftsführer Franz Ebner in einer Aussendung. Zurückzahlen werde man nichts, kündigte Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec an.

Immerhin sei dem OÖ-Seniorenbund "keine politische Partei bekannt, in deren Statut/Satzungen eine Mitwirkung des Vereins OÖ-Seniorenbundes an der Willensbildung dieser Partei, etwa durch Entsendungen in deren Organe, vorgesehen wäre", schrieb Rechtsanwalt Werner Suppan in einer Stellungnahme. Er vertritt neben türkisen Beschuldigten wie Sebastian Kurz, Gernot Blümel und Hartwig Löger auch die ÖVP selbst.

Den Förderbezug rechtfertigt man mit einem Schreiben aus dem Sozialministerium, in welchem dem Seniorenrat, in dem auch der Seniorenbund vertreten ist, geraten wird, einen Antrag an den NPO-Unterstützungsfonds zu stellen. Und man führt die Doppelexistenz als Teilorganisation der ÖVP und als gemeinnütziger Verein ins Treffen, die allerdings weitgehend personalident sind.

"Zwei Organisationen unter einem Türschild" keine Ausnahme

Die Intransparenz schein-unabhängiger Vereine kritisierte am Freitag auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner. Wenig überraschend sieht sie das Problem aber nicht bei der eigenen Partei: "Zwei Organisationen unter einem Türschild unterzubringen, ist bei der SPÖ keine Ausnahme. Solche intransparenten Vereinskonstruktionen verdeutlichen, dass der SPÖ jedes Bewusstsein für Abgrenzung und Transparenz fehlt".

Tatsächlich scheint die Volkspartei im Bereich des Seniorenbunds der SPÖ nachzueifern, erklärt der Politikwissenschaftler Sickinger: Der rote Pensionistenverband sei erfolgreich "aus dem Parteiengesetz geflüchtet", indem er sich statuarisch von der SPÖ getrennt habe. Er sei nun rechtlich nicht mehr der Partei, sondern einem der Partei nahestehenden Verein nahestehen, erklärt Sickinger die rechtlichen Verdrehungen. Beim ÖVP-Seniorenbund sei dieser Versuch "nicht glaubwürdig", findet der Politikwissenschaftler. Dafür würden sich Seniorenbund und Seniorenbund schlicht zu sehr ähneln.

Mit dem Regierungsentwurf zur Novellierung des Parteiengesetzes soll diese Lücke aber ohnehin behoben werden. Außerdem muss künftig etwa offengelegt werden, wo eine Spende einlangt. "Es ist nicht alles völlig transparent, aber es sind schon erhebliche Fortschritte, das muss man klipp und klar sagen", sagt der Politikwissenschaftler Sickinger.

Auch die Kontrolle des Rechnungshofs soll gestärkt werden. Er hatte zuletzt vor allem mit der Volkspartei zu kämpfen. Der Rechenschaftsbericht der ÖVP aus dem Jahr 2019 soll bis Ende Juni veröffentlicht werden, kündigte ein Sprecher am Freitag an. Zum Vergleich: Bis Ende Juli sollen auch die Berichte zu FPÖ und Neos veröffentlicht werden - allerdings bereits für das Jahr 2020.