Mit Lothar Lockl stellen erstmals nun auch die Grünen den Vorsitz im ORF-Stiftungsrat. Die Kür kommt nicht überraschend, basiert Lockls Kür doch auf einem Deal zwischen den türkis-grünen Chefverhandlern Sebastian Kurz und Werner Kogler, der in einem der umstrittenen "Sideletter" Eingang gefunden hat. Angesichts der Parteipolitisierung des ORF haben ohnehin nur Kandidaten der jeweiligen Regierungsparteien Chancen auf den Chefsessel im ORF-Stiftungsrat, zuletzt hatte der ehemalige blaue Vizekanzler Norbert Steger darin Platz genommen, jetzt eben die Grünen.
Dass Lockl aus grünem Stall kommt, allerdings über alle Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen genießt, zeigt mitunter auch das Ergebnis: 34 der 35 Stiftungsräte stimmten für den 54-jährigen Wiener. Lockl gilt als Realo, der seine Herkunft nicht verleugnet, allerdings auch immer die Gesprächsbasis zum politischen Gegner sucht. Hinter den Kulissen zählte er auch zu den Wegbereitern der türkis-grünen Koalition, er verfügte bereits über enge Kontakte zu Sebastian Kurz, als dieser von der Grünen-Basis noch als politischer Erzfeind bekämpft wurde. Lockl war im Vorfeld der Regierungsbildung als Außenminister im Gespräch.
Lothar Lockl kommt aus dem Grünen-Biotop. Der gebürtige Wiener wurde bei der Kraftwerksbesetzung in den Donauauen von Hainburg politisch sozialisiert, war in jungen Jahren Pressesprecher bei Global 2000 und wechselte um die Jahrtausendwende zu den Grünen, wo er zunächst als Kampagnenleiter, dann als Kommunikationschef und schließlich als Bundesparteisekretär tätig war. Einer seiner damaligen Chefs war Alexander Van der Bellen. 2009 machte er sich selbstständig, gründete eine Kommunikationsagentur und wurde Politikberater, wobei die Grünen zu einer seiner wichtigsten Auftraggeber geworden sind.
Enger Vertrauter von Van der Bellen
Lockl gilt als engster politischer Vertrauter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, 2016 war er federführend an dessen Wahlkampagne beteiligt. Lockl hätte als Kabinettschef in die Hofburg wechseln können, schlug dieses Angebot aus und blieb seiner Kommunikationsagentur treu. Diese berät allerdings nicht nur Institutionen und Unternehmen beim Umstieg auf eine nachhaltige, ökologisch verantwortungsvolle Politik und Strategie. Aus parlamentarischen Anfragen der letzten Wochen geht hervor, dass die Grünen-Ministerien, insbesondere jenes von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, zu einem der größeren Auftraggeber geworden sind.
Vor dem Hintergrund seiner Kür zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden des ORF bleibt offen, ob Lockl auch diesmal wieder Van der Bellen bei seiner zu erwartenden Wiederkandidatur für die Hofburg federführend beraten wird. Formell würden keine Unvereinbarkeitsregeln verletzt werden, politisch dürfte aber die Nähe zu Küniglberg und Hofburg, sofern Lockl Van der Bellen auch diesmal berät, durchaus für Diskussionen sorgen.