Eine Milliarde, das klingt viel, das hat Wert. Nur 2668 Menschen sollen weltweit eine Milliarde Dollar besitzen, eine Milliarde Ein-Euro-Münzen könnte man von Wien bis nach Lissabon stapeln. Politisch lassen sich damit aber sinnvollere Dinge durchsetzen – und noch viel mehr ankündigen. Nicht immer muss das Geld dabei – wenn überhaupt – auf einmal fließen, auch beim Betrag nimmt es die Politik mitunter nicht so genau. Hauptsache ist: Die Schlagzeile muss stimmen.
So wird die neue "Kindergartenmilliarde" über fünf Jahre ausgezahlt. Jährlich fließen 200 Millionen Euro statt wie zuletzt 142,5 Millionen. Aber: "Kindergarten-300-Millionen" geht schlechter ins Ohr. Die Milliarde als PR-Gag ist nicht neu: Schon 1996 forderte die damalige Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ) eine Milliarde für Kinderbetreuungseinrichtungen. Damals noch in Schilling – dafür aber jährlich bis 2020. Schlussendlich wurden es 600 Millionen Schilling, der Name "Kindergartenmilliarde" blieb dennoch.
Doppelt hält besser
Doch nicht nur die Kleinsten sollten von einer Milliarde profitieren: Dank der 2013 beschlossenen "Breitband-Milliarde", sollte bis 2020 "ganz Österreich mit 100 Mbit/s durch das Netz düsen", kündigte die damalige rot-schwarze Koalition an. Erreicht wurde das freilich nicht. Das mag daran liegen, dass bis dato zwar 1,1 Milliarden Euro an Förderungen gewährt, laut Information des Landwirtschaftsministeriums aber nur rund ein Drittel tatsächlich ausgezahlt wurden. Denn bei Einreichung des Projekts würde nur ein Viertel ausgezahlt werden, der Rest erst bei Fertigstellung – Letzteres ist vielerorts noch nicht eingetreten.
Das Konzept funktionierte dennoch so gut, dass 2021 gleich die nächste "Breitband-Milliarde" startete – diesmal großteils aus EU-Geldern finanziert. Dafür stehen nun 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung, um bis 2030 alle Haushalte mit 1024 Mbit/s – sozusagen einer "Daten-Milliarde" – zu versorgen. Auch hier wird die Auszahlung dauern, das Geld wird bis 2026 zur Verfügung gestellt.
Schnell versprochen
Besonders leicht versprochen ist aber Geld, das es gar nicht gibt: Die "Patientenmilliarde", die bis 2023 von der türkis-blauen Regierung als Resultat der Fusion der Krankenkassen versprochen wurde, war schon bei der Präsentation kaum nachvollziehbar. Der entscheidende Punkt sei nicht, "ob es auf den Euro genau eine Milliarde ist", meinte Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) 2018, sondern was damit passiere. Doch von nichts kommt nichts: Kurzfristig war die Kassenfusion teurer als von der Regierung erhofft, der Personalstand der ÖGK stieg, die neue Krankenkasse schrieb rote Zahlen – schon vor der Corona-Pandemie.
Mit dem Virus kam die Milliarden-Inflation: Die Corona-Hilfen sprengten die Ein-Milliarden-Euro-Regel deutlich, in Details blieb man aber bei der einfachen politischen Kommunikation. Noch im März 2020 beschloss die Regierung eine Kurzarbeitsmilliarde, im Mai forderte die FPÖ eine Milliarde Euro für die Gemeinden. In beiden Fällen blieb es im Laufe der Pandemie nicht bei tausend Millionen Euro. Deutlich billiger als gedacht kam dafür die "Impf-Lotterie": Das Eine-Milliarde-Euro teure Projekt, dank dem die SPÖ der Impfpflicht zustimmte, wurde schlicht fallengelassen.
Der Ruf wurde laut, das "freigewordene" Geld in die über Jahrzehnte ausgehungerte Pflege zu stecken. Eine "Pflegemilliarde" wurde schon lange angekündigt, vor einer Woche machte die Regierung Nägel mit Köpfen: In den nächsten beiden Jahren sollen ein Gehaltsbonus an Pflegekräfte gehen, Ausbildungszuschüsse gezahlt werden und ab nächstem Jahr ein Angehörigenbonus für pflegende Angehörige fließen. Ein großer Wurf, der nicht mehr mit der begrabenen Impf-Lotterie in Verbindung gebracht werden soll.
Eine Milliarde muss reichen
Besonders erfahren in der Forderung nach einzelnen Milliarden sind in Österreich die Universitäten: Nach der "Uni-Milliarde" 2001 und 2002 brachte die "Hochschul-Milliarde" zwischen 2013 und 2015 990 Millionen Euro an die Unis. 2016 forderte die Universitätenkonferenz eine "Universitätenmilliarde Plus", bei der letzten Budgeterhöhung schlugen die Unis 1,3 Milliarden Euro mehr heraus.
Was passiert, wenn man sich nicht an die goldene Kommunikationsregel der einen Milliarde hält, zeigt das Bundesheer: Statt einer "Heeresmilliarde" mehr Budget, also einer Aufstockung von 2,7 auf 4 Milliarden Euro, ritt Verteidigungsministerin Claudia Tanner (ÖVP) Anfang des Jahres aus und forderte deutlich mehr. Die "Heeresmilliarden" kamen bei den anderen Parteien weniger gut an. Einmal Wien-Lissabon in Ein-Euro-Münzen muss auch für das Heer reichen.
Maximilian Miller