Die Aussage der obersten Medizinerin der Republik und Gecko-Chefin Katharina Reich im Interview in der Kleinen Zeitung, sie befürworte die Beibehaltung der Maskenpflicht im Supermarkt über den Sommer hinaus, schlägt hohe Wellen. Während sich die Koalitionspartner noch bedeckt halten, stößt der Vorstoß bei den Sozialpartnern auf große Ablehnung. Reich erklärte zwar, dies sei ihre persönliche Meinung, das letzte Wort habe ohnehin die Politik, sie plädiere jedoch für die Beibehaltung "aus Gründen der psychologischen und sozialen Gewöhnung". Und: "Es gehe darum, sich wieder mental und organisatorisch auf ein eventuell sozial reduziertes Setting vorzubereiten."
Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer erteilt der Idee in einer ersten Reaktion eine scharfe Absage und spricht von einer "Maskenqual", die für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Lebensmittelhandel und anderen Bereichen beendet werden müsse. Unter Anspielung auf den Wegfall aller Auflagen etwa in der Nachtgastronomie macht Mahrer deutlich, dass die Maskenpflicht im Supermarkt "unverhältnismäßig" sei.
"Akzeptanz fehlt"
Ähnlich tönt die Gewerkschaft der Privatangestellten. GPA-Chefin Barbara Teiber spricht sich gegenüber der Kleinen Zeitung für ein "Ende der Maskenpflicht in Handel, Banken, Supermärkten" aus. "Bei den betroffenen Beschäftigten fehlt mittlerweile jede Akzeptanz." Teiber fügt dem noch eine Spitze gegen den Kanzler bei: "Vor Hunderten Funktionären auf dem Parteitag sagt Nehammer, dass ihn Viren nicht kümmern. Gleichzeitig tragen 120.000 Handelsangestellte immer noch täglich die Maske – und das bei 30 Grad und mehr." Es sei "höchst an der Zeit, dass die Koalition ihre Doppelmoral beendet".
Während sich der türkise Koalitionspartner in der Frage einer möglichen Beibehaltung der Maskenpflicht in Schweigen hüllt, sieht man im Gesundheitsministerium keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Die aktuelle Verordnung gelte bis zum Start der Sommerferien Anfang Juli. Sämtliche Maßnahmen würden "immer an die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und an die epidemiologische Situation hierzulande angepasst". Etwaige Lockerungen würden "im Rahmen einer vernünftigen Gesamtbetrachtung der epidemiologischen Lage erfolgen".
Im dritten Jahr der Pandemie hilft auch der Blick zurück: 2020 fiel die Maskenpflicht bereits Mitte Juni, Ende Juli musste sie aber wieder eingeführt werden – ausgerechnet dort, wo sie heute auch gilt, also in Supermärkten, Gesundheitseinrichtungen, Banken. Mitte September galt sie wieder in allen Innenräumen. Zum Start des zweiten Pandemiejahres gab es viele Neuerungen, darunter den Umstieg vom Mund-Nasen-Schutz auf die FFP2-Maske. Diese deutlich dichtere Maske begleitete – außer im roten Wien, das einen strengeren Weg ging – die Österreicherinnen und Österreicher bis Anfang Juli. Im Sommer musste nur noch ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden: Zunächst überall dort, wo kein 3G galt, später nur noch in der Grundversorgung. Erst Mitte September 2021 feierte die FFP2-Maske ihre Rückkehr.