Vor genau drei Jahren wurde das "Ibiza"-Video veröffentlicht. Seit Kurzem reden seine Hauptdarsteller Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der frühere blaue Klubobmann Johann Gudenus wieder miteinander. Bei einem ersten gemeinsamen Interview, das am Dienstagabend (20.15 Uhr) auf Puls 24 ausgestrahlt wird, zeigen die beiden wenig Einsicht über den feucht-fröhlichen Abend, an dem Republik und Medien verscherbelt werden sollten. Persönlich geht es zwischen den beiden früheren Freunden wieder bergauf: Es sei wichtig, das Erlebte "gemeinsam aufzuarbeiten", sagt Strache.
Dieser Weg dürfte für die zwei früheren FPÖ-Granden aber noch ein weiter sein. Nach seinem Rücktritt als Vizekanzler und FPÖ-Chef habe er den Kontakt zu Gudenus abgebrochen, erzählt Strache in dem vorab aufgezeichneten Gespräch. Er habe gegenüber seinem ehemals engen Vertrauten "völliges Misstrauen" aufgebaut. So habe er etwa erst im Nachhinein erfahren, dass Gudenus schon vor dem Abend in der Finca Kontakt mit dem Drahtzieher des Videos, Julian Hessenthaler, gehabt hatte.
"Sie haben mich als Vehikel genutzt, um an ihn (Strache, Anm.) heranzukommen", sieht sich auch Gudenus als Opfer. Dass der mittlerweile wegen Drogenhandels inhaftierte und nicht rechtskräftig verurteilte Hessenthaler in einem Puls-24-Interview erzählte, Gudenus sei vor einer Videofalle gewarnt worden, hat Straches Vertrauen wohl nicht gestärkt. Das stehe bereits im Ermittlungsakt, verteidigte sich Gudenus gegen "verstümmelte Vorwürfe": Der Verdacht einer Videofalle stamme von Strache selbst.
Strache: "Im Video kein korruptiver Akt"
Die Schuld suchen beide Ex-Spitzenpolitiker im Interview lieber bei den Drahtziehern des Videos als bei sich selbst: "Das sind keine Engerl, keine Heiligen", urteilt Strache. Von der "Profil"-Journalistin Eva Linsinger an die eigenen Aussagen 2017 in der Finca auf Ibiza erinnert, zeigt Strache – wie auch im ebenfalls heute ausgestrahlten Einzelinterview in besagter Finca – wenig Einsicht: Das, was an "Peinlichkeiten" passiert sei, habe er drei Jahre lang "aufgearbeitet", so Strache, der einmal mehr einen "Gesinnungsjournalismus" der Medien anprangerte. Wenn man die sieben Stunden des gesamten Videos "im Gesamtkontext" sehe, dann sei klar – "auch durch Behörden bestätigt": "Es gibt in dem Video keinen korruptiven Akt."
"Ich sage dort 140 Mal, sie soll sich ihr Geld weiß Gott wohin stecken, weil ich nicht daran interessiert bin", so Strache zum Gespräch mit der vermeintlichen Oligarchennichte. "Weil ich nicht käuflich bin, weil ich nur meinen Idealen folge und auch keine Spenden nehme, um inhaltlich auf Wunsch irgendwas zu machen. Sondern wenn sie von unseren Inhalten überzeugt ist, kann sie spenden." Der frühere Vizekanzler wurde bereits im August 2021 nicht rechtskräftig wegen Bestechlichkeit verurteilt und muss sich im Juni in einer zweiten Causa erneut vor Gericht verantworten. In beiden Causen geht es allerdings nicht um konkrete Inhalte des Videos. Es gilt die Unschuldsvermutung.
"Ja, die Moral"
"Nichts davon muss strafrechtlich relevant sein, um schon moralisch relevant zu sein", versuchte Linsinger besonders Strache zu erklären, dass "jemand auch moralisch völlig ungeeignet sein" könne, um ein politisches Amt auszuüben: "Wenn jemand wirklich nicht korrupt ist, steht er auf und geht und spekuliert nicht stundenlang, was man alles für Konstruktionen machen könnte, wie man am Rechnungshof vorbei Spenden schleusen könnte und so weiter."
Dass er damals Umgehungsstrukturen skizziert hatte, um Spenden am Rechnungshof vorbeizuschleusen, wollte Strache neuerlich nicht so stehen lassen: "Es haben Unternehmer aufgrund von Inhalten, die sie unterstützen wollten, an Vereine gespendet." Dies sei legitim, solange es nicht einer Partei zugutekommt. "Wenn Sie sagen: Korrupt oder nicht korrupt oder Moral: Ja, die Moral", wischt Strache auch dieses Argument vom Tisch. Auch Gudenus betonte, alle Verfahren seien eingestellt, "die Vorwürfe betreffen, wir hätten vorbeigeschleust".
Beide ehemaligen Spitzenpolitiker kritisieren im Gespräch mehrfach die Rolle der Medien – auch von "profil" und Puls 24, mit deren Redakteurinnen sie sprechen. Auch das Interview von Corinna Milborn mit Strache in der Finca sei "Gesinnungsjournalismus" und "deswegen eigentlich verwerflich", befindet etwa Gudenus.
Es werde zwar darauf hingewiesen, dass die Vorkommnisse im Video nicht strafbar seien, aber dann gesagt: "Man stelle sich vor, wir hätten jetzt beim Russland-Krieg die Frau Kneissl als Außenministerin, wir hätten bei der Pandemie die Frau Hartinger-Klein als Gesundheitsministerin", zitiert der frühere FPÖ-Klubchef die Dokumentation. "Na, so what? Hallo, das ist Demokratie!", verteidigt er seine ehemaligen Parteikolleginnen: Journalistinnen und Journalisten, die die Vorstellung dieser beiden Ex-Ministerinnen in Amt und Würden nicht aushalten würden, seien "eine Schande".
"Unterschiedliches Maß" bei Sebastian Kurz
Sowohl Strache als auch Gudenus kritisierten vielmehr unisono die Vorgänge der jüngeren Zeit unter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – es sei mit "unterschiedlichem Maß" gemessen worden, so Strache. Er habe sich damals nach Ibiza entschuldigt und sei zurückgetreten. Als es dann zu Ermittlungen gegen Kurz und Co. kam, habe er aber die Worte des Bundespräsidenten vermisst, so der Ex-FPÖ-Chef. Bei Kurz und Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sei das "moralische Maß" "ein anderes" gewesen.
Die Gerüchte über andere aber, "die ich erzählt und letztlich aufgedeckt habe, die haben sich dann bestätigt", meinte Strache zu den indirekten Folgen des "Ibiza"-Videos, das zahlreiche Anzeigen, Hausdurchsuchungen und das Auffliegen von diversen Chats nach sich zog.
"Enttäuscht" sei er gewesen, als er vom Kokain-Konsum seines engen Weggefährten Gudenus erfahren hatte, sagte Strache. Hätte er davon gewusst, dann hätte er ihm damals geholfen, meinte er. An besagtem Abend sei jedenfalls nichts konsumiert worden. "Ich finde das ungeheuerlich", sagte er zu entsprechenden Spekulationen. Gudenus betonte, er sei in diesem Zusammenhang nie erpresst worden – überdies sei das "Privatsache" und "Schnee von gestern", wiederholte er einmal mehr.
Maximilian Miller