Heute, Dienstag, endet die Begutachtungsfrist zum Gründungsgesetz für die neue Linzer Technische Universität (TU). Dazu sind mehrere äußerst kritische Stellungnahmen vor allem aus dem universitären Bereich eingegangen. Man hat Bedenken hinsichtlich des wissenschaftlichen Anspruchs, des Zeitplans sowie der Finanzierung und befürchtet, die Freiheit der Wissenschaft werde ausgehebelt. Senat und Betriebsrat der Linzer Uni bezweifeln gar, dass es sich wirklich um eine TU handelt.
"Das vorliegende Konzept zeigt eine extrem einseitige Orientierung an den Bedürfnissen der oberösterreichischen Industrie und damit einhergehend eine bedrohliche Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre", schreibt die Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko), Sabine Seidler, an die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses im Parlament. Die uniko bemängelt in ihrer Stellungnahme, dass der Gesetzesentwurf in maßgeblichen Bereichen sehr vage bleibe – etwa, was Struktur, rechtliche Basis, die Rahmenbedingungen für den Betrieb und die Aufgaben der geplanten Ges.m.b.H. zur Organisation und Verwaltung angehe.
Kommentar
"Politisch verantwortungslos"
Massive Bedenken haben die Universitäten hinsichtlich der Finanzierung: Zum einen halte man es für "zweckwidrig und rechtswidrig" sowie "politisch verantwortungslos", dass die Aufwendungen der Gründungsphase aus den Mitteln der "Ministerreserve" erfolgen soll. Zum anderen will die uniko vor Gesetzesbeschluss die 15a-Vereinbarung mit dem Land Oberösterreich unter Dach und Fach wissen – da der Bund versichert hat, dass die Finanzierung der neuen TU nicht zulasten der bestehenden Unis gehen soll, zweifelt man am Zustandekommen dieser Vereinbarung. Hier setzt auch der Oö. Landesrechnungshof (LRH) an, der sich wundert, dass der Bund "entgegen seiner verfassungsrechtlich verankerten Verantwortung und Zuständigkeit" die Realisierung von der finanziellen Beteiligung eines Landes abhängig mache. Die Höhe der Beteiligung sei völlig unklar, es seien dem LRH "auch keinerlei (mittelfristige) Finanzplanungen des Landes Oberösterreich bekannt, die darüber Auskunft geben würden".
Der Plan, im Wintersemester 2023/24 zu starten und gleich ein Bachelorstudium sowie ein PhD-Doktoratsstudium anzubieten, sei unter den gegebenen Qualitätsanforderungen "kaum durchführbar", schreibt die uniko in ihrer Stellungnahme weiter. Es sei nicht nachvollziehbar, "wie in einer Einrichtung, deren Forschungspersonal und -infrastruktur noch nicht aufgebaut sind, die Durchführung eines PhD-Doktoratsstudiums gemäß universitärer Qualitätsstandards geleistet werden kann".
"Zeitplan illusorisch"
Den Senat der Linzer Johannes Kepler Uni (JKU) erfüllt "die im Konzeptpapier dargestellte Ausrichtung der neuen Universität und der auf dieser Basis illusionäre Anspruch an wissenschaftliche Exzellenz mit großer Sorge". Und: "Es wird bezweifelt, dass es sich bei der neuen Universität tatsächlich um eine Technische Universität handelt, wie sie im internationalen Kontext als Marke existiert", heißt es in der Stellungnahme. Denn "der von der Konzeptgruppe ausgearbeitete Vorschlag sieht eine Universität vor, die nicht-technikaffine Studierende anziehen soll und in ihrer Ausrichtung eher auf Interdisziplinarität und Entrepreneurship abzielt als auf ingenieurwissenschaftliche Grundlagen." Zudem gebe es große Überschneidungen mit bestehenden Unis, insbesondere mit der JKU, wo Digitalisierung seit Jahren ein Kernthema sei. Die Aufnahme des Regelbetriebs im Wintersemester 2023/24 sei "illusorisch", meint auch der Senat.
Man befürchtet darüber hinaus, dass das TU-Gesetz Modellcharakter für eine zukünftige Universitätslandschaft haben soll. "Es zeichnet sich darin die Tendenz zu einer weiteren Rückbildung der Autonomie und einer Öffnung gegenüber politischem Einfluss ab, der zu einer unmittelbaren Indienstnahme für die Wirtschaft führt und der mit der Wissenschaftsfreiheit kaum vereinbar ist." Besonders kritisiert wird, dass im Gründungskonvent Vertreter der Politik und des Landes eine Zweidrittelmehrheit haben. "Das Gesetz lässt Berufungsverfahren und Selbstbestimmungsagenden gänzlich ungeregelt und setzt ihre Regelung so – via Gründungskonvent – dem Zugriff der Politik aus. Insgesamt atmet das Gesetz ein unzeitgemäßes Misstrauen gegenüber Wissenschaft und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern", schreibt der Senat.
"Substanzlose Hülle und keine Universität"
Geradezu vernichtend ist die Stellungnahme des Betriebsrats für das wissenschaftliche Personal der JKU, die 328 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterzeichnet haben. Man sei "grundsätzlich bestürzt, dass es auf Basis des vorliegenden Konzeptpapiers überhaupt zu einem Gesetzesentwurf kommen konnte", heißt es gleich einleitend. "Digitalisierung und die digitale Transformation sind keine eigenständigen wissenschaftlichen Fächer. Demnach ist eine rein auf dieses Thema fokussierte Universität entweder eine substanzlose Hülle oder eine Duplizierung von bestehenden Teilkompetenzen der JKU, aber auch anderer Universitäten", wobei das vorgelegte Konzept der ersten Variante zuzurechnen und "somit insbesondere keine Technische Universität" sei. Das Konzept sei "untauglich".
Die Unterzeichnenden kritisieren auch, dass die geplante "Universität" – das Wort ist in der Stellungnahme unter Anführungszeichen gesetzt – außerhalb des Universitätsgesetzes organisiert sei: "Im jetzigen Entwurf zeichnet sich ab, dass man auf Freiheit in Forschung und Lehre und akademische Selbstverwaltung bzw. wissenschaftliche Strategieentwicklung wenig Wert legt. Dafür öffnet man systematischer politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme Tür und Tor." Die TU könnte so "politisch als Probelauf für eine Umgestaltung der österreichischen Universitäten genutzt werden", ist auch hier die Befürchtung.
Die uniko stößt sich darüber hinaus auch am geplanten Stipendiensystem: "Diese Stipendien sollen offenbar nicht nach sozialen Kriterien vergeben werden, sondern als Mittel, um überhaupt Studierende an die neue Universität zu bringen. Daraus kann nur geschlossen werden, dass auch der Gesetzgeber selbst Zweifel am Konzept und der Attraktivität des Studienangebots und des Standorts hat."