„Es erscheint mir sinnvoll, dass wir nach drei Jahren vom Prinzip Hoffnung auf vorausschauendes Agieren umschwenken“, sagt Virologe Andreas Bergthaler am Freitag in Bezug auf das Pandemiemanagement der Regierung. Denn der nächste Herbst kommt bestimmt, und einen dritten Sommer zu verschlafen, würde wohl das letzte Fünkchen Vertrauen in die handelnden Personen zunichtemachen.
„Ich würde die Pandemie gerne für beendet erklären, das geht sich aktuell aber noch nicht aus“, sagte Johannes Rauch. Wie wird sich die Regierung, wie wird sich vor allem der Gesundheitsminister also auf den Herbst vorbereiten? Das ist eine essenzielle Frage, denn das eingangs erwähnte Prinzip Hoffnung hat uns in den vergangenen beiden Jahren jeweils steigende Fallzahlen und ein massiv belastetes bzw. überlastetes Gesundheitssystem beschert.
Vier Szenarien für den Herbst
Seit einigen Wochen beraten Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen, welche Maßnahmen und Rahmenbedingungen für den Herbst notwendig sind. Ein schweres Unterfangen, wenn der Gegner – also Sars-Cov-2 – derart unberechenbar ist. Aus diesem Grund wurden in einem Arbeitspapier fünf Szenarien samt notwendigen Maßnahmen formuliert – wir haben hier darüber berichtet. Und dieses Szenarienpapier ist nun die Basis für den sogenannten Virusmanagementplan des Ministeriums. Die vier Szenarien reichen vom "Idealfall" ohne erforderliche Einschränkungen über den "günstigen Fall" mit neuen Varianten und Auswirkungen ähnlich der Omikron- und Delta-Mutationen mit partiellen Einschränkungen bis hin zu den weniger günstigen Szenarien 3 und 4. Der "ungünstige Fall" sieht häufiges Auftreten und unvorhersehbare Ausbrüche neuer Varianten vor, die zu weitreichenden Störungen des gesellschaftlichen und sozialen Lebens führen.
Szenario 4 umfasst den "sehr ungünstigen Fall", den "Worst Case". Darin kommt es zu "erneuten Wellen, die sehr hohe Zahlen an Infektionen und Hospitalisierungen verursachen", steht im Variantenmanagementplan. In dieser Phase kommt es zu starken Einschränkungen im gesellschaftlichen und sozialen Leben, es wird weiterhin eine Übersterblichkeit und eine Abnahme der durchschnittlichen Lebenserwartung verzeichnet. Nicht mehr vertreten ist das Szenario 4b ("Die Pandemie eskaliert") des Arbeitspapiers von Ende April, in dem angenommen wird, dass das Virus auch deutlich tödlicher wird.
Die Umsetzung wird entscheidend sein
Keines dieser Szenarien wird im Herbst genau wie beschrieben eintreten, aber dass es dieses Papier mit den passenden Maßnahmen gibt, ist zumindest planungstechnisch ein Unterschied zu den vorangegangenen Pandemiejahren. In den nächsten Schritten wird unter Einbindung der Gecko-Kommission dieser Variantenmanagementplan konkretisiert, Anfang Juni soll dann die finale Fassung vorliegen.
Zu messen wird der Gesundheitsminister dann an der Umsetzung sein. Denn einen Plan zu haben, ist das eine, diesen auch effektiv exekutieren zu können, ist das andere. Zudem sind über den Sommer weitere Großbaustellen zu bewältigen. Zum einen die Kommunikation. Neue Maßnahmen sind nur dann sinnvoll, wenn die Bevölkerung diese auch trägt. Doch das Vertrauen ist nach dem ständigen Hin und Her des Pandemiemanagements dahin. Bürgerinnen und Bürger haben vielfach das Gefühl, dass Entscheidungen nicht aus gesundheitspolitischer Sicht getroffen werden, sondern weil eine Lobby-Abteilung erfolgreicher war als andere, ihre Wünsche durchzusetzen.
Die Impfbereitschaft ist äußerst niedrig, doch eine vierte Impfung vor dem Herbst wohl notwendig. Aus diesem Grund wird es eine weitere Impfkampagne geben. Diese soll „von unten nach oben angesetzt werden“, sagte Rauch. Soll heißen, in Unternehmen, in Vereinen, von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten etc. soll Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Die Daten-Baustelle
Ebenso dringend zu lösen ist die immer noch ungelöste Datenfrage. Zum einen müssen Varianten überwacht werden. „Wenn neue Varianten auftreten, müssen wir aber auch wissen, wer sind die Personen, die sich infiziert haben, welche Nebenerkrankungen haben sie, müssen sie hospitalisiert werden, wie ist ihr Impfstatus“, erklärt Andreas Bergthaler. „Nur so können wir die Auswirkungen neuer Varianten realistisch einschätzen. Aber im Moment fehlen uns diese Daten.“ Nach über zwei Jahren Pandemie soll es nun aus diesem Grund ein Covid-19-Register geben. Dieses ist laut Katharina Reich, der Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, „in Vorbereitung, alle Bundesländer haben die Bereitschaft bekundet, die Daten dort einzutragen“. Es wird aber wohl bis Juni dauern, bis erste valide Daten aus diesem Register zugänglich sein werden.
Nun, im Jahr drei der Pandemie, bewegt sich etwas. An diesem Freitag in Wien wurde etwas präsentiert, das dem Anspruch einer vorausschauenden Planung in Ansätzen gerecht wird. Man wird sehen, wie die Umsetzung und Überzeugung der Bundesländer funktionieren. Wie es um die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ÖVP in Sachen Pandemiemanagement bestellt ist, wird man hingegen schon früher sehen. Dann nämlich, wenn es darum geht, ob die Maske im essenziellen Handel auch über den 8. Juli hinaus oben bleiben muss.