Gegen den Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung. Bereits am Mittwoch hatte die Finanz mehrere Personen in der Steueraffäre angezeigt. Gleichzeitig kommen weitere Ungereimtheiten in der schwarzen Landespartei ans Licht: So dürfte 2013 eine Betriebsratswahl der ÖVP gefälscht worden sein.

Jürgen Weiss - früherer ÖVP-Politiker in Vorarlberg, im Bundesrat und Föderalismusminister - bestätigte in der "ZiB2", dass der Betriebsrat damals "ohne tatsächlich durchgeführte Wahl" in der vorigen Form im Amt blieb. "Das war ohne Zweifel ein Fehlverhalten, so etwas darf nicht passieren", sagte er. Er hatte die Causa 2018 untersucht und die Partei über seine Feststellung informiert.

In einem Protokoll darüber war dann jedoch zu lesen, dass diese Vorgangsweise früher schon immer wieder angewendet worden sei. Dies stamme nicht von ihm, sondern sei "die Rechtfertigung, die der Betreffende vorgebracht hat", brachte Weiss vor. Wetz nahm dazu vor der Kamera nicht Stellung, aber laut ORF sagte er, er könne sich nicht erklären, wie dieser Satz ins Protokoll kam. Seit 2020 gibt es in der Vorarlberger ÖVP gar keinen Betriebsrat mehr.

Volkspartei dementierte

Die ÖVP dementiert die Vorwürfe: Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) erklärte am Rande einer Pressekonferenz, die Angelegenheit sei vom Kontrollrat der ÖVP geprüft und abschließend beurteilt worden. Die Personalverantwortung hinsichtlich der Mitarbeitenden liege beim Landesgeschäftsführer.

Er habe das anonyme Schreiben (eines ehem. ÖVP-Mitarbeiters, Anm.) als Landeshauptmann Ende 2017 erhalten und dieses umgehend an den Kontrollrat der ÖVP Vorarlberg zur Prüfung weitergeleitet. Der Kontrollrat unter Vorsitz von Jürgen Weiß habe dabei "kleinere Fehler", etwa in den Kilometergeld-Abrechnungen, entdeckt. Diese seien behoben worden und man habe die vorgeschlagenen Verbesserungen umgesetzt. Mehr gebe es dazu derzeit nicht zu sagen, so Wallner.

Bei der Betriebsratswahl in der ÖVP-Landesgeschäftsstelle 2013 sei nach seinem heutigen Wissensstand "nicht einfach ein Formular ausgefüllt" worden, so GPA-djp-Geschäftsführer Bernhard Heinzle (FCG.ÖAAB) zur APA. Die damals 17 Mitarbeitenden hätten sich zu einer Betriebsversammlung zusammengesetzt, den bisherigen Betriebsrat für eine Fortsetzung vorgeschlagen und abgestimmt. Allerdings sei diese Abstimmung nicht geheim erfolgt, wie es die Betriebsratswahlordnung vorsehe. "Wenn das nicht geheim war, dann war das nicht in Ordnung", hielt Heinzle fest. Für eine ordnungsgemäße Wahl sei im Übrigen der Betriebsrat verantwortlich, der Arbeitgeber habe damit nichts zu tun.

ÖVP voller Vertrauen, Opposition schockiert

ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner betonte am Donnerstag, dass sie weiterhin "vollstes Vertrauen in die Vorarlberger Landespartei" habe. Die Vorwürfe, die am Tisch liegen, müssten nun untersucht und aufgeklärt werden. Dass Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) zu lange zugewartet habe, stellte Sachslehner in Abrede: "Landeshauptmann und Landespartei haben sehr schnell gehandelt und alles auf den Tisch gelegt".

Die ÖVP sei gefordert, die Vorwürfe lückenlos aufzuklären, forderte FSG-Landesvorsitzender Werner Posch. Ein Betriebsrat sei von den Arbeitnehmern zu wählen, jeglicher Eingriff durch Arbeitgeber sei "verwerflich und zeugt von mangelndem Demokratieverständnis". Das Arbeitsverfassungsgesetz sehe nach Ablauf der fünfjährigen Funktionsperiode eines Betriebsrats eine Neuwahl vor. "Eine formlose Funktionsverlängerung, wie der Vorwurf lautet, ist nicht rechtens", so Posch. Betriebsvereinbarungen wären unter diesen Umständen nichtig. "Sollten Mitarbeiter:innen gar unter Einflussnahme des unrechtmäßig bestellten Betriebsrates zu Schaden gekommen sein, kommt eine strafrechtliche Komponente hinzu", betonte er.

Verärgert zeigten sich auch die NEOS. "Würde in einem Unternehmen eine Betriebsratswahl gefälscht, hätte dies weitreichende Konsequenzen. Die ÖVP denkt aber offenbar abermals, dass für sie andere Regeln gelten, so NEOS-Klubobfrau Sabine Scheffknecht. Die Vorwürfe seien "schockierend und zeigen ein verstörendes Demokratieverständnis".

1,3 Millionen Euro an Steuernachzahlung drohen

Der Wirtschaftsbund ist in den vergangenen Wochen bei einer Steuerprüfung durchleuchtet worden. Im Raum steht eine nicht korrekte Abführung von Steuern für Inserate, die für die Wirtschaftsbund-Zeitung "Vorarlberger Wirtschaft" verkauft wurden. Zwischen 2016 und 2021 sollen rund 4,5 Mio. Euro eingenommen worden sein, der Gewinn dürfte laut Einschätzung der Prüfer 1,4 Mio. Euro betragen haben.

Auch für die Zuwendungen des Wirtschaftsbunds an die ÖVP wären gemäß der Prüfung Abgaben fällig gewesen. Während die Steuer von Zuwendungen in Höhe von 1,5 Mio. Euro ausgeht, waren es laut ÖVP lediglich 900.000 Euro. Dem Wirtschaftsbund droht eine Steuernachzahlung in Höhe von bis zu 1,3 Mio. Euro.

Der Wirtschaftsbund hat im Zusammenhang mit der Steuerprüfung Selbstanzeige eingebracht - als "reine Vorsichtsmaßnahme", wie kolportiert wurde. Ob diese wirksam wäre, war allerdings fraglich. In der Selbstanzeige hieß es, man habe eine neue Rechtslage übersehen. Namentlich genannt werden laut "Standard" die beiden ehemaligen Geschäftsführer Jürgen Kessler und Walter Natter, der ebenfalls zurückgetretene Wirtschaftsbund-Obmann Hans-Peter Metzler, der Steuerberater sowie der aktuelle und der ehemalige Finanzreferent, Jürgen Rauch und sein Vater.

Aktenvermerkt zeigt "intensive Diskussion"

Die wirtschaftspresseagentur.com berichtete zudem über einen schriftlichen Aktenvermerk über ein Telefonat von Jürgen Kessler vom 4. September 2020 in seiner damaligen Funktion als Dienstgebervertreter in der ÖGK Vorarlberg (Landesstellenleiter) und der damaligen Leiterin des Expertisezentrums für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing bei der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK. Dabei ging es um geplante ÖGK-Spots im ORF Vorarlberg um einen Betrag von 30.000 oder 35.000 Euro, dazu hatten Kessler und die ÖGK-Bereichsleiterin offenbar unterschiedliche Ansichten bzw. Informationen.

So soll Kessler darauf beharrt haben, die Öffentlichkeitsarbeit der Kasse in Vorarlberg steuern und beauftragen zu dürfen. Auf einen Hinweis der Mitarbeiterin, dass das über eine Medienagentur abgewickelt werde, habe er ihr mit Konsequenzen gedroht. Kessler erklärte dazu, er habe seine eigene Wahrnehmungen zu dem Gespräch. "Eine persönliche Drohung kann ich ausschließen, eine intensive Diskussion in einem internen Telefonat bestätigen", so Kessler.