9.027.999 Menschen lebten am 1. April in Österreich. Das zeigen vorläufige Daten der Statistik Austria. Die historische Marke von neun Millionen Einwohnern wurde wohl bereits am 17. März erreicht – früher als erwartet. Von Jänner bis April stieg die Bevölkerungszahl um mehr als 47.000 Menschen. Das ist mehr als im gesamten Jahr 2021.
Grund dafür ist der Krieg in der Ukraine: Seit Anfang Jänner sind 40.135 Personen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft zusätzlich in Österreich wohnhaft. Mehr als zwei Drittel der Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich sind weiblich, jede und jeder Dritte unter 20 Jahre alt. Der Anteil ukrainischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ist in Wien mit mehr als einem Prozent am höchsten, in der Steiermark sind es 0,38 Prozent, in Kärnten 0,37.
Ansprung durch Ukraine-Krieg
200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer könnten in Österreich Schutz vor Putins Krieg suchen, betont Flüchtlingskoordinator Michael Takács immer wieder. Hilfsorganisationen und der ukrainische Botschafter Vasyl Khymynets gehen von deutlich mehr Schutzsuchenden aus. Unklar ist, wie lange sie in Österreich bleiben müssen – und wie viele nach einem möglichen Kriegsende zurückkehren.
Klar ist, dass Österreichs Bevölkerung wächst. Nach Berechnungen der Statistik Austria hätte die Alpenrepublik auch ohne Ukraine-Krieg 2022 die Neun-Millionen-Marke geknackt. Bis zu zehn Millionen wäre es aber noch ein weiter Weg: Im Durchschnittsszenario würde dieser Wert erst 2099 erreicht werden.
Niederösterreich und Wien wachsen, Kärnten schrumpft
Generelle Trends der letzten Jahre würden sich aber auf dem Weg in das neue Jahrtausend fortsetzen: Das stärkste Wachstum würde demnach Wien verzeichnen. 2026 würden mehr als 2 Millionen Menschen in der Hauptstadt wohnen. Durch den starken Zuzug von Ukrainerinnen und Ukrainern wird dieser Wert wohl früher erreicht.
Bis 2100 würden im Basis-Szenario der Statistik Austria mehr als 2,3 Millionen Menschen in Wien leben – 400.000 mehr als heute. Die Hauptstadt würde folglich um die Größe Vorarlbergs wachsen. Nur Niederösterreich könnte bis dahin ein ähnliches Wachstum vorweisen, die Steiermark stagnieren und Kärnten gar um rund 40.000 Einwohner – das sind mehr als in Steyr leben – schrumpfen. Noch wächst Kärnten leicht, ab nächstem Jahr dürfte sich das eben ändern.
Aus dem Land in die Stadt
Hintergrund ist die Landflucht. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Dass Niederösterreich dennoch wächst, liegt vor allem am sogenannten "Speckgürtel" um Wien. Die Gemeinden rund um die Hauptstadt werden in den nächsten Jahrzehnten weiter starken Zuzug erleben.
Auch Graz und sein Umland wird aller Voraussicht nach deutlich wachsen. Die Landeshauptstadt ist somit nahezu allein verantwortlich dafür, dass die Steiermark nicht schrumpft, denn alle anderen steirischen Bezirke werden in den nächsten Jahren wohl an Einwohnern verlieren.
Die alte Republik
Das Problem der Landflucht ist nicht neu. Da es aber vor allem junge Menschen in und um die Städte zieht, wird das Land deutlich älter. Damit repräsentieren die ruralen Gegenden einen weiteren Trend der ganzen Republik: Österreich wird immer älter.
Die sogenannte Bevölkerungspyramide ist schon lange keine Pyramide mehr, in der die jüngsten Einwohner die Mehrheit darstellen, im Gegenteil: Seit letztem Jahr leben in Österreich mehr Menschen über 65 als unter 20. Auch diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Der Anteil der Personen über 65 könnte bis 2100 von 19 auf 30 Prozent steigen.
Zuzug statt schrumpfender Republik
Dass Österreich dennoch wächst, gelingt vor allem durch Zuzug. Denn die Geburtenbilanz ist in Österreich bereits seit der Jahrhundertwende negativ. Das heißt, dass hierzulande mehr Menschen sterben als geboren werden. Trotz regionaler Unterschiede gilt daher: Wandert niemand ein, schrumpft die Republik.
Österreich ist aber ein Einwanderungsland, die Zahl der im Ausland geborenen Menschen steigt daher in Zukunft weiter an: Im Hauptszenario der Statistik Austria von rund 1,8 Millionen 2021 auf fast 2,7 Millionen Menschen 2100. Die Zahl der in Österreich geborenen Personen ändert sich hingegen wenig: Statt 7,1 Millionen 2021 würden 2100 rund 7,3 Millionen Personen, die in Österreich geboren wurden, hierzulande leben. Auch sie zieht es vor allem in die Städte, die häufig erste Ankunftsstellen sind und wo womöglich bereits Familie, Freunde und Bekannte wohnen.
Viel Einwanderung, wenig Einbürgerung
Mehr Einwohner bedeuten aber nicht zwingend, dass es auch mehr Staatsbürger gibt. Der Großteil der im Ausland geborenen Menschen, die in Österreich leben, erhalten nie die Staatsbürgerschaft. In den letzten Jahren bewegte sich die Zahl der jährlichen Einbürgerungen um die 10.000.
Nach einem Einbruch 2020 stieg sie letztes Jahr auf über 16.000 – was "nahezu ausschließlich auf die Einführung der Möglichkeit der Einbürgerung von Nachkommen von Opfern des NS-Regimes zurückzuführen ist", wie die Statistik Austria erklärt. Als Resultat war 2021 Israel das häufigste Herkunftsland neuer Österreicherinnen und Österreicher.
Nur 0,6 Prozent der ausländischen Bevölkerung wurde 2021 in Österreich eingebürgert, ein Fünftel davon wurde bereits hierzulande geboren. Verglichen mit anderen Industrieländern ist das wenig.
So stagnierte die Zahl der Wahlberechtigten bei den letzten drei Nationalratswahlen um die 6,4 Millionen – obwohl die Bevölkerung zwischen 2013 und 2019 um 400.000 Menschen anstieg.
Rund 1,2 Millionen Menschen, die in Österreich leben, waren 2021 von Wahlen ausgeschlossen, kritisiert etwa SOS Mitmensch. Die Organisation macht mit der sogenannten "Pass Egal Wahl" seit 2013 auf das Problem aufmerksam.
Eine Prognose der Menschen, die auch laut Pass Österreicherinnen und Österreicher sein werden, ist schwierig: Neue Einbürgerungen seien "wesentlich von künftigen politischen Rahmenbedingungen abhängig und lassen sich daher kaum antizipieren", erklärt die Statistik Austria.
Maximilian Miller