Der Inseraten-Skandal des ÖVP-Wirtschaftsbundes in Vorarlberg ist aktuell Thema eines Sonderlandtages - dem ersten in der Geschichte des "Ländle". Auch ein Untersuchungsausschuss steht im Raum, ein Misstrauensantrag gegen Wallner wird aber erst in einer späteren Sitzung behandelt.

Manuela Auer, stellvertretende SPÖ-Klubobfrau im Vorarlberger Landtag, und NEOS-Klubchefin Sabine Scheffknecht rechnen nicht mit einem baldigen Rücktritt von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Im Sonderlandtag am Montag wird die Opposition ihn zwar dazu auffordern und einen Misstrauensantrag einbringen, aber: "Ich glaube nicht, dass die Einsicht schon so weit ist", so Auer gegenüber der APA. Grund für die Sondersitzung sind die Turbulenzen um den ÖVP-Wirtschaftsbund.

Wallner habe "den letzten Rest an Vertrauen verspielt", hatten die Klubobleute von FPÖ, SPÖ und NEOS am Samstag erklärt, warum sie einen Misstrauensantrag einbringen. Er trage die Hauptverantwortung für den Skandal. Die Vorwürfe auch gegen seine Person gingen in Richtung Korruption, er sei nicht mehr amtsfähig und müsse zurücktreten, erneuerten sie ihre Aufforderung vom Freitag.

Wallner tritt "definitiv nicht zurück"

"Wegen einer Unwahrheit im Schutz der Anonymität trete ich definitiv nicht zurück", stellte der Landeshauptmann in der Sondersitzung fest. Er lasse sich nicht denunzieren, übernehme die Verantwortung, wo er sie habe, aber nicht in Bereichen, in denen er sie nicht habe. "Ich habe nie ein Inserat verhandelt oder verkauft, auch keine Gegenleistung", betonte er.

Der Landeshauptmann zeigte sich "schwerstens irritiert", wenn in der Öffentlichkeit im Schutz der Anonymität Behauptungen aufgestellt werden, "die in keiner Weise stimmen". Ein Unternehmer hatte eidesstattlich, aber anonym erklärt, Wallner habe um Inserate für die Wirtschaftsbund-Zeitung geworben und auch Gegenleistungen in Aussicht gestellt. Was ihm da vorgeworfen werde, sei nicht sein Stil, nicht seine Art der Amtsführung, "das ist nicht vorgekommen", unterstrich Wallner.

Inhaltlich sagte Wallner, dass ihm der Steuerakt zum Wirtschaftsbund nicht vorliege. Das sei auch richtig so, weil er für den Wirtschaftsbund nicht die Verantwortung trage. Die Finanzbehörden arbeiteten äußerst korrekt, sie machten nicht ihn verantwortlich, sondern fragten beim Obmann und dem Geschäftsführer nach. Dass möglicherweise Steuer nachbezahlt werden müsse, habe mit dem stark gestiegenen Anzeigenaufkommen der vergangenen drei Jahre zu tun. "Ich wäre im Traum nicht darauf gekommen, dass man das im Wirtschaftsbund nicht sieht. Ich habe aber auch nicht nachgefragt", so Wallner. Mit gewissen öffentlich gewordenen Ungereimtheiten sei er aber natürlich "unzufrieden. Da entsteht ein Bild, das nicht meines ist", so der Landeshauptmann.

Frist für Stellen des Misstrauensantrags verstrichen

Im Sonderlandtag steht der Misstrauensantrag nicht auf der Tagesordnung, es wird damit auch nicht über ihn abgestimmt. Dafür hätte der Antrag am Freitag bis 17 Uhr eingebracht werden müssen. Man habe diese Frist nicht versäumt, sondern sich bewusst dafür entschieden, alles "Schritt für Schritt" zu machen, erklärten Auer und Scheffknecht am Sonntag. So etwas müsse seriös abgehandelt werden, da komme es auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht an. Im Sonderlandtag gebe es auch so genug zu diskutieren, meinte Auer. Der Antrag wird frühestens am 11. Mai im Landtagsplenum behandelt.

Die Oppositionsparteien riefen die Grünen als Regierungspartner der ÖVP auf, den Misstrauensantrag mitzutragen. Diese zeigten sich bisher höchst zurückhaltend. Am Freitag ließen die Vorarlberger Spitzen-Grünen wissen, dass man der ÖVP zumindest vorerst die Treue halten werde. Vizekanzler und Bundessprecher Werner Kogler befand am Samstag im Ö1-"Journal zu Gast" zwar, dass Vorarlbergs Ruf als "sauberes Bundesland" "nachhaltig gestört sei, Wallners Rücktritt wollte er aber nicht fordern.

Jedenfalls ist am Montag eine scharfe Auseinandersetzung über die Vorgänge um den Wirtschaftsbund zu erwarten. Einberufen wurde die Sitzung auf Verlangen von elf Mandataren der FPÖ, der SPÖ und der NEOS. Als Basis dient die – schon am 4. April eingebrachte – Anfrage der Oppositionsparteien an Wallner: "Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem ÖVP-Parteispendenskandal?"

Darin geht es unter anderem um Geldflüsse des Landes zur mittlerweile eingestellten ÖVP-Wirtschaftsbund-Zeitung "Vorarlberger Wirtschaft". Weiters versucht die Opposition eine bessere personelle Ausstattung des Landesrechnungshofs zu erreichen und dass dieser in Zukunft auch Vorfeldorganisationen einer Partei prüfen darf. Sollte man sich diesbezüglich nicht einig werden, ließen sich FPÖ, SPÖ und NEOS die Einberufung eines Untersuchungsausschusses offen.

Auer: "Nicht sehr optimistisch"

Sowohl Auer als auch Scheffknecht erklärten am Sonntag, ihre Hoffnungen und ihre Erwartungen für die Landtagssitzung würden auseinanderklaffen. Scheffknechts Wunsch wäre, dass Wallner "Verantwortung übernimmt, reinen Tisch macht und die Gebarung von Wirtschaftsbund und ÖVP komplett offenlegt". Zu befürchten sei aber, dass versucht werde, "Dinge unter den Teppich zu kehren und herunterzuspielen".

Auch Auer gab sich "nicht sehr optimistisch" – unter anderem, weil die ÖVP auf den Antrag der Opposition zu mehr Prüfrechten und mehr Personal für den Rechnungshof bereits einen Abänderungsantrag eingebracht habe, der die ursprüngliche Intention verwässere.

Rücktrittsaufforderungen im Landtag

In der Sitzung forderte FPÖ-Klubobmann Christof Bitschi Wallner auf, "Verantwortung zu übernehmen" - also sich zu entschuldigen oder zurückzutreten. Wallner sei über alles informiert gewesen und offenbar auch involviert. Damit sprach Bitschi eine eidesstattliche Erklärung eines Unternehmers an, bei dem Wallner um Inserate geworben und Entgegenkommen signalisiert habe. Bestätige sich das, handle es sich um Korruption, so Bitschi.

Für SPÖ-Abgeordnete Auer handelte es sich um den "größten Politskandal, den es bisher gegeben hat". Der Wirtschaftsbund sei eine Teilorganisation der ÖVP und Wallner trage die Gesamtverantwortung. Er sei Zuschauer gewesen, ob er auch Akteur gewesen sei, gelte es zu klären. Jedenfalls sei er aber Profiteur eines Systems gewesen, das den politischen Wettbewerb verzerrt habe. "Es geht um ein lange gepflegtes, zur Perfektion ausgearbeitetes System der ÖVP, dem sich niemand entziehen konnte", betonte Auer in ihrer Rede.

ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück zeigte sich unzufrieden damit, dass eine Vorverurteilung stattfinde, "ohne dass irgendein Verfahren abgeschlossen ist". Das einzige Ziel der Opposition sei es, die ÖVP zu schwächen und Landeshauptmann Wallner zu stürzen. Die Volkspartei halte sich an geltendes Recht, innerparteiliche Finanzströme seien erlaubt. Nachdem jede Teilorganisation eigenständig sei, könne die Landespartei gar nicht "hineinschauen". Frühstück hielt aber auch fest, dass man richten werde, sobald ein Ergebnis der Steuerprüfung vorliege. Falls es Steuern oder Strafen zu bezahlen gebe, werde man dem natürlich nachkommen, betonte er.

Gleichzeitig fordern die Grünen eine "Systemwechsel" und "bis ins Detail lückenlose Aufklärung". Wenn eine Partei im Vergleich zu den Mitbewerbenden über so viel mehr Geld verfüge, sei im Wahlkampf kein objektiver Vergleich möglich, attestierte die grüne Klubobfrau Eva Hammerer der ÖVP "demokratieschädigendes Verhalten". Man brauche einen Systemwechsel hin zu einer Politik zum Wohle aller. "Wenn Sie das schaffen, gut. Wenn nicht, machen Sie Platz für die, die es wollen und die, die es können", so Hammerer an die ÖVP.

Diskutiert wird die Causa im Landtag angesichts vieler über die Medien bekannt gewordener Einzelheiten. Am Anfang stand eine Steuerprüfung des Wirtschaftsbunds, bei der es im Wesentlichen darum ging, ob die richtigen Zinssätze für Steuerbegleichungen angewendet wurden – und ob "innerparteiliche Zuwendungen" steuerpflichtig sind. Nach eigenen Angaben hat die ÖVP seit 2014 rund 900.000 Euro von ihrer Vorfeldorganisation erhalten. Das Finanzamt machte aber 1,5 Mio. Euro an Zuwendungen aus. Mit dem Abschluss der Steuerprüfung ist im Mai zu rechnen. Während der Wirtschaftsbund von einer Nachzahlung von im schlimmsten Fall rund 700.000 Euro ausgeht, könnte das Finanzamt laut den publik gewordenen Dokumenten auf 1,3 Mio. Euro bestehen.

Vorwürfe gegen Wallner werden laut

Ein schiefes Licht warfen aber insbesondere andere Vorgänge innerhalb des Wirtschaftsbunds auf die Organisation. So steht ein zinsloses 250.000 Euro-Darlehen für ein Immobiliengeschäft des mittlerweile zurückgetretenen Direktors Jürgen Kessler ebenso im Raum wie 24.000 Euro für eine Lebensversicherung seines Vorgängers Walter Natter oder vierstellige Barabhebungen ohne Belege an den damaligen Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser und seinen Nachfolger Marco Tittler (beide ÖVP) – von ihnen als "Verfügungsmittel für Veranstaltungen" erklärt. 4.500 Euro sollen an das Rote Kreuz gespendet worden sein, allerdings weiß das Rote Kreuz nichts davon. Laut Wirtschaftsbund soll eine Kanzlei von außerhalb Vorarlbergs zur Aufklärung engagiert werden.

Gegen den Landeshauptmann wurden Vorwürfe laut, er habe selbst bei Betrieben um Inserate geworben und dafür politisches Entgegenkommen versprochen. Wallner wies die Vorwürfe scharf als "glatte Lüge" und absurd zurück. "Ich bin kein Inseratenkeiler für den Wirtschaftsbund", betonte er.