Der Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund hat in den vergangenen Jahren die beiden ÖVP-Wirtschaftslandesräte Karlheinz Rüdisser (2008 bis 2019) und Marco Tittler (seit 2019) mit Direktzahlungen bedacht. Das geht aus den Unterlagen aus dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss hervor, die dem "Standard" und dem ORF Vorarlberg vorliegen. Sowohl Rüdisser als auch Tittler sprechen von Geld für ihre politische Arbeit. Niemals sei ein Cent davon für private Zwecke verwendet worden.
Rüdisser erhielt den Unterlagen zufolge zwischen Mai 2016 und Februar 2019 zehnmal je 500 Euro vom Wirtschaftsbund, insgesamt also 5000 Euro ausbezahlt. "Es waren Verfügungsmittel für Veranstaltungen, wofür Kosten übernommen wurden", sagte er gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten". Der Wirtschaftsbund habe für seine Funktionäre regelmäßig Kosten übernommen. Tittler, der 1000 Euro bekommen haben soll, rechtfertigte sich in derselben Weise. Rüdisser führt den Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund seit 11. April interimistisch als Nachfolger des zurückgetretenen Hans Peter Metzler. Seine Aufgabe ist es, die laufende Steuerprüfung zu begleiten und gegebenenfalls Konsequenzen in Form einer geänderten Organisationsstruktur zu ziehen. Das Finanzamt geht laut den publik gewordenen Unterlagen von einer Steuernachzahlung von bis zu 1,3 Mio. Euro aus, Rüdisser rechnete bisher im schlimmsten Fall mit 700.000 Euro.
Weitere Bargeldzahlungen
Weitere Bargeldzahlungen in Höhe von insgesamt 4500 Euro sollen zwischen 2018 und 2020 an das Rote Kreuz gegangen sein. So gibt es Barabhebungen mit einem entsprechenden Vermerk. Den Steuerprüfern fehlt aber ein Beleg, dass das Geld auch wirklich an die Rot-Kreuz-Organisation geflossen ist. Laut Recherche der "Vorarlberger Nachrichten" unter Bezugnahme auf die Geschäftsführung des Roten Kreuzes Vorarlberg ist dort im fraglichen Zeitraum keine Spende des Wirtschaftsbunds eingegangen. Es seien in diesen Jahren auch keine außertourlichen Spenden von einzelnen Mitgliedern des Wirtschaftsbunds als Privatpersonen getätigt worden, hieß es.
Reisinger entsetzt
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich im Puls24-Interview "entsetzt" über das von der ÖVP in Vorarlberg geschaffene System und forderte den Rücktritt von ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner. Es sei ihr "Verständnis von politischer Verantwortung, dass der Landesparteiobmann, Landeshauptmann die Verantwortung übernehmen muss", so Meinl-Reisinger: "Er sagt ja auch, er hat's gewusst – auf was wartet er noch?"
"Türkiser Sumpf"
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sieht wiederum Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der Ziehung: "Der türkise Sumpf muss vollständig trockengelegt werden. Nehammer muss zu den skandalösen Machenschaften in seiner Partei Stellung beziehen." Der Versuch des Kanzlers, durch diese Affäre durchzutauchen, sei nicht länger tragbar, so Deutsch.
Indes brachten die Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS im ÖVP-Korruptionsausschuss ergänzende Beweisanforderungen zum Wirtschaftsbund ein, wie die "Vorarlberger Nachrichten" in einer Vorabmeldung berichteten. Diese ergehen an alle Bundesministerien, die Wirtschaftskammer, die Österreichische Gesundheitskasse und die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen. Das Verlangen wurde am Donnerstagabend eingebracht. Innerhalb von zwei Wochen müssen nun alle Akten und Unterlagen in Zusammenhang "mit Inseraten in der Zeitung des Vorarlberger Wirtschaftsbunds" geliefert werden.