Die Steuerprüfung des ÖVP-Wirtschaftsbunds in Vorarlberg könnte für die Vorfeldorganisation der Volkspartei mit einer Nachzahlung in Millionenhöhe verbunden sein. Das berichteten am Mittwoch der "Standard" und ORF Radio Vorarlberg auf Basis von Dokumenten, die das Finanzministerium dem ÖVP-U-Ausschuss geliefert hat. Der aktuelle Wirtschaftsbund-Obmann Karlheinz Rüdisser zeigte sich überrascht. Er ging von 700.000 Euro aus, die als Nachzahlung drohen könnten.
"Standard" und ORF hingegen berichteten von 1,3 Mio. Euro. Laut der Aufstellung des Wirtschaftsbunds seien zwischen 2016 und 2021 rund 4,5 Millionen Euro für Inserate in der Zeitung "Vorarlberger Wirtschaft" eingenommen worden. Müsste dafür Umsatzsteuer bezahlt werden, so ergäbe das einen Betrag von rund 746.000 Euro. Der Wirtschaftsbund hat - diese Praxis gab es seit jeher - zwar die Werbeabgabe in Höhe von fünf Prozent abgeführt, aber keine Umsatzsteuer. Bei der laufenden Steuerprüfung geht es gerade darum, ob diese Umsatzsteuer zu leisten ist oder nicht.
Weitere Steuerzahlungen könnten sich daraus ergeben, dass das Finanzamt für den Wirtschaftsbund zwischen 2016 und 2020 einen Gewinn von mehr als 1,3 Millionen Euro errechnete, während der Wirtschaftsbund selbst mit einem Verlust von 180.000 Euro bilanzierte. Die Körperschaftssteuer auf den Gewinn würde etwa 342.000 Euro betragen.
Keine Steuern für Zuwendungen
Für die Zuwendungen des Wirtschaftsbunds an die ÖVP-Landespartei wurden bisher gar keine Steuern bezahlt, die Prüfer allerdings gehen von einem Steuersatz in Höhe von 15 Prozent aus. Das Finanzamt machte 1,5 Mio. Euro an Zuwendungen aus, damit könnten für den Wirtschaftsbund weitere knapp 226.000 Euro fällig werden. Zu diesen Zuwendungen gehörten etwa auch diverse Barauszahlungen oder Veranstaltungskosten für die ÖVP. Die Finanzamtsprüfung ist noch am Laufen, eine abschließende Besprechung mit den Prüfern gebe es Anfang Mai, sagte Rüdisser.
"Keine Spenden oder Sachleistungen"
Aus dem Büro von Landesparteichef Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) wurde am späten Nachmittag gegenüber der APA betont, dass die Vorarlberger Volkspartei vom Wirtschaftsbund keine Spenden oder Sachleistungen erhalten habe. 2014 sei eine finanzielle Unterstützung der Partei in Höhe von 400.000 Euro erfolgt, 2019 eine weitere mit einem Volumen von 500.000 Euro. Die weiteren Fragen seien Gegenstand eines offenen Steuerverfahrens. Dabei werde unter anderem zu klären sein, ob eigenständige Veranstaltungen des Wirtschaftsbunds - wie beispielsweise Unternehmertreffs - als Zuwendungen an die ÖVP Vorarlberg zu werten seien.
Inseratenaffäre und Rücktritte
Der Vorarlberger Wirtschaftsbund ist aufgrund seiner Inseratengeschäfte schon vor Monaten in die Schlagzeilen geraten, in weiterer Folge wurden auch Zahlungen der Vorfeldorganisation an die Mutterpartei infrage gestellt. Die Finanzamtsprüfung wurde Ende März publik, der Geldfluss vom Wirtschaftsbund zur ÖVP wird Gegenstand einer Sondersitzung des Vorarlberger Landtags am nächsten Montag, dem 25. April, sein. Wirtschaftsbund-Obmann Hans Peter Metzler sowie Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler traten Anfang April infolge der massiven Vorwürfe zurück, "um zu einer Versachlichung zurückzukehren", wie es hieß. Rüdisser wurde am 11. April zum interimistischen Nachfolger von Metzler bestellt.
Laut "Standard" und ORF könnte die Selbstanzeige des Wirtschaftsbunds - ursprünglich als "Vorsichtsmaßnahme" bezeichnet - nur zum Teil strafmildernd wirken. Weil schon seit Mitte Dezember Untersuchungen gegen Jürgen Kessler und seinen Vorgänger Walter Natter liefen, sei dem Wirtschaftsbund bewusst gewesen, was auf ihn zukomme, hieß es.
"Zeit für die ganze Wahrheit"
Scharfe Kritik äußerten erneut die Vorarlberger Oppositionsparteien. NEOS-Parteichefin Sabine Scheffknecht sowie die stellvertretende SPÖ-Klubobfrau Manuela Auer forderten beide unabhängig voneinander ÖVP-Landesparteichef Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) auf, die Karten auf den Tisch zu legen. "Es ist Zeit für die ganze Wahrheit", richtete Scheffknecht aus. Wallner gebe immer nur das zu, "was nicht mehr zu verstecken ist", so Auer. FPÖ-Landesparteiobmann Christof Bitschi stellte fest, dass "der ÖVP-Skandal immer noch größer" werde und sich die Schlinge um Landeshauptmann Wallner immer weiter zuziehe. Sollte sich bewahrheiten, dass Wallner die Unwahrheit gesagt habe, müsse es personelle Konsequenzen geben, forderte Bitschi. Wallners Namen nannte er aber nicht explizit.
Auch die Grünen als Regierungspartner der ÖVP forderten die Volkspartei nachdrücklich dazu auf, "sämtliche Zahlungen und Vorgänge in der Wirtschaftsbundaffäre endlich offen zu legen". Die ÖVP müsse jetzt rasch für die Klärung ihrer Angelegenheiten sorgen, sagte Landessprecherin Eva Hammerer.
Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsvorsitzender im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, forderte, dass der "tief im Vorarlberger Wirtschaftsbund verwurzelte" Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) für die Aufklärung der Causa "sofort einen Schritt zur Seite machen" und sein Amt interimistisch einer unbefangenen Persönlichkeit übergeben müsse.