Nach der Justiz und dem Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) rückte im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss wieder die Finanz in den Fokus. Der steirische Investor Siegfried Wolf und Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sollten vor allem zu dem umstrittenen Steuernachlass für den steirischen Millionär befragt werden. Wolf fürchtete aber, sich mit Aussagen strafrechtlich zu belasten und entschlug sich vielfach. Schellings Befragung startete ähnlich.
Schelling erklärte in seinem Eingangsstatement, dass er sich "gar nichts vorzuwerfen habe". In keinem einzigen Finanz-Fall habe er angeordnet, für oder gegen jemanden zu entscheiden. Dennoch ist er nun in der Causa Wolf mit beschuldigt. Bei allen Fragen zum Ibiza-Verfahren, werde er daher einzeln abwägen, ob er sich entschlagen werde oder nicht.
Beugestrafe gegen Schelling beantragt
Warum die Kosten der Öffentlichkeitsarbeit in seiner Zeit als Finanzminister massiv stiegen, wollte Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl wissen. Zu antworten würde eine Umgehung seiner Beschuldigtenrechte darstellen, erklärte der Ex-Finanzminister.
Immerhin seien Teile des Ermittlungsaktes für ihn noch nicht einsehbar, er sei auch noch nicht als Beschuldigter einvernommen worden. Daher wisse er nicht, welche Teile des Akts für ihn welche Konsequenzen haben könnten. Der nun vorsitzende dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) kam zum Schluss, ja, er muss. Daher wird Hofer beantragen, dass über Schelling eine Beugestrafe von bis zu 1.000 Euro verhängt wird.
Auch bei der ersten Frage des nach einer Corona-Infektion wieder genesenen ÖVP-Fraktionsführers Andreas Hanger entschlägt sich der Ex-Finanzminister. Hier darf er es. Die Frage betraf die Steuercausa Wolf, in der Schelling beschuldigt ist, hält Hofer fest.
Tanz der Polizei
"Gestern hast gut getanzt, vielleicht kann die Polizeivertretung nach deiner Melodie tanzen und mein (sic!) Schwager (...) nach St. Pölten versetzen", wurde dem früheren Finanzminister 2016 geschrieben. Er schickte die Nachricht an seinen Generalsekretär Schmid, der das Anliegen an den damaligen Sektionschef im Innenministerium, Michael Kloibmüller, weiterleitete.
Da eine Auswertung dessen Handys von Peter Pilz an die WKStA weitergegeben wurde, müsse er sich auch hier entschlagen, sagte Schelling, nachdem ihm dieser Chat vorgelegt wurde. Daran, ob es weitere derartige Anliegen an ihn gegeben habe, könne er sich nicht erinnern, sagte der frühere Finanzminister.
"Buhmann der Nation"
Wie wurde Thomas Schmid Generalsekretär im Finanzminsiterium, will die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr wissen. "Abgesehen davon, dass er der Buhmann der Nation ist, was ich in manchen Fällen auch so sehe", habe Schmid gute Arbeit geleistet, erklärt Schelling. Als er 2015 einen Generalsekretär bestellt habe, sei Schmid "die beste Lösung" gewesen.
Seine Zeit in der Regierung habe da geendet, wo der Untersuchungszeitraum beginnt, betont Schelling: Mit der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz (ÖVP). Dass er an dessen Aufstieg eher nicht beteiligt war, sei durchaus bekannt, sagte Schelling - wohl mit Verweis auf Chats, die hinter dem Rücken des Ex-Ministers geschrieben wurden.
Sabotage hinter dem Rücken des Ministers
Der Ex-Finanzminister kann sich dennoch auch zum "Projekt Ballhausplatz", das Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in das Kanzleramt heben sollte, äußern. Immerhin schrieb er 2017 an Schmid: "Mich wird niemand demontieren, so wie man es mit Fekter gemacht hat", und: "Ich bin keine Schachfigur, mit der andere spielen. Ich setze meine Züge selbst."
Dass Kurz gemeinsame Projekte der Regierung sabotiert habe "entzieht sich meiner Wahrnehmung", sagte Schelling aber im U-Ausschuss. SPÖ-Abgeordnete Herr legt Chats von Schellings Generalsekretär Schmid vor, in denen etwa 1,2 Milliarden Euro für Kinderbetreuung verhindert werden sollten. Dass Schelling als Finanzminister nach Kurz Wunsch in einer neuen Regierung "draußen sein" werde, wenn er Kompromisse mit dem damaligen roten Koalitionspartner eingehen würde, wie es in Chats hieß, habe ihm Kurz nicht gesagt.
Keine Schachfigur, sondern langsamer Bär
Dass Schelling ein langsamer Bär mit Überblick wäre, stellte die Meinungsforscherin Sabine Beinschab auf Kosten des Finanzministeriums fest. In der Causa rund um parteipolitische Studien, die das Finanzministerium für die ÖVP und vor allem Kurz bezahlt haben soll, wird der Ex-Finanzminister seine Wahrnehmungen darlegen müssen. Weitere Studien, etwa der GfK Austria, erfragten für das Finanzministerium, wie "durchsetzungsfähig", "kompetent", "glaubwürdig" oder "sympathisch" Schelling war.
Schelling (ÖVP) war außerdem nicht nur in den Steuernachlass für Wolf involviert, sondern hat arbeitete nach seiner Zeit als Finanzminister auch für den russischen Staatskonzern Gazprom als Berater. In der ersten Fragerunde entschlug sich Wolf noch zu einer entsprechenden Frage des SPÖ-Abgeordneten Krainer. In der zweiten Runde versuchte es Krainer erneut und erfuhr: Wolf hat keine Wahrnehmung zu Schellings Beratervertrag.
Schweigsamer Wolf
Am Vormittag zeigte sich bereits Siegfried Wolf wenig aussagefreudig. Es werde ihm vorgeworfen, "all meine öffentlichen und nicht öffentlichen Unterstützungsleistungen an Sebastian Kurz" nur getätigt zu haben, um begünstigt zu werden, erklärte Wolf.
So entschlug er sich in seiner fast sechsstündigen Befragung zu den Themen:
- Steuerakt Siegfried Wolf
- Reisen von Kurz nach Russland
- Sanktionen gegen den russischen Oligarchen Oleg Deripaska
- Transport von Gold über die österreichische Grenze
- Reise von Ex-Finanzminister Schelling 2016 nach St. Petersburg
- ÖBAG-Bestellungen
- Mögliche "Spendenrallyes" für die ÖVP in Wolfs Schloss Reifnitz
- Causa Eurofighter
Generell zeigte sich Wolf wenig aussagefreudig. Stattdessen kritisierte der Investor die mediale Berichterstattung über sich. Da Wolf die Zulässigkeit vieler Fragen hinterfragte und sich breit entschlug, verfing sich der Ausschuss in zahlreiche Geschäftsordnungsdebatten. Mehrmals musste unterbrochen werden, damit der Investor seine Entschlagungsgründe formulieren kann.
Ex-SPÖ-Mitglied Wolf
In seinem Eingangsstatement beklagte Wolf einen "Tsunami an Desinformation" über seine Person. "Völlig aus dem Zusammenhang gerissene oder in falschen Zusammenhang gestellte" Details aus seinem Steuerakt würden an die Öffentlichkeit gespielt werden. Die daraus entstandenen Geschichten würden aber in keinster Weise der Realität entsprechen, es gelte wohl das Motto: "gründliche Recherche zerstört jede reißerische Geschichte", so der Investor.
Er sei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem Standort Österreich verbunden, keiner Partei, sagte Wolf. So habe er Auszeichnungen des früheren steirischen Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) oder des Wiener Ex-Bürgermeisters Michael Häupl (SPÖ) erhalten und sei Mitglied der SPÖ Wien gewesen, erzählte der "Selfmade-Unternehmer" Wolf. Diese Mitgliedschaft ist aber nicht mehr aktiv, stellte Wolf am frühen Nachmittag auf Nachfrage der FPÖ-Abgeordneten Susanne Fürst (FPÖ) klar.
Für die SPÖ ist eine ehemalige Mitgliedschaft dagegen in ihren eigenen Aufzeichnungen "nicht nachvollziehbar", wie es in einem Statement der Bundespartei gegenüber der APA heißt.
"Sigi oder Herr Wolf"
Wolf kam auch auf das MAN-Werk in Steyr zu sprechen, dessen Übernahme ein Erfolg sei, der auch der Gewerkschaft zu verdanken sei. Er plane, am Standort Steyr auf 3000 Mitarbeiter aufzustocken. Nächstes Jahr könne man als erstes Unternehmen Österreichs CO2-frei produzieren.
Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl fragte mit Verweis auf die vielen Titel, die Wolf erhielt und trägt, zunächst, wie er den Investor ansprechen dürfe. "Es ist bekannt, dass ich rasch duze", sagte der Millionär und schlug "Sigi oder Herr Wolf" vor. Pöschl wollte Herrn Wolf nicht duzen.
Auf die Frage, ob bei einer Veranstaltung in seinem Schloss Reifnitz Spenden für die ÖVP gesammelt wurden, entschlug sich der Millionär mit Verweis auf Amtsmissbrauch. Der Verfahrensrichter betonte, dass eine Spende an eine Partei keinen solchen darstellen würde. Besonders nicht, da Wolf wiederholt betonte, nie an eine Partei gespendet zu haben und angab, auch nicht über andere Spender Bescheid zu wissen.
Russland-Komponente
Wolf ist für seine guten Beziehungen zu Russland bekannt. Der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, hatte dem Steuersektionschef Gunter Mayr erklärt, Wolf sei "in Richtung Russland sehr dienlich".
Den Aufsichtsratsvorsitz der Sberbank Europe AG, der Europatochter der größten russischen Bank, werde er bei der nächsten Hauptverhandlung zurücklegen, betonte Wolf. Er stehe danach für keine Aufsichtsratsfunktion in der Bank mehr zur Verfügung. Bei anderen Funktionen ist sich Wolf weniger sicher: Er wisse nicht, ob er Mitglied der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft sei.
Sberbank
Der Investor ist wirtschaftlich eng mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska verbunden und soll sich bei Kurz stark für das Ende von Sanktionen gegen den Russen eingesetzt haben.
"Sebastian guten Morgen - wenn du heute mit US redest dann sollten die uns bitte sagen was US noch von uns verlangt?", schrieb Wolf etwa laut einem Amtsvermerk an Kurz. Einen Monat später bat er ihn, den damaligen US-Finanzminister Steve Mnuchin oder Außenminister Mike Pompeo anzurufen: "Ich brauche nochmal deine Hilfe in meiner Angelegenheit."
Keine Antworten
Fragen dazu wollte Wolf nicht beantworten. Gleiches galt für genauere Fragen zu einem Treffen mit Kurz in St. Petersburg. Ob er bei der Organisationen von Reisen informiert oder involviert war, seien juristische Spitzfindigkeiten, auf die sich der Millionär als "gelernter Werkzeugmacher" lieber nicht einlassen will. In den Unterlagen dazu werde insinuiert, dass er im Sinne von Kurz Termine wahrgenommen habe, um Begünstigungen wie Steuererleichterungen zu bekommen, begründete Wolf.
Allgemein sei er bei Reisen nach Russland aber ein "Festpapagei" gewesen, sagte der Investor. Er führe nicht Buch, wann er wen treffe, erinnere sich aber ebenso an Reisen mit Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ), dem Bundespräsidenten und ja, wohl auch Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP).
Auch auf die Frage von SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer, ob es gegen ihn ein Verfahren wegen des Transports von Gold über die österreichische Grenze gebe, entschlug sich Wolf der Aussage - "weil es ein anhängiges Verfahren gibt". Unklar ist, wessen Goldbarren transportiert wurden, sagte Krainer nach der Befragung.
Entschlagung bei ÖBAG
Chats zeigen, dass Wolf in die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrats eingebunden war. Auch hier entschlug sich Wolf. Gegen Kurz wird aufgrund des Verdachts der Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss ermittelt. Die WKStA vermutet, dass der frühere ÖVP-Chef seine Rolle in der Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef bewusst und fälschlicherweise heruntergespielt haben könnte. Kurz bestreitet diesen Vorwurf, es gilt die Unschuldsvermutung.
Wolf wurde von den Korruptionsjägern als Zeuge befragt. Nach Meinung von Wolfs Vertrauensperson könnte gegen den Investor aufgrund seiner Zeugenaussage in der Causa ÖBAG wegen falscher Beweisaussage ermittelt werden.
Warum Wolf gegenüber Schmid von "unserem Staatsfonds" schreibt, wollte die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli wissen. Er bezeichne sich als Österreicher daher "unser" Staatsfonds, sagt Wolf: "Ich bin gelernter Österreicher und stolz, in diesem Land zu Leben. Noch."
Causa Eurofighter
Auch wenn er die Abgeordneten mehrfach fragt: Woher die Chats stammen, weiß Wolf natürlich: In der Causa Eurofighter wurde sein Handy beschlagnahmt. Ob er darin weiterhin Beschuldigter sei, wollte Neos-Abgeordnete Krisper wissen.
Die Frage verletze seine Menschenrechte, zeigte sich der Millionär zunächst überzeugt. Nach dem Hinweis des Verfahrensrichters, dass er sich schon mehrfach auf seinen Beschuldigtenstatus berufen hatte, antwortete Wolf doch: Ja, er sei beschuldigt "und das seit zwanzig Jahren."
Causa Steuernachlass
Kernthema wäre eigentlich die Steuercausa des Steirers: Wolf wurden 2017 nach Interventionen Schmids rund vier Millionen Euro an Steuerschuld erlassen – entgegen der Einschätzung hoher Finanzbeamter. Da Wolf auch 680.000 Euro an Anspruchszinsen nicht zahlen wollte, soll er das Gesetz gebrochen haben, vermutet die WKStA: Der Millionär könnte eine Finanzbeamte mit einer Versetzung bestochen haben, damit sie ein Auge zudrückt, so der Vorwurf der Korruptionsjäger.
Causa Wolf
Schmid soll die Versetzung als Generalsekretär eingefädelt haben. Auch Schelling soll Weisungen aus "sachfremden" Motiven an Kabinettsmitarbeiter gegeben habe, um dem Unternehmer als wichtigem Unterstützer der ÖVP Vermögensvorteile zu verschaffen.
Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Wolf sieht sich in der Causa Steuernachlass "voll im Recht". Jahrelang sei die Änderung der Besteuerung weder seinen Steuerberatern noch der Finanzverwaltung aufgefallen, betonte Wolf. Er habe das Verfahren aber nicht, weil er seine Finanzen verschwiegen habe. Die Veröffentlichung der Chats kritisiert er. Wolf will im U-Ausschuss keine weitere Stellungnahme zu seiner Steuercausa abgeben.
Ex-Generalsekretär Schmid wird sich heute nicht dazu im U-Ausschuss äußern, er konnte weiterhin nicht erreicht werden. Schmid wird daher heute wohl kaum erscheinen. Die Abgeordneten arbeiten aber daran, dem schwer erreichbaren Verfasser vieler Chats habhaft zu werden.
Wichtiger Golfplatz Fontana
Die beschuldigte Finanzbeamte soll gerne den Golfplatz Fontana besucht haben, der Wolf gehört. Auch Ex-ÖVP-Bundesgeschäftsführer Axel Melchior begann wohl seine Karriere beim Golfen: Er habe Melchior bei dessen Ferialpraktikum als Caddie am Golfplatz kennengelernt, sagte Wolf auf eine entsprechende Frage Krainers.
Als Krainer fragte, ob es bei einem späteren Treffen mit Melchior um Unterstützung für die ÖVP gegangen sei, erklärte Wolf einmal mehr, dass er nie gespendet habe. Man würde Parteien aber wählen, mit der man etwas gemeinsam habe, sagte das frühere Wiener SPÖ-Mitglied Wolf und sicherte seinem Ex-Parteikollegen Krainer zu: "Mit Ihnen hätte ich sicher keine Unterstützungsleistung. Nicht einmal einer Diskussion mit Ihnen hätte ich mich hingegeben." Krainer dankte.
Vorsitzender Sobotka
Dem U-Ausschuss saß am Vormittag erneut Wolfgang Sobotka (ÖVP) vor. Er war letzte Woche in die Schlagzeilen geraten, da die WKStA gegen ihn wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt. Sobotka bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.
Ein Thema aus dem letzten U-Ausschuss fand sich nun aber in den Akten des nunmehrigen wieder: Mehr als 150.000 Euro zahlten Unternehmen, die dem Land Niederösterreich nahestehen, zwischen 2017 und 2019 an das Alois-Mock-Institut, dem Sobotka vorstand. Am Dienstag wurde bekannt, dass das Institut aufgelöst wurde. Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst will die heutigen Auskunftspersonen auch zu Wahrnehmungen zum Institut befragen. Vorsitzender Sobotka wird dabei wohl besonders gespitzte Ohren haben.
ÖVP-Studien
Max Miller