Am Mittwoch findet sich Siegfried "Sigi" Wolf in einer ungewohnten Rolle wieder: Der Unternehmer (und einer der reichsten Österreicher) wird dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss Rede und Antwort stehen müssen; Wolf hatte dem Parlament zwar für einen ersten Termin abgesagt, von sich aus aber sein Kommen für Ende März/Anfang April zugesagt (was das Parlament nicht davon abhielt, ihm eine Beugestrafe anzudrohen).
Dass ihm vier Millionen Euro an Steuern nachgelassen wurde, interessiert die Abgeordneten. Dass gegen Wolf wegen des Verdachts der Bestechung ermittelt wird, ebenso.
Der gebürtige Feldbacher ist ein Mann der Extreme: Einerseits besitzt er Luxusvillen und seltene Oldtimer. Andererseits war Wolf über 40 Jahre lang in einer Gemeindebauwohnung in Wien gemeldet. Nun ist er verdächtig, eine Finanzbeamtin bestochen zu haben, um 630.000 Euro an Steuern zu sparen. Es gilt die Unschuldsvermutung für alle Beteiligten.
"Schon eher unüblich"
Aber von vorn: Seit 2007 hätte Wolf Einkünfte in der Schweiz auch in Österreich versteuern müssen. Da er das nicht tat, sparte sich der Investor rund elf Millionen Euro – bis 2012 ein Sachbearbeiter im Finanzministerium den Fehler bemerkte. Doch Wolf wollte nicht zahlen. So begannen Wolfs Steuerberater einen regen Austausch mit dem Finanzministerium.
Der Investor selbst wandte sich 2016 an ÖVP-Politiker. Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel vermittelte Wolf mit seinen Steuersorgen rasch an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. Dieser scheint in Chats mehr als bereit, für Wolf Druck auf die eigenen Mitarbeiter zu machen. "Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für dich reichen!" (sic!), schrieb Schmid einem Kabinettsmitarbeiter etwa.
Schmid bat zunächst den Leiter der Steuersektion im Finanzministerium, Gunter Mayr, sich den Fall anzusehen. Der stimmte sich mit der Großbetriebsprüfung ab und – "schon eher unüblich", wie Mayr vor dem U-Ausschuss sagt – hörte auf Schmids Wunsch auch Wolfs Steuerberater an. Dennoch sei 2016 für ihn klar gewesen, dass Wolf rund elf Millionen Euro nachzahlen müsse.
Schmid sah das anders und zitierte Mayr in sein Büro. "Ich kann mich leider an den Termin relativ gut erinnern, weil er besonders unerfreulich war", erzählte Mayr, "mit persönlichen Vorwürfen und allem Möglichen". Schmid rief auch die Vorständin des zuständigen Finanzamts an. "Da sind für meinen Geschmack ziemlich merkwürdige Aussagen gefallen", so Mayr. Etwa hätten Schmid und die Beamtin stets über "den Sigi" gesprochen.
"Haben heute Einigung mit Sigi geschafft"
Generell standen sich Wolf und die Vorständin nah. So war Wolfs Finanzakt ein "Vorstandsakt", die Beamtin nahm Akten offenbar auch mit nach Hause. Chats zeigen, dass Wolf über Interna des Finanzamts Bescheid wusste. Hinter dem Rücken von Mayr und mit der "Ersatzmannschaft" des Finanzministeriums fand dann eine Schlussbesprechung statt, die für Wolf glimpflich ausging, wie Schmid dem damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling berichtete: "Haben heute Einigung mit Sigi geschafft. 75:25. er zahlt zwischen 7 und 8 Mio. Euro nach. Muss noch genau berechnet werden. Er rief mich mehrmals an und wollte auf 6 runter. Das war unmöglich für uns während der laufenden Verhandlung zu intervenieren. Ich finde, bei diesem Deal hat sich unsere Finanzverwaltung bewegt und beide Seiten sollten zufrieden sein. Er hat heute 60er – teurer Geburtstag :) :)"
Der Steuerfall Wolf sei in seiner Karriere "einzigartig", sagte ein anderer zuständiger Finanzbeamter im U-Ausschuss aus.
Nun wird gegen Wolf ermittelt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vermutet, dass Wolf genannte Beamtin bestochen haben könnte, um sich zumindest einen Teil dieser Nachzahlung im Umfang von 630.000 Euro an Steuern zu sparen. Bei einem Treffen mit dem Millionär auf der Autobahn-Raststätte Guntramsdorf an der A2 soll die Dame ihren Preis genannt haben: die Versetzung an die Spitze des Finanzamts Baden. Ermöglicht soll das dann Schmid haben. Nachdem sie Wolfs Bescheid zu seinen Gunsten ausgehen ließ, gelang ihre Bewerbung in Baden. Aufgeflogen ist die Causa 2019 durch eine routinemäßige Prüfung der Finanz, die den Bescheid aufhob.
"In Richtung Russland sehr dienlich"
Eine weitere Tangente, die angesichts der aktuellen Lage auch im U-Ausschuss relevant sein dürfte: Wolf sei "in Richtung Russland sehr dienlich", erklärte Schmid dem Sektionschef im Zuge der Besprechung.
Der Steirer pflegt gute Kontakte nach Moskau: Zu seinen 25 aktiven Funktionen im Firmenbuch zählt der Aufsichtsratsvorsitz der Sberbank Europa AG (die Europatochter der größten russischen Bank). Eigentlich wollte Wolf die Funktion zurücklegen, "aufgrund der aktuellen Ereignisse in der Ukraine" fand die Hauptversammlung am 22. März aber nicht statt. Nun bleibt der Steirer vorerst Aufsichtsratschef, bis sein Rücktritt "in Anbetracht der Gesamtumstände vertretbar erscheint", erklärt sein Sprecher Josef Kalina gegenüber der Kleinen Zeitung. Mit dem Oligarchen Oleg Deripaska ist Wolf wirtschaftlich eng verzahnt.
Die Sanktionen, die seit 2018 gegen Deripaska bestehen, schmerzten auch den Steirer. Chats zeigen, dass Wolf immer wieder bei Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vorstellig wurde. Kurz sollte etwa 2019 bei Gesprächen mit Vertretern der USA Sanktionen gegen Deripaskas Autokonzern GAZ ansprechen, an dem auch Wolf beteiligt ist. "Konntest du etwas erreichen?", fragte Wolf. "Lieber Sigi! War sehr, sehr gut. Bitte lass uns direkt reden, sobald ich in Wien bin", antwortete Kurz.
Der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss bezeichnete den Steirer jüngst im "profil" als "kleinen Austro-Oligarchen". Österreich und die OMV sei von einer Gruppe an Putin-Verstehern gezielt in eine Abhängigkeit von Russland gelenkt worden, wirft Roiss ihm vor: "Diese Leute haben ihre eigenen finanziellen Interessen über jede Moral gestellt."
"Ich habe auf Entscheidungen, welche Gas- oder andere Energie-Quellen die OMV erschließt oder woher die OMV ihr Gas oder ihr Öl bezieht, nie direkt oder indirekt Einfluss ausgeübt", wies Wolf die "unrichtige Darstellung" zurück.
Maximilian Miller