Angesichts der Bedrohung durch den Krieg in der Ukraine soll das Österreichische Bundesheer deutlich mehr Geld bekommen. Es soll zum einen ein zehn Milliarden Euro schwerer "Neutralitätsfonds" für die nächsten Jahre eingerichtet werden, mit dem der Investitionsrückstau der letzten Jahrzehnte abgebaut wird, und zum anderen das Regelbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden, fordert Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP).
Tanner hat ihr Paket gemeinsam mit Generalstabschef Robert Brieger in einer Unterredung mit den Wehrsprechern aller Parteien am Donnerstag präsentiert – bei einem "Geheimtreffen in den Räumlichkeiten des Parlaments". Dieses soll nun "mittels parteiübergreifendem Schulterschluss erreicht werden", heißt es aus dem Bundeskanzleramt. Die meisten Parteien äußerten sich zuletzt sehr wohlwollend gegenüber einer signifikanten Budgeterhöhung. Auch eine Verankerung im Verfassungsrang soll zur Debatte stehen.
Kommentar
Empörung unter den Wehrsprechern
Von einem solchen Schulterschluss will kurz nach Bekanntwerden der Pläne aber niemand etwas wissen. Die Wehrsprecher David Stögmüller (Grüne), Robert Laimer (SPÖ), Reinhard Bösch (FPÖ) und Douglas Hoyos (NEOS) widersprachen dem allerdings umgehend und zeigten sich vom Vorgehen der Ministerin empört. Sie seien über diese Zahlen nicht informiert gewesen, man habe nur allgemein gesprochen. Stögmüller bezeichnete die Zeitungsgeschichten gegenüber der APA gar als "Ente". Die Zahlen würden nicht stimmen, "die Verhandlung über das Heeresbudget haben noch gar nicht begonnen". Im Verteidigungsministerium war trotz mehrmaligen Versuchen für die APA vorerst niemand zu erreichen.
Allerdings berichteten kurz danach "Krone" und "Kurier" gleichzeitig, dass Tanner die Wehrsprecher über ihr sogenanntes "Neutralitätspaket" informiert hätte.
Noch nie da gewesenes Verteidigungsbudget
Mit diesem "Neutralitätspaket" würde – sofern es das Parlament passiert – ein bisher nie da gewesenes Verteidigungsbudget erreicht werden, das dem in den vergangenen Jahrzehnten stark reduzierten Bundesheer neuen Handlungsspielraum eröffnen würde. 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wären um die sechs Milliarden Euro im Jahr. Derzeit liegt das Heeresbudget bei 0,6 Prozent des BIP beziehungsweise 2,7 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Zum Höhepunkt des Kalten Krieges lag das Verteidigungsbudget bei knapp 1,2 Prozent des BIP. Selbst eine Verankerung im Verfassungsrang steht zur Debatte.
Laut Tanner solle das Heer dank neuem Budget neben "modernen Waffensystemen" auch Kompetenzen im Bereich Cyberabwehr und im Umgang mit Drohnensystemen erlangen. Für moderne Bedrohungsszenarien brauche es moderne und robuste Antworten, so Tanner. "Um die Sicherheit Österreichs und seiner Bevölkerung und damit auch die Neutralität weiterhin schützen und wahren zu können, brauchen wir eine zukunftsfähige und moderne Landesverteidigung."
Historisches Ereignis
Die geplante Erhöhung des Heeresbudgets auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wäre ein historisches Ereignis. 30 Jahre lang waren die Verteidigungsausgaben im unaufhaltsamen Sinkflug begriffen. Ein Heeresbudget von mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts gab es zuletzt 1988. 1,5 Prozent hat es in der langjährigen Aufzeichnung seit 1970 überhaupt noch nie gegeben.