Heute wirkt der Ausschuss wie ausgetauscht. Es kommt kaum zu Unterbrechungen, auch Fragen außerhalb des Untersuchungszeitraums mit Zusammenhang zu dem Untersuchungsgegenstand werden zugelassen.

Pilz übergibt Handy-Auswertung

Der frühere Abgeordnete und nunmehrige "ZackZack"-Herausgeber Peter Pilz hat die Auswertung des Handys des früheren Sektionschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, gleich zu Beginn seiner Befragung am Nachmittag an den Ausschuss übergeben. Chats auf dem Gerät ("Rote bleiben Gsindl") hatten schon im Vorfeld des Ausschusses für Diskussionen rund um Postenschacher im BMI gesorgt.

Pilz: "Mit Erlangung der Unterlagen keine Gesetze gebrochen"

Pilz erklärt, dass es sich bei den Unterlagen Chats aus dem "Kloibmüller-Stick" handelt. Dort würden sich 4225 Seiten an Informationen – primär Chats – finden, sagt Pilz. Die dem Ausschuss vorgelegten Akten sind aber vorsortiert, damit nur Informationen vorgelegt werden, die Teil des Untersuchungsgegenstandes sind.

30 Jahre lang habe er sich gefragt, wie es sich am Platz der Auskunftsperson anfühlt, sagt Peter Pilz
30 Jahre lang habe er sich gefragt, wie es sich am Platz der Auskunftsperson anfühlt, sagt Peter Pilz © APA/HELMUT FOHRINGER

"Selbstverständlich sind mit der Erlangung dieser Unterlagen keine gesetzlichen Bestimmungen gebrochen worden", sagt Pilz unter Wahrheitspflicht. Er habe sie von einem Informanten ohne Gegenleistung erhalten, der sie Pilz von sich aus angeboten habe. Darüber gesprochen, ob dieser die Auswertung über strafbare Handlungen erhalten hat, sei nicht gesprochen worden, sagt der ehemalige Abgeordnete.

Pilz wundert sich, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaftsgruppe "AG Fama", die den Stick beschlagnahmt hat, keine entsprechenden Ermittlungshandlungen aufgenommen hat. Er habe die Daten im Frühjahr 2021 bekommen, da hätten sie die Ermittler schon lange gehabt. Die Chats auf dem Handy würden rund 30 Fälle von politischen Interventionen darstellen, sagt Pilz. Sie würden zeigen, dass es nicht nur um "Parteibuchwirtschaft der alten Zeit gehen dürfte". Damals seien Leute in der Regel qualifiziert gewesen, so Pilz: "Das hat sich geändert. Weil nach dem, was ich recherchieren konnte, das Parteibuch immer mehr das einzige Entscheidungskriterium geworden ist."

Akten angenommen

Die ÖVP wollte die Verwendung der Akten verhindern. Die Argumentation: Die Daten auf dem Handy seien über eine strafbare Handlung erhalten worden. Zur Erinnerung: Kloibmüller hatte das Gerät nach einem Bootsunfall einem IT-Techniker des BVT übergeben. Dieser soll aber Teil eines korrupten Netzwerks im früheren Verfassungsschutz gewesen sein und die Daten auf dem Handy illegal abgesaugt haben.

Der Verfahrensrichter betonte, dass er das Konvolut nicht annehmen würde. Falls doch, empfahl er, es als Sicherheitsstufe 2 anzunehmen. Alle Fraktionen außer der ÖVP stimmen aber dafür, die Unterlagen auf der niedrigeren Sicherheitsstufe 1 einzustufen. Dass Bures als Vorsitzende hier der Mehrheit der Fraktionen folgte und nicht der Einschätzung des Verfahrensrichters, ist für den ÖVP-Abgeordneten Christian Stocker ein "offener Bruch der Verfahrensordnung".

Müller "kennt Wolf nicht persönlich"

Mit Müller, dem nunmehrigen Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA), stand den Abgeordneten am Vormittag der langjährige Sektionschef im Finanzministerium Rede und Antwort. Er soll mit dem damaligen Generalsekretär Thomas Schmid in regem Kontakt gestanden sein. Die Abgeordneten erwarten sich von ihm Erhellendes etwa zu Vorgängen im Finanzministerium wie etwa zu den Beinschab-Studien oder zur Steuersache des Unternehmers Siegfried Wolf.

Der Kurzzeit-Finanzminister Müller wird aber – soweit bekannt – nicht als Beschuldigter geführt. Er kann sich daher weder in der Causa Beinschab, noch in der Frage nach einem Steuernachlass für Wolf nach ÖVP-Interventionen entschlagen. Bisher zeigt er sich in der Befragung unter dem Vorsitz der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures durchaus auskunftsfreudig, aber eher unwissend. Müller betont, Wolf nicht persönlich zu kennen.

Ex-Finanzminister Müller von BMF-Studien überrascht

Öffentlich diskutierte Studien des Finanzministeriums überraschen Müller sichtlich. Warum seine Performance als Finanzminister abgefragt wurde, fragt die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli. "Ich fühle mich nahezu überwacht", sagt Müller, der angibt, die Studie "Medienmarktanalyse 2019", die das BMF in Folge der Causa Beinschab öffentlich machte, zum ersten Mal zu sehen.

"Großes Potential zeigen die Themen Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer, die im August von der SPÖ
aufgegriffen wurden. Und damit polarisieren die Roten", heißt es in der vom BMF finanzierten, regelmäßigen Studie von "Media Affairs" etwa in den "Key Findings" aus dem August 2018. "Auch die
„Teigtascherl-Affäre“ ist ein medial prominent platziertes Thema, allerdings kaum parteipolitisch besetzt", heißt es da.

Müller habe in dem Zeitraum "eine sehr positive Berichtstonalität für sich verbuchen" können, heißt es weiters. Der als Experte in die Übergangsregierung Bierlein geholte Müller betont im U-Ausschuss,  keine längerfristigen Ambitionen auf ein Ministeramt gehabt zu haben – und diese Studie aus seiner Zeit als Finanzminister über ihn als Finanzminister nicht zu kennen.

Auch die Studie zum Thema "Betrugsbekämpfung" der Meinungsforscherin Sabine Beinschab, in die offensichtlich politische Fragen "hinzugepackt" wurden, hat der frühere Sektionschef im BMF nicht gelesen. Er habe sie nicht beauftragt und wohl an die Zuständigen weitergeleitet.

Der Ausschuss beschäftigt sich auch mit der Frage, ob Müllers Bestellung zum Vorstand der Finanzmarktaufsicht "maßgeschneidert" sein könnte. Denn 2020 wurde der Ausschreibungstext erstmals so formuliert, dass "Fachkunde in mindestens einem der Aufsichtsgebiete der Finanzmarktaufsichtsbehörde" nicht mehr zwingend war. Stattdessen konnte sich auch bewerben, wer "langjährige Berufserfahrung im öffentlichen Bereich" hatte. Gut für Müller, der nur Zweiteres vorweisen konnte. Wahrnehmungen dazu, wer den Ausschreibungstext geändert hat, hat der nunmehrige FMA-Vorstand nicht.

Ärger über gestrigen Ausschuss-Vorsitz

Die Statements der Fraktionsvorsitzenden vor Sitzungsbeginn waren vor allem bei SPÖ und NEOS noch von Ärger über das Agieren der ÖVP und deren Vorsitzendem Wolfgang Sobotka (ÖVP) am ersten Tag geprägt. Das Versprechen voller Transparenz und Aufklärung seitens der Volkspartei sei "wie ein Kartenhaus zusammengebrochen", meinte etwa Jan Krainer (SPÖ). Stephanie Krisper (NEOS) empörte sich darüber, dass Sobotka nur Fragen auf Grundlage vorgelegter Dokumente zulassen wollte. Umso erfreuter zeigten sich die beiden Abgeordneten über die Vorsitzführung durch Doris Bures.

Dass das Memo mit dem Aufklärungsversprechen der ÖVP Sobotka wohl nicht erreicht habe, merkte auch Nina Tomaselli vom Grünen Regierungspartner kritisch an. Der U-Ausschuss solle als "Vertrauenrückholaktion" dienen, "ich kann nur alle einladen mitzumachen". Von Müller als erster Auskunftsperson am Donnerstag erwartete sie sich Einblicke in die Praxis, Superreichen wie Wolf oder dem Immobilieninvestor Rene Benko Spezialbehandlungen zukommen zu lassen. Ähnlich äußerte sich Susanne Fürst (FPÖ), die sich auch Details zu Benkos Kauf des Wiener Postsparkassengebäudes und seinem Einstieg bei der "Kronen Zeitung" erwartete.

Andreas Hanger (ÖVP) verteidigte einmal mehr die Vorgangsweise seiner Fraktion, räumte aber ein, dass das am Mittwoch gebotene Bild "nicht würdig" gewesen sie. Abschätzig äußerte er sich zum zweiten Zeugen Pilz. Sollte dieser zu Unrecht erworbene Beweismittel zur Verfügung stellen wollen, werde man dies zum Thema einer Geschäftsordnungsdebatte machen, kündigte er an.