"Unsere schlimmsten Erwartungen sind wahr geworden", schrieb Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Donnerstag in der Früh auf Twitter. "Die EU wird rasch, geeint und in aller Deutlichkeit reagieren", betonte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Bundespräsident Alexander Van der Bellen rief Russland zur Umkehr auf. "Präsident Putin muss den Angriff sofort stoppen und zu Verhandlungen zurückkehren."

"In den letzten Stunden hat die Russische Föderation erneut eine eklatante Verletzung des Völkerrechts begangen, die wir zutiefst ablehnen und klar verurteilen", teilte Nehammer mit. "Österreichs uneingeschränkte Solidarität gilt der Ukraine. In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei der Bevölkerung der Ukraine."

Fest stehe, "dass dieser neuerliche Angriff auf die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine nicht unbeantwortet bleiben" werde, so Nehammer. Im Parlament berichtete Nehammer von einem kurz zuvor geführten Telefonat mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und hielt fest: "Die Situation in der Ukraine ist höchst dramatisch".

Enger Austausch in Europa

Er habe bereits mit EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen, erklärte der Regierungschef im Vorfeld des für Donnerstagabend geplanten EU-Sondergipfels. "Wir koordinieren uns mit unseren europäischen und gleichgesinnten Partnern, welche weiteren Maßnahmen gegenüber Russland ergriffen werden." Er stehe zudem in laufendem Austausch "mit dem Krisenkabinett der Bundesregierung, dem Bundespräsidenten und den Parlamentsparteien".

"Das russische Narrativ der Hilfe für die gefährdeten Separatistengebiete gegen eine angebliche Aggression ist durchsichtig und an den Haaren herbeigezogen", wurde in der Aussendung des Kanzlerbüros betont. "Im Gegenteil: Die ukrainische Regierung hat in den letzten Wochen auf die massive russische Drohkulisse besonnen und mit größter Zurückhaltung reagiert. Hier wird offensichtlich eine Opfer-Täter-Umkehr versucht." Nehammer rief Russland zu einem Ende der Aggressionen und zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Es gelte, "eine noch größere Eskalation und einen Krieg auf europäischem Boden zu verhindern".

"Kriegerischer, völkerrechtswidriger Angriff" verurteilt

"Aufs Schärfste" verurteilte auch Van der Bellen den "kriegerischen, völkerrechtswidrigen Angriff Russlands". Wenn Putin diesen nicht stoppe, "wird der Einsatz militärischer Gewalt auf dem europäischen Kontinent die Beziehungen zum russischen Nachbarn auf Jahrzehnte verändern", mahnte der Bundespräsident.

"Alles muss nun getan werden, um eine weitere Eskalation zu vermeiden und Menschenleben zu schützen", so Van der Bellen. "Alles, was die Republik Österreich als neutraler Staat tun kann, um zum Frieden beizutragen, werden wir tun. Frieden muss an erster Stelle stehen", unterstrich der Bundespräsident. Der Weg zum Verhandlungstisch muss für alle Seiten offen stehen.

Wie Nehammer und Van der Bellen stellte sich auch Außenminister Schallenberg klar hinter Kiew. "Russland hat den Weg der Gewalt gewählt. In diesen schwierigen Stunden stehen wir zur Ukraine und dem ukrainischen Volk", betonte er in einem englischsprachigen Tweet. "Zutiefst erschüttert über die Ereignisse in der Ukraine" zeigte sich auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). "Gerade als neutraler Staat können wir diese Aggression nicht akzeptieren. Unsere rote Linie ist das Völkerrecht."

Österreich an Seite von Ukraine

Nehammer hatte wenige Stunden vor Beginn der russischen Angriffe erklärt, dass Österreich zur Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge bereit sei. "Bei der Ukraine verhält es sich anders als bei Ländern wie Afghanistan. Da reden wir von Nachbarschaftshilfe", sagte Nehammer am Mittwochabend in der "ZiB 2" des ORF. "Wenn ein Nachbarstaat (...) bedroht wird, dann gilt es solidarisch zu helfen. Das hat Österreich immer getan", verwies er etwa auf die Jugoslawienkriege in den 1990er-Jahren. Doch dürften Polen, die Slowakei und Ungarn die wichtigsten Zielländer sein.

Der Kanzler machte auch klar, dass Österreich in der aktuellen Wintersaison einen Stopp russischer Gaslieferungen überstehen würde. Man habe genug Gas in den Speichern, um "mindestens den Winter gut durchkommen" zu können, betonte er.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach auf Twitter von einem "dunklen Tag für die Welt". Ihre Gedanken seien bei der Bevölkerung in der Ukraine, schrieb die Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Parlament. "Geeint muss Europa jetzt alles dafür tun, diese Waffengewalt rasch zu beenden." Ziel müsse eine Verhandlungslösung sei, "um noch mehr menschliches Leid zu verhindern."

Russischer Botschafter erneut ins Außenministerium zitiert

Der russische Botschafter, Dmitri Ljubinski wurde am Donnerstag erneut zu einem Gespräch ins Außenministerium (BMEIA) zitiert. Generalsekretär Launsky-Tieffenthal habe unmissverständlich klargemacht, "dass der russische Einmarschbefehl und die breitflächige Invasion der Ukraine eine im Europa des 21. Jahrhunderts unvorstellbare Eskalation darstellt, welche durch nichts zu rechtfertigen ist und von Österreich aufs Schärfste verurteilt wird", hieß es aus dem BMEIA.

"Die russische Aggression ist eine neuerliche eklatante Verletzung des Völkerrechts, der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine", wurde in der Mitteilung als Reaktion auf den in der Nacht auf Donnerstag erfolgten russischen Angriff auf die Ukraine festgehalten. "Es ist auch klar, dass dieser erneute Angriff für Russland massive Konsequenzen seitens der EU und ihrer Partner zur Folge haben wird." Russland werde aufgefordert, die militärische Aggression unverzüglich zu beenden, alle Truppen abzuziehen und rasch an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Österreich stehe in diesen schweren Stunden an der Seite der Ukraine und des ukrainischen Volks.

Ljubinski war bereits am Dienstag nach der Anerkennung der Unabhängigkeit der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk durch Russland in das Außenministerium zitiert worden. Damals hieß es, dass es sich bei der Anerkennung um eine gravierende Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine handle, die von Österreich schärfstens verurteilt werde.